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Michael Hennrich: Es ist eine Lücke, dass wir das Thema „Arzneimittelversorgung / Apotheken“ noch nicht im SGB V integriert haben

Redebeitrag zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst dem Dank unseres Bundesgesundheitsministers an die Apotheker und ihre Mitarbeiter vor Ort für ihre großartige Leistung zur Bewältigung der Coronakrise anschließen. Ich habe es selber im Wahlkreis erlebt. Als die Desinfektionsmittel ausgingen, waren die Apotheker bereit, über Nacht neue Desinfektionsmittel anzurühren. Sie haben bei Lieferengpässen mit benachbarten Apotheken telefoniert und sich um Nachschub gekümmert. Nie stand der Schutz des Apothekers im Vordergrund, sondern immer der Schutz der Patienten, die Hilfe für die Patienten. Dafür möchte ich mich noch einmal ausdrücklich bedanken.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der AfD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, es ist wichtig, noch einmal auf die Zusammenhänge einzugehen, warum wir heute dieses Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz beschließen müssen. Wir hatten einen funktionierenden Markt bei einem guten Nebeneinander von Versandapotheken und Präsenzapotheken. Beide waren zwar mit der Situation unzufrieden, aber den Patienten hat es genutzt; denn den Patienten standen zwei Versorgungswege offen. Dann kam dieses unselige Urteil des EuGH, der ausschließlich auf das Thema Wettbewerb Wert gelegt hat und zu keinem Zeitpunkt den Aspekt der Versorgungssicherheit, die flächendeckende Versorgung der Patienten, in den Mittelpunkt seiner Entscheidung gestellt hat.

Ich gebe es ganz offen zu: Tief im Innern meines Herzens bin ich ein Anhänger des Rx-Versandhandelsverbots.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich bin Sabine Dittmar dafür dankbar, dass sie noch mal deutlich gemacht hat, dass die SPD davon nicht ganz so begeistert ist. In den Monaten, in denen ich für das Versandhandelsverbot gekämpft habe, habe ich gelernt, dass ich mit der Idee und den Vorstellungen ein Stück weit old-fashioned bin, dass das nicht der Wunsch der Patienten ist, egal wo, sondern dass das ausschließlich getriggert war – leider Gottes – von den Apothekern. Das sind Realitäten, die wir anerkennen müssen. Deswegen haben wir jetzt einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, mit dem wir versuchen, möglichst nah an die Situation heranzukommen, wie wir sie vor dem EuGH-Urteil hatten.

Liebe Frau Kollegin Schulz-Asche, ich möchte schon sehr deutlich sagen: Das ist keine Finte. Wir haben die Vergütung der Ärzte im SGB V geregelt. Wir haben die Vergütung der Krankenhäuser im SGB V geregelt. Und es ist eine Lücke, dass wir bisher nicht auch das Thema „Arzneimittelversorgung/Apotheken“ im SGB V integriert haben. Deswegen ist das ein richtiger und notwendiger Schritt, und ich bin überzeugt, dass das verfassungsrechtlich und europarechtlich hält.

(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Dürr [FDP]: Das hat der Herr Scheuer auch gesagt! – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es kommt auf die Argumentation vom EuGH an!)

Aber ich will noch einige Punkte ansprechen, die mir in dem Gesetzgebungsverfahren sehr, sehr wichtig sind:

Punkt eins: Gleichpreisigkeit auch bei Privatversicherten. Das haben wir im Gesetzentwurf bisher noch nicht vorgesehen. Aber ich glaube, wir sollten uns darüber noch mal vertieft Gedanken machen, weil es ja mit dem E-Rezept zu einer Wende im Wettbewerb gekommen ist. Das EuGH-Urteil basiert wesentlich darauf, dass man gesagt hat: Die Versandapotheker können nur über den Preis in den Wettbewerb kommen und im Wettbewerb bestehen. – Mit dem E-Rezept – das hat das IGES-Gutachten auch sehr deutlich gemacht – kommt es zu einem Paradigmenwechsel. Deswegen stellt sich schon die Frage, ob man jetzt zusätzlich noch mehr Flexibilität beim Preis braucht oder ob wir vielleicht auch, was den Privatversichertenbereich angeht, für Gleichpreisigkeit sorgen können.

Zweites Thema sind die pharmazeutischen Dienstleistungen. Ich erwarte, dass wir auch da zum Beispiel den Landesverbänden mehr Möglichkeiten einräumen, Verträge zu schließen. Wir haben in der Vergangenheit die Blockaden auf Bundesebene erlebt. Deswegen ist mein Wunsch und mein Appell an den Minister, für ein bisschen mehr Flexibilität zu sorgen.

Wir sollten uns – das möchte ich zum Schluss ansprechen – ein Thema noch einmal sehr genau anschauen, nämlich den Erwerb von TeleClinic durch DocMorris. Seit 780 Jahren gibt es die Regel, dass Ärzte nicht an Medikamentenabgaben verdienen sollen. Diese Regel wurde mit diesem Kauf gebrochen. Das ist ein fundamentaler Paradigmenwechsel in der Versorgung von Patienten. Mein Wunsch ist, dass wir an dem Punkt Flagge zeigen

(Beifall bei der CDU/CSU)

und eine Regelung finden, die dieses Thema beendet.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)