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Ingrid Pahlmann: Das Elterngeld ist ein unerlässlicher Baustein moderner Familienpolitik

Redebeitrag zur Familienpolitik

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich heiße Pahlmann, aber das ist okay; das wird öfter mal falsch gesagt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Schauen wir uns einmal genau an, welche Familienpolitik die AfD-Fraktion mit ihren heute zu beratenden Anträgen propagiert. Ist es eine zeitgemäße, positive und zukunftsweisende Familienförderung, die unsere moderne Gesellschaft im 21. Jahrhundert auch verdient? Oder haben Herr Gauland und Frau Weidel mal wieder tief in die Mottenkiste gegriffen? Ich gebe zu, die Antwort auf meine Fragen kann man wahrscheinlich schon erahnen – leider; denn das scheint konstant zu bleiben.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Mottenkiste! – Karsten Hilse [AfD]: Geht es noch billiger?)

Lassen Sie uns dennoch mal ins Detail gehen: Welche familien- und frauenpolitischen Maßnahmen schlägt denn die AfD-Fraktion vor? Ein Vorschlag bezieht sich auf weitergehende Regelungen zur Schwangerschaftskonfliktberatung. Die AfD überhöht dabei die Austragungspflicht der Schwangeren und zielt mit ihrem Antrag darauf ab, Abtreibung weiter zu erschweren.

(Beifall der Abg. Leni Breymaier [SPD])

Wie sieht denn die rechtliche Situation zurzeit aus? Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 1993 klar entschieden, dass das Grundgesetz den Staat verpflichtet, menschliches Leben, auch das ungeborene, zu schützen. Menschenwürde komme schon dem ungeborenen menschlichen Leben zu.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der AfD: Genau!)

Das sehe ich natürlich ganz genauso. Selbstverständlich folge ich deshalb der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts, dass sich daraus dann auch eine Schutzpflicht des Staates ergibt.

So hat der Gesetzgeber im Jahr 1995 entsprechend reagiert und Vorkehrungen getroffen. Eine besondere Rolle kommt dabei der Schwangerschaftskonfliktberatung zu. So legt § 219 Strafgesetzbuch fest – ich zitiere –:

Die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. Sie hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen; sie soll ihr helfen, eine verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen.

Und dann heißt es weiter:

Die Beratung soll durch Rat und Hilfe dazu beitragen, die in Zusammenhang mit der Schwangerschaft bestehende Konfliktlage zu bewältigen und einer Notlage abzuhelfen.

Nach dieser Beratung muss die schwangere Frau eine Überlegensfrist von mindestens drei Tagen einhalten. Wenn sie sich nach der umfassenden ermunternden und Hilfe bietenden Beratung und der Bedenkzeit dennoch zum Schwangerschaftsabbruch entscheidet, ist dieser persönliche und sicherlich wohlüberlegte Entschluss auch zu respektieren. Die betroffene Frau hat offensichtlich ihre schwerwiegenden Gründe dafür.

Die AfD unterstellt den Frauen aber generell, dass sie diese verantwortungsvolle gewissenhafte Entscheidung nicht treffen können oder vielleicht bestenfalls zu leichtfertig treffen. Ja, sagen Sie mal, welches Bild von Frauen haben Sie eigentlich? Denken Sie wirklich, dass Frauen leichtsinnig mit ihrer Sexualität umgehen, leichtfertig ungewollt schwanger werden und Abtreibungen einfach so billigend in Kauf nehmen, dass sie es sich mit so einer Entscheidung insgesamt leicht machen?

Ich glaube, Sie haben sich die polnische Rechte zum Vorbild genommen, die wieder einmal den Versuch unternimmt, den eh schon minimalen Handlungsrahmen für ungewollt Schwangere noch restriktiver zu gestalten.

(Widerspruch des Abg. Martin Reichardt [AfD])

Obwohl Polen ein ausgesprochen strenges Abtreibungsrecht hat, liegt die Geburtenrate dort unter der Fertilitätsrate in Deutschland. Vielleicht merken Sie daran, liebe Kollegen der AfD, dass weitergehende Restriktionen und tiefgreifendes Misstrauen gegen unsere Beratungsinstitutionen ganz sicher nicht der richtige Weg sind, dem demografischen Wandel zu begegnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns eine weitere familienpolitische Maßnahme, die uns die AfD schmackhaft machen will, betrachten. Die Volksrepublik China hatte schon mal die Einkindpolitik. Die AfD will nun anscheinend eine Dreikindpolitik.

(Enrico Komning [AfD]: Ja, wollen wir!)

Damit schießt sie sich vollends ins familienpolitische Abseits. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich habe selbst drei Kinder, und ich finde das superklasse. Aber: Paare entscheiden eigenverantwortlich, ob, wann und wie viele Kinder sie bekommen wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Enrico Komning [AfD]: Ja, man darf das aber fördern!)

Dabei kann und muss ihnen Politik natürlich eine Vielzahl von Unterstützungsmaßnahmen flankierend zur Seite stellen. Und genau das hat die Koalition in den vergangenen Jahren getan.

Unsere familienpolitischen Leistungen helfen nämlich Kindern, helfen Eltern bei der Entscheidung für ein Kind. So werden wir zum Beispiel gleich morgen hier im Plenum einen Gesetzentwurf zur Änderung der Elterngeldregelung in erster Lesung beraten.

(Martin Reichardt [AfD]: Dazu werde ich einiges zu sagen haben!)

Das Elterngeld ist eine zentrale Familienleistung und ein unerlässlicher Baustein moderner Familienpolitik. Es ermöglicht Müttern und Vätern, sich Zeit für Familie und Zeit für den Beruf zu nehmen, so wie es sich viele junge Eltern wünschen. Die geplanten Änderungen sollen die Angebote zur Nutzung des Elterngeldes noch flexibler und passgenauer machen. Eltern von Frühchen erhalten weitergehende Unterstützung.

Die allermeisten Paare in Deutschland wollen ihr Familienleben mit ihrer Berufstätigkeit unter einen Hut bringen. Frauen wollen sich nicht zwischen Kindern und Beruf entscheiden müssen. Sie wollen beides, und das ist ihr gutes Recht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD)

Dazu schaffen wir den nötigen Rahmen. Nach dem Ausbau der Kinderbetreuung im Krippen- und Kitabereich ist ein weiteres Instrument der Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter. Genau vor einer Woche haben wir als Deutscher Bundestag beschlossen, dass der Bund den Ländern dazu eine Finanzhilfe in Höhe von 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellt. Das ist ein eindeutiges und starkes Bekenntnis des Bundes für Familien, für Kinder und für Alleinerziehende.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Darüber hinaus kümmern wir uns auch um die Digitalisierung von Familienleistungen. Damit wollen wir die frischgebackenen Eltern von Bürokratie entlasten; denn die knappe Zeit soll den Familien, den Kindern zugutekommen und nicht bürokratischen Handlungen. Solche Maßnahmen helfen Paaren, sich den Wunsch nach Nachwuchs zu erfüllen.

Auch in der Pandemie haben wir zahlreiche Initiativen ergriffen, um Familien mit Kindern gezielt zu unterstützen. Wir haben den Zugang zum Kinderzuschlag stark vereinfacht. Analog zum erhöhten Kindergeld wird ein Kinderbonus in Höhe von 300 Euro pro Kind gezahlt. Alleinerziehende werden steuerlich entlastet. Wir haben die Dauer der Entschädigungszahlung für Eltern verlängert und Anpassungen beim Elterngeld vorgenommen. In den Jahren 2020/21 stellen wir 1 Milliarde Euro zusätzlich für den Kitaausbau zu Verfügung usw. Die Liste ließe sich noch beliebig verlängern.

Meine Damen und Herren, so sieht krisenfeste, zukunftsweisende, aufbauende Familienpolitik aus. Wir schaffen den erforderlichen Rahmen, der auf die Bedürfnisse unserer modernen Gesellschaft zugeschnitten ist. Ich kann nur sagen: Auf die Union können sich die Familien verlassen. Sie können selber beurteilen, was es mit den Vorschlägen der AfD auf sich hat.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)