Skip to main content

Bettina Margarethe Wiesmann: Eine Abschaffung jeglicher valider Bestätigung lehnen wir ab

Redebeitrag zum Transsexuellengesetz

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drei Initiativen aus der Opposition wollen die Lage transsexueller und intersexueller Menschen verbessern. Und das ist gut, das wollen wir auch. Das ist notwendig und auch überfällig.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beatrix von Storch [AfD]: Überflüssig!)

– Nein: überfällig.

Es ist nicht leicht, als Nichtbetroffener den gesamten identitätsbildenden Prozess eines transidenten Menschen nachzuvollziehen.

(Enrico Komning [AfD]: Probieren Sie es doch aus! – Marianne Schieder [SPD]: Dummer Zwischenruf, Herr Kollege)

Das ist etwas anderes als die Pubertät eines Menschen ohne Dysphorie oder Inkongruenz. Es ist eine Entwicklung, die sehr tief in das Bewusstsein und die Körperlichkeit eines Menschen eingreift,

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE], an die AfD gewandt: Einfach mal zuhören!)

die die Familie betrifft, auch Freunde und das soziale Umfeld. Hier geht es nicht um Launen oder um Schilderwechsel nach Opportunität.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es geht um die Neuorientierung, das Zu-sich-selbst-Kommen eines Menschen, den es bereits gibt.

(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Prozess muss begleitet werden von entsprechend ausgebildeten Personen, die mit Kenntnis über psychische und somatische Vorgänge den Transpersonen dabei helfen, Entscheidungen im vollen Ernst zu treffen, auch im Bewusstsein von Schwierigkeiten und davon, wie sie überwunden werden können. Denn diese Entscheidungen sollen ihr künftiges Leben deutlich verändern, und zwar zum Besseren.

Meine Damen und Herren, das Transsexuellenrecht bzw. das, was davon übrig ist, muss so reformiert werden, dass es den Bedürfnissen transidenter Menschen und unserer Gesellschaft entspricht. Die Familienpolitiker der Unionsfraktion haben sich dazu mit Fachleuten wie Betroffenen ausgetauscht. Ich komme als Berichterstatterin – nur mitberatend natürlich – zu dem Ergebnis, dass der erreichte Stand der Überlegungen der beiden federführenden Häuser der Bundesregierung noch nicht gut genug ist; denn er baut wieder diskriminierende Hürden auf durch Einschaltung eines Gerichts, durch eine gutachtenähnliche Bescheinigung, ja vielleicht durch Befragung der Ehepartner. Nach meiner Überzeugung reicht eine einfache Bestätigung der Transition der betreffenden Person durch den behandelnden Arzt oder Therapeuten völlig aus, um beim Standesamt eine glaubwürdige Erklärung über das gewünschte Geschlecht und den gewünschten Namen abzugeben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Wichtig allerdings ist, dass es eine gute fachkundige Begleitung gibt. Deshalb reicht die alleinige Selbsterklärung eben nicht aus. Dies entspricht übrigens der Resolution 2048, die die Parlamentarische Versammlung des Europarats 2015 verabschiedet hat. Alle vier deutschen Abgeordneten haben den Beschluss mitgetragen. Die Resolution fordert ein schnelles, transparentes und leicht zugängliches, aber nicht leichtfertiges Verfahren für die Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit eines Menschen. Und genau das halte ich für richtig. Eine Abschaffung jeglicher valider Bestätigung allerdings, die Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und der FDP, in Ihren Gesetzentwürfen anstreben, lehnen wir ab und ich auch. So wie transidente Personen Akzeptanz und Hilfe erwarten können, so darf die Gesellschaft eine bewusste und nach menschlichem Ermessen verbindliche Erklärung erwarten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Bescheinigung einer fachkundigen Begleitung würde dem meines Erachtens Genüge tun.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch einen eigenartigen Widerspruch im Gesetzentwurf der Grünen ansprechen. Sie fordern zu Recht – da sind wir uns ja alle einig –, dass geschlechtsverändernde Operationen an Kindern unter 14 Jahren von den Eltern nicht gestattet werden dürfen. Vielleicht sollten dann aber auch transidente Eltern den Geburtseintrag ihres Kindes nicht einfach ändern dürfen, wie Sie es vorschlagen. Vielleicht sollte das Kind dabei auch eine Rolle haben.

Ich schließe mit der Hoffnung und dem Appell, dass die Bundesregierung bald einen überarbeiteten Gesetzentwurf vorlegt, der das Leiden und die Unsicherheit vieler Transmenschen und auch die geschlechtsverändernden Operationen an Kindern beendet, wie die Koalition es sich vorgenommen hat.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)