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Jana Schimke: Minijobs sind unbürokratisch

Redebeitrag zum Antrag zur Stärkung des Sozialversicherungssysteme

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf heute hier in dieser spannenden Debatte den Punkt setzen, und das mache ich natürlich gerne, das können Sie sich vorstellen. Ich sage Ihnen eines: Minijobs sind wichtig, und sie sind aus unserem Arbeitsmarkt auch nicht mehr wegzudenken.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wer soll denn bitte die Spitzenzeiten in der Gastronomie abdecken, die Abendschichten? Wer soll denn im Einzelhandel die Regale befüllen? Wer soll denn in den Saisonbetrieben das Gemüse und das Obst ernten?

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie meiner Kollegin nicht zugehört?)

Der Arbeitsmarkt hat sich gewandelt. Wir sind ein Hochtechnologieland. Die Menschen können sich ihre Berufe auswählen; das tun sie auch. Das führt aber dazu, dass wir in anderen Bereichen einen immer größeren Fachkräftemangel haben und dass man schlichtweg auf solche Flexibilisierungsmöglichkeiten angewiesen ist.

Es gibt unterschiedlichste Ursachen dafür, warum Minijobs so beliebt sind. Eine ganz wesentliche Ursache ist natürlich, dass es brutto für netto gibt. Ich erinnere mich selber an meine Zeit als Studentin: Ich war darauf angewiesen, so einen Job zu machen. Dafür bin ich bis heute sehr dankbar; er hat mir letztendlich auch den Weg in den Beruf geebnet.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Schimke, ganz schnell, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung von Frau Müller-Gemmeke?

 

Jana Schimke (CDU/CSU):

Ja, gerne.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

So, das ist dann aber echt die letzte.

(Heiterkeit)

 

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Frau Präsidentin, ich mache es auch ganz kurz. – Frau Schimke, ich möchte einfach nur, dass Sie mir erklären, warum die Regale im Supermarkt nicht von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten eingeräumt werden können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Warum können bitte die Bedienungen abends, am Wochenende nicht sozialversicherungspflichtig arbeiten? Warum können kleine Jobs nicht sozialversicherungspflichtig sein? Da, wo Arbeit ist, braucht es Beschäftigte, und die können immer sozialversicherungspflichtig angestellt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Schimke.

 

Jana Schimke (CDU/CSU):

Frau Müller-Gemmeke, Sie haben theoretisch natürlich völlig recht. Wenn Sie diese Idee am Reißbrett denken,

(Dr. Florian Toncar [FDP]: So machen die das immer!)

dann können Sie natürlich für solche Tätigkeiten auch voll sozialversicherungspflichtige Beschäftigte einstellen. Nur, wer macht denn diesen Job noch? Die meisten Menschen wählen doch andere Berufswege. Wir haben einfach das Problem in der deutschen Wirtschaft, dass wir für bestimmte Tätigkeiten keine voll sozialversicherungspflichtigen Arbeitskräfte mehr finden und schlichtweg darauf angewiesen sind, besondere Instrumente zu entwickeln, die solche Tätigkeiten attraktiv machen. Wenn ich beim Minijob brutto für netto bekomme, ist das ein Anreiz.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank. – Weiter in Ihrer Rede.

 

Jana Schimke (CDU/CSU):

Ich bin bei meiner Studentenzeit stehen geblieben. Mein Minijob hat mir auch den Berufseinstieg gesichert; denn ein nur theoretisches Studium garantiert Ihnen den auch nicht mehr, Sie brauchen schon ein bisschen Praxiserfahrung im Vorfeld.

Wie sieht es bei den Rentnern aus? Die meisten Rentnerinnen und Rentner sind noch sehr fit und machen das sehr gerne, und diese Freiheit möchte ich ihnen nicht nehmen.

(Beifall des Abg. Pascal Kober [FDP])

Deswegen brauchen wir selbstverständlich Minijobs.

Aber es gibt ein ganz zentrales Argument für Minijobs, weshalb wir sie uns nicht mehr wegdenken könnten: Sie sind schlichtweg unbürokratisch. Es reicht, ein Formular auszufüllen, und sie haben einen Beschäftigten, eine Beschäftigte. Sie zahlen als Arbeitgeber pauschal ungefähr 30 Prozent Sozialversicherungsbeiträge, Sie haben den ganzen bürokratischen Kram nicht an der Backe. Ich habe das gerade selbst erleben dürfen. In einer Kreistagsfraktion gab es eine schöne Stelle, diese wurde aber nicht mit einer voll sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeschrieben, sondern mit zwei Minijobs. Auf meine Frage, warum man das macht, war die Antwort: Na, weil es eben unbürokratischer ist. – Meine Damen und Herren, das müssen wir einmal zur Kenntnis nehmen

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und vielleicht auch in künftige Beschlüsse dieses Hauses einbeziehen und etwas dafür tun, dass Arbeitsmarktpolitik auch unbürokratischer wird.

(Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Können wir jetzt einfach wieder ein bisschen durchatmen?

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Om!)

 

Jana Schimke (CDU/CSU):

Minijobber, meine Damen und Herren, sind auch nicht schutzlos; das soll an dieser Stelle auch gesagt sein. Sie genießen Kündigungsschutz, sie haben Urlaubsanspruch, und sie haben natürlich auch ein Recht auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Sie argumentieren jetzt mit Corona und sagen: 12 Prozent der Minijobs sind weggefallen, und das ist alles nicht krisensicher. – Das ist alles richtig; aber der Minijob dient doch nicht dazu, in wirklich jeder Krise und jeder Lage abzusichern.

(Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Das ist egal, oder was?)

Das ist eine Nebenbeschäftigung, wenn Sie so wollen.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Arbeit ist Arbeit! Es gibt keine Arbeit erster und zweiter Klasse!)

Niemand hat gesagt, dass man sein gesamtes Berufsleben einen Minijob ausüben soll. Das ist auch nicht unsere Auffassung, und wir haben auch niemals gesagt, dass man davon leben kann.

Uns ist natürlich bewusst, wie es vielen Frauen in diesem Lande geht, die ausschließlich eine Tätigkeit als Minijobberin ausüben. Das gefällt uns ganz und gar nicht; deswegen ist es auch richtig, dass unsere Frauen Union darauf hinweist. Aber die Reaktion darauf kann doch nicht sein, zu sagen: Wir verbieten das jetzt einfach. – Vielmehr besteht unsere Aufgabe doch darin, zu sensibilisieren, auf die Tücken und die Fehlanreize, die ein Erwerbsleben manchmal haben kann, hinzuweisen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen wir doch bitte den Menschen auch die Freiheit, ihr Leben, ihr Berufsleben so zu leben, wie sie es gerne möchten.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil sie das auch immer freiwillig machen!)

Das gilt für Studenten, das gilt für Rentnerinnen und Rentner, und das gilt natürlich auch für jene Menschen in diesem Land, die einen Minijob als Nebenerwerb ausüben. In diesem Bereich haben wir erhebliche statistische Schwächen, das soll auch gesagt sein: das berühmte Beispiel von Korrelation und Kausalität; Kollege Vogel hat es eben angesprochen. Wir wissen schlichtweg nicht, warum die Leute das tun.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel aus der Individualempirie. Der Malermeister sagt: Ich würde meinen Beschäftigten gerne ihre Überstunden bezahlen, ich würde sie gerne noch mehr beschäftigen. Ich würde gerne diejenigen in Teilzeit auf Vollzeit hochstufen. – Und was sagen die Mitarbeiter? Nein, machen wir nicht, wir gehen lieber bei einem anderen als Minijobber arbeiten, weil es sich schlichtweg mehr lohnt.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das liegt doch an unseren Regeln! Das liegt daran, dass das steuerfrei ist! Das müssen wir ändern!)

Es gibt in diesem Segment natürlich auch Mitnahmeeffekte; darüber können wir gerne reden. Aber das, was Sie tun, nämlich eine Situation prekär zu reden und daraus eine gesamtgesellschaftliche Zustandsbeschreibung zu machen, ist falsch.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Also, lassen Sie uns die Fehlanreize am Arbeitsmarkt angehen! Lassen Sie uns für Entbürokratisierung in allen Bereichen des Arbeitsmarktes sorgen! Wir müssen natürlich auch über die Entgeltgrenze beim Minijob reden.

(Gabriele Katzmarek [SPD]: Garantiert nicht!)

Der Mindestlohn steigt stetig an, deshalb muss natürlich auch die Grenze des Minijobs angehoben werden. Darauf haben wir uns schon verständigt. Im Grunde genommen ist es wichtig, den Menschen weiterhin durch möglichst viel Flexibilität ihren Arbeitsplatz zu sichern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)