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Michael Brand

Michael Brand: Die Problemlösung liegt nicht einfach in der Widerspruchslösung

Rede in der Debatte zu Organspenden

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das hier ist etwas, was nützt, was nicht wehtut und was auch ein ganz gutes Gefühl vermittelt: ein Organspendeausweis.

(Der Redner zeigt einen Organspendeausweis)

Ich selbst habe einen solchen Ausweis seit vielen Jahren. Ich möchte die Debatte damit einleiten, dass ich alle Kolleginnen und Kollegen einlade, die sich noch nicht entschieden haben, und alle Zuschauer, die dieser Debatte folgen. Als Christ weiß ich um das Leben nach dem Tod. So bin ich sicher, dass viele von denjenigen, die Organe gespendet haben, sich daran freuen werden, dass andere durch ihre Spende überleben konnten.

Ich habe mich im Übrigen bei diesem Organspendeausweis für einen von der Deutschen Palliativ-Stiftung entschieden. Es ist bislang der einzige Ausweis, in dem das Thema Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht ausdrücklich thematisiert ist. Ich glaube, auch dort ist es wichtig, zu Lebzeiten für Klarheit zu sorgen; denn bei der Organentnahme braucht es eben lebenserhaltende Maßnahmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn der Staat ein Problem lösen will, darf er nicht mit unverhältnismäßigen Mitteln reagieren. Bevor man tiefe Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht und die Würde des Menschen vorschlägt, sollte man analysieren, wo genau das Problem liegt, und dann Lösungen mit Augenmaß anbieten. Mir stellt sich in dieser Orientierungsdebatte eine ganz simple, eine zentrale Frage, nämlich: Warum eigentlich ist die prinzipielle Bereitschaft zur Organspende so groß und die konkrete Bereitschaft zur Umsetzung so gering?

Ursache dieser Entwicklung sind nicht etwa immer weniger potenzielle Organspender, wie oft vermutet wird. 2018 ist die Zahl der Spender sogar um über 15 Prozent gestiegen. Es handelt sich vielmehr um organisatorische Probleme in den Kliniken.

Meine Sicht ist erstens – da geht es gerade nicht um die Frage der Effizienz – das zentrale Thema Vertrauen der Bürger in die Verfahren der Organspende; denn es gab ja Missbrauch. Dieses Vertrauen erreichen wir über Transparenz, indem wir über Vorteile, die Fragen und auch die gelösten Probleme umfassend informieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Nicht allein die hehren Forderungen nach mehr Organspenden werden das Problem lösen. Wir müssen auch die Hausaufgaben im Gesundheitssystem präzise erledigen. Der Gesetzentwurf unseres Gesundheitsministers weist absolut in die richtige Richtung, wobei ich klar sagen will: Es ist keine „nationale Aufgabe“, wie es der Minister beschrieben hat, sondern eine höchst individuelle Entscheidung, die jeder für sich selbst treffen muss.

Drittens. Ob es wirklich eine generelle gesetzliche Änderung und damit einen generellen gesetzlichen Eingriff mit großem bürokratischen Aufwand und wieder einmal mit vielen Fragen zur Rolle des Staates gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern benötigt, ist für mich noch nicht vollständig geklärt; dafür führen wir diese Orientierungsdebatte. Was spricht eigentlich dagegen, dass dieses Gesetz, das ja alle in der Debatte gelobt haben, nicht erst einmal Wirkung entfalten darf und dass wir gleichzeitig unsere Anstrengungen erhöhen?

(Beifall der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])

Dann kann man sich noch immer für Alternativen entscheiden, die ohne gravierende Grundrechtseingriffe auskommen, wie zum Beispiel die verpflichtende Entscheidungslösung, eine Entscheidungspflicht der Bürger etwa bei der Ausstellung von Ausweisen oder beim Führerschein, gegebenenfalls mit einem Spendenregister. Über das alles sollten wir noch diskutieren. Ich weiß allerdings – das zeigen die Erfahrungen aus anderen Ländern wie Schweden –, dass die Problemlösung nicht einfach in der Widerspruchslösung liegt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Abgesehen von Effizienz und besseren Abläufen kann mit einer intelligenten und ehrlichen Kommunikation – darin bin ich mir ziemlich sicher – die prinzipielle Bereitschaft so vieler Millionen Menschen zur Organspende hin zu konkretem Handeln verändert werden. Wir haben bekanntlich einen technikaffinen Gesundheitsminister. Es gibt ganz ohne Gesetzesänderungen – neben all den notwendigen Maßnahmen, die ich gerade erwähnt habe – kurzfristige und effektive Mittel. Lieber Jens Spahn, wie wäre es eigentlich, wenn wir mit Facebook oder mit anderen Kanälen einmal positive Schlagzeilen machten? Wie wäre es, wenn wir seitens des Gesundheitsministeriums eine wirksame Kampagne auf die Beine stellten, die über ein paar Monate hinweg versucht, die große Bereitschaft in der Bevölkerung zu konkreten Organspenderausweisen zu machen?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Kommen Sie bitte zum Ende.

Michael Brand (Fulda) (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! – Es ist ein Unterschied, ob ich alle zwei Jahre von meiner Krankenkasse ein technisches und auch etwas liebloses Schreiben bekomme oder ob ich hin und wieder auf das Thema aufmerksam gemacht werde. Vielleicht gelingt es an diesem Beispiel, eine wirklich positive Geschichte zu einer Geschichte von vielen zu machen. Wenn man andere Optionen hat, die das Problem besser und schneller lösen können, dann sollte man diese nutzen, und zwar möglichst schnell; denn das rettet konkret Leben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)