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Erwin Rüddel: "Wir haben gegenüber der Bevölkerung eine große Verantwortung"

Rede zum Impfbeginn in Deutschland und in Europa

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der langersehnte Impfstoff ist da. Ich habe das Gefühl, wir diskutieren Probleme und haben verlernt, uns über diese gute Perspektive zu freuen. Wenn man im Spätsommer/frühen Herbst als Optimist gesagt hat: „Ich glaube, wir werden dieses Jahr noch impfen“, dann hat man ungläubige Blicke geerntet. Und wenn man dann gefragt hat: „Was glauben Sie denn, mit welchem Impfstoff?“, dann wurde als Erstes hier bei uns CureVac genannt und nicht BioNTech. Das zeigt, dass es Entwicklungen gab und wir Entscheidungen treffen mussten zu einem Zeitpunkt, wo noch viel Ungewissheit war. Ich bin froh, dass wir Entscheidungen hier getroffen haben und Entscheidungen getroffen wurden, die auf Risikostreuung gesetzt haben. Das war der richtige Weg.

Und aller Anfang ist schwer: Sie können nicht einfach einen Schalter umlegen und dann haben Sie morgen mehr Impfstoff.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Im November!)

Wir haben gegenüber der Bevölkerung eine große Verantwortung im Hinblick auf das Thema Sicherheit, Qualität, Vertrauen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass man hier keine Verkürzungen macht. Die Produktionsprozesse sind sehr, sehr kompliziert. Der Impfstoff muss im Rahmen des Produktionsprozesses mindestens zweimal geprüft sein, bevor er dann der Bevölkerung zur Verfügung gestellt wird. Wenn hier der Eindruck erweckt wird, als wenn man dem Produzenten nur sagen müsste: „Ich hätte gern mehr“, und dann bekommt man mehr, dann muss ich sagen: Das ist nicht möglich, zumindest nicht in der Qualität, die wir hier für unsere Bürger in Deutschland erwarten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich denke, wir sollten stolz sein auf die Leistung der Wissenschaft und uns freuen über die Entwicklungen, über diesen besonders schönen Prozess.

Tatsächlich können die Länder den Impfstoff, den wir ihnen liefern, derzeit nicht verimpfen. Der Job des Gesundheitsministers ist, Impfstoff zu liefern. Der wird geliefert. Das, was geliefert ist, wird aber nicht in allen Ländern in der Dynamik verimpft, wie sie sein könnte. Ich will das gar nicht kritisieren, ich will damit nur deutlich machen, dass jeder sein Päckchen zu tragen hat und dass wir die Leistungen und Erfolge nur gemeinsam einfahren werden, Bund und alle Länder zusammen.

Wir haben auf Europa gesetzt. Das halte ich für den richtigen Weg. Das ist nicht sentimental, das ist ein Gebot der Vernunft; denn Deutschland ist allein nicht in der Lage, die Pandemie zu bekämpfen. Deutschland hat eine andere Lage als Großbritannien oder die USA: Wir haben sehr viele Nachbarn. Wir können hier nicht isoliert handeln, sondern wir müssen gemeinsam mit den Nachbarn diese Pandemie bekämpfen. Grenzüberschreitend müssen wir wieder zur Normalität kommen.

Sorge macht mir die Impfbereitschaft, auch bei den Pflegekräften. Aber eine Impfpflicht ist der falsche Weg. Wir müssen die Menschen überzeugen, aufklären, dass der beste Gesundheitsschutz ein Impfschutz ist, und deutlich machen, dass hier bei der Zulassung der Impfstoffe alle Kriterien berücksichtigt worden sind. Impfstoffe in Deutschland sind sicher. Wir haben, was Wissenschaft, Sicherheit und Qualität angeht, keine Abstriche gemacht – wir haben Verwaltungsprozesse dynamisiert.

Impfen ist der Hoffnungsanker im Jahr 2021; es ist der Weg, um die Todeszahlen zu senken, die Infektionen einzudämmen, Überlastungen im Gesundheitssystem zu bremsen, die Schließung von Kitas, Schulen, Geschäften, Fitnesseinrichtungen oder Restaurants zu beenden und die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Wenn im Februar die Menschen in den Heimen größtenteils ihre Impfchance erhalten haben, werden sich die Einschränkungen unseres Zusammenlebens sicherlich wieder reduzieren.

Gestatten Sie mir zum Schluss noch eine Bemerkung zur Arbeit im Gesundheitsausschuss, der sich in den vergangenen Monaten als ein zentrales Gremium bei der Bewältigung der Pandemie bewährt hat. Der zuständige Minister hat sich in dieser Zeit als ebenso kompetenter wie souveräner und selbstkritischer Ressortchef erwiesen. Jens Spahn war bei allen regulären Sitzungen wie den zahlreichen Sondersitzungen des Ausschusses präsent,

(Beifall der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])

ist keiner Diskussion ausgewichen und hat immer zur Verfügung gestanden, bis auch die letzte Frage beantwortet war. Einen besseren Austausch zwischen Parlament und Regierung kann ich mir nicht vorstellen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das hat fraktionsübergreifend zu konzentrierter, guter und sachbezogener Arbeit beigetragen in einer Zeit, die den Ausschuss herausgefordert hat wie vielleicht niemals zuvor. An dieser Stelle möchte ich auch allen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für Gesundheit einen ganz herzlichen Dank für das großartige Miteinander bei der Bekämpfung der Pandemie aussprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Janosch Dahmen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])