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Jana Schimke: Wir haben im Bau einheitliche Standards

Rede zur EU-Entsenderichtlinie

Jana Schimke (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Land hat sich verändert. Dinge, die vor 10, 15 Jahren selbstverständlich waren, als kein Hahn danach gekräht hat, wie es auf unserem Arbeitsmarkt zugeht, wären heute undenkbar. Heute ist es selbstverständlich, dass alle Menschen in Deutschland denselben Arbeitsschutzstandard erhalten, natürlich auch eine gleichwertige Entlohnung,

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eben nicht der Fall! Deswegen brauchen wir dieses Gesetz!)

und dass die Rahmenbedingungen vergleichbar sind.

Es geht also – das muss man an dieser Stelle schon sagen – bei der Reform der europäischen Entsenderichtlinie darum, die verschiedenen Elemente des Spannungsbogens in Einklang zu bringen. Und zwar geht es auf der einen Seite um die Dienstleistungsfreiheit, die wir in Europa haben, darum, gleichzeitig Rechtssicherheit zu schaffen oder zu bewahren, aber auf der anderen Seite auch darum, den Wettbewerb nicht abzuwürgen – es ist an dieser Stelle heute schon mehrfach erklungen – und das Ganze mit dem entsprechenden sozialen Schutz zu versehen.

Das ist nicht immer leicht, wie wir merken. Denn es gibt eben nicht nur das Argument des gleichen Lohnes oder der gleichen Behandlung, sondern es gibt noch eine Vielzahl an anderen Argumenten, die, wenn wir über Wirtschaft, Arbeitnehmerfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit reden, genauso dazugehören und die genauso berücksichtigt werden müssen. Nicht nur die Beschäftigten wollen arbeiten; auch die Unternehmen wollen in die Lage versetzt werden, täglich ihren Job zu machen.

Ich will an dieser Stelle mal mit einer Sache aufräumen. Weil das Beispiel Bau heute sehr oft gekommen ist: Meine Damen und Herren, wir haben eine Mindestlohnvereinbarung im Bau; wir haben eine Allgemeinverbindlichkeit im Bau. Was Sie hier beispielhaft immer wieder vortragen, wie es vielleicht früher einmal gewesen ist, das ist heute nicht mehr so.

(Pascal Meiser [DIE LINKE]: Was ist denn mit dem Elektrohandwerker?)

Wir haben im Bau einheitliche Standards; das ist gut und richtig. Dazu hat sich der Gesetzgeber bereits vor vielen Jahren entschieden.

Ich will aber auf einen Aspekt hinweisen, der, glaube ich, an dieser Stelle sehr wichtig ist und der genannt werden sollte. Wir müssen bei allem Wünschenswerten schon darauf achten, dass wir die Tarifautonomie, die ein hohes Gut in diesem Land ist, nicht gefährden. Wir haben bei der Arbeitnehmerentsendung zwei Maßstäbe. Wir haben auf der einen Seite allgemeinverbindliche Tarifverträge, die bundesweit gelten, und wir haben auf der anderen Seite den Weg der Rechtsverordnung. Wir schaffen jetzt mit der Arbeitnehmerentsenderichtlinie die Regelung, dass jene, die einem Tarifvertrag unterliegen, sozusagen den gesamten Rattenschwanz zu zahlen haben – mit Zulagen, mit Weihnachtsgeld, mit allem, was dazukommt –,

(Bernd Rützel [SPD]: Das ist richtig so!)

und jene, die über Rechtsverordnung laufen, eben nur die Mindestlohnstandards einzuhalten haben.

Darüber kann man natürlich diskutieren. Aber was will ich damit sagen? Wenn wir den Bogen bei der Tarifautonomie, bei jenen Unternehmen, die tarifgebunden sind, immer mehr spannen und sie dazu verpflichten, immer mehr zu leisten – wozu führt das am Ende? Das führt zur Tarifflucht. Das ist ein Problem, das wir in Deutschland schon sehr, sehr lange haben, vornehmlich in den neuen Bundesländern, nämlich dass viele Unternehmen in Deutschland sich sagen: Das tue ich mir nicht mehr an. Das mache ich nicht. – Das würde ich sehr gerne verhindern, meine Damen und Herren.

(Pascal Meiser [DIE LINKE]: Allgemeinverbindlichkeit!)

Deswegen ist die ganze Diskussion um die Anwendung regionaler Tarifverträge auch nicht in Ordnung. Denn wozu führt das am Ende? Das führt dazu, dass ein Entleihbetrieb, dass ein entsendender Arbeitgeber sich im Zweifel mit 16 Tarifverträgen in diesem Land auseinandersetzen müsste. Das führt zu einem Systembruch bei der europäischen Entsendung von Arbeitnehmern. Bisher gelten nämlich bundesweite Standards.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das hat sich ja verändert! – Zuruf des Abg. Bernd Rützel [SPD])

Nur jene Tarifverträge, die eine bundesweite Allgemeinverbindlichkeit haben, gelten im Rahmen der Entsenderichtlinie.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Und wenn wir das ändern, meine Damen und Herren, dann wird das dazu führen, dass Beschäftigung nicht nur komplizierter wird, sondern auch mehr und mehr Rechtsunsicherheit mit sich bringt. Diese Bürokratie möchte ich unseren Arbeitnehmern und Arbeitgebern ehrlich gesagt nicht aufbürden.

(Bernd Rützel [SPD]: Das ist keine Bürokratie, das ist Gerechtigkeit!)

Seien wir mal ehrlich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Worum geht es Ihnen im Grunde?

(Angelika Glöckner [SPD]: Arbeitnehmerschutz!)

Im Grunde geht es Ihnen um die Situation, dass wir, wenn wir im Rahmen der Entsenderichtlinie regionale Tarifverträge anwenden würden, eine Diskriminierung deutscher Arbeitgeber und Arbeitnehmer hätten. Denn deutsche Unternehmen mit deutschen Arbeitnehmern, die aus Hamburg kommen und in München arbeiten, müssten dann auch nach Münchener Tarif bezahlt werden.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja natürlich! Ist doch logisch! – Angelika Glöckner [SPD]: Richtig! – Pascal Meiser [DIE LINKE]: Richtig!)

Das ist der Punkt, um den es Ihnen eigentlich geht: das deutsche Tarifrecht zu unterlaufen

(Pascal Meiser [DIE LINKE]: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort! – Bernd Rützel [SPD]: Sie haben es nicht verstanden!)

und zu verändern und die Standards in diesem Bereich auf den Kopf zu stellen.

Da sage ich Ihnen eines: Tarifautonomie ist nicht nur ein leeres Wort. Es bedeutet ganz viel, nämlich dass Politik sich aus Lohn- und Tarifverhandlungen rauszuhalten hat. Das möchte ich sehr gerne bewahren. Unsere Sozialpartner sollen weiterhin in die Lage versetzt werden, die besten Bedingungen für ihre Beschäftigten auszuhandeln.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sollen sie doch! Deswegen wollen wir ja ganze Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklären!)

Da haben wir nichts drin verloren.

Meinen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)