Dr. Volker Ullrich: "Die Unschuldsvermutung ist ein grundlegendes rechtsstaatliches Prinzip"
Aktuelle Stunde | Vertrauensverlust von demokratischen Institutionen entgegentreten
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Staat gründet sich auf die Prinzipien von Demokratie, Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit und Würde. Für ein funktionierendes Gemeinwesen genügt dies allein nicht. Wichtig sind ebenso Vertrauen in die Institutionen und Integrität der politisch Verantwortlichen. Wie entscheidend das ist, zeigt auch ein Blick auf die Rezepte populistischer und extremer Parteien, wie gerade gehört. Deren Ziel ist ein anderer Staat, und das Mittel dazu ist die Diskreditierung von Institutionen und deren Repräsentanten. Eine Rhetorik des mangelnden Respekts und der Verachtung und der Lüge anderen gegenüber ist ihr Rezept, und es ist Aufgabe politischer Kräfte, dies zu erkennen und zurückzuweisen.
Zur Stärkung des Vertrauens ist ebenso wichtig, Interessenvertretung präzise zu regeln. In einer pluralen Demokratie ist der Kontakt zu verschiedenen Gruppierungen notwendig. Die Abwägung und Anhörung gehört zur parlamentarischen Aufgabe. Klar ist aber auch: Es darf zu keinem Zeitpunkt der Eindruck entstehen, der mit dem größeren Geldbeutel setzte sich eher durch. Deswegen ist das jetzt geplante Gesetz zum Lobbyregister der richtige Weg.
Eine Anmerkung aber auch zu den Vorkommnissen der jüngsten Zeit: Die Unschuldsvermutung im Ermittlungsverfahren ist ein grundlegendes rechtsstaatliches Prinzip. Soweit die Fälle aber auch eine politische Dimension haben, können und müssen wir von den Betroffenen Erklärung und Aufklärung erwarten.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, von der Fraktion der Union!)
„Nein, es ist kein Geld geflossen“, das wäre die erhoffte und akzeptable Antwort gewesen. Wenn es angezeigt ist, müssen auch Konsequenzen gezogen werden.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dröhnendes Schweigen ist die Antwort!)
Nach unserem Grundgesetz ist ein Abgeordneter nur seinem Gewissen unterworfen und an Weisungen und Aufträge nicht gebunden.
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Die Verhaltenspflichten gelten trotzdem! Wo sind wir denn hier? Stellen Sie sich doch nicht dümmer, als Sie sind!)
Die Unabhängigkeit des Mandats schließt die Möglichkeit von Nebentätigkeiten nicht aus. Gleichwohl sollten wir Abgeordneten sorgsam, verantwortungsvoll, moralisch einwandfrei und unter Beachtung der geltenden Regeln mit Nebentätigkeiten umgehen.
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Dazu gehören auch die Verhaltenspflichten! – Gegenruf des Abg. Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Das bezweifelt doch gar keiner!)
Ich füge hinzu: Die große Mehrheit dieses Hauses tut das.
Das bedeutet aber auch: Aus einer mandatsbezogenen Tätigkeit für das Gemeinwohl darf zu keinem Zeitpunkt ein eigenwirtschaftliches Interesse oder eine persönliche Bereicherung werden. Um es präzise zu sagen: In einer Pandemie kann man Masken vermitteln – man darf niemals daran verdienen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ein solches Verhalten beschädigt Vertrauen und Ansehen.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Löbel hat erklärt, das sei marktfähig! Ich habe von Laschet noch nichts gehört!)
Es muss aber auch zum Ausdruck kommen: Die große Mehrheit der Abgeordneten des Bundestages arbeitet im Bundestag und im Wahlkreis mit großem Einsatz für die Sache und das Gemeinwohl.
Das Fehlverhalten Einzelner darf und wird daher auch nicht zum Vertrauensverlust aller führen. Im Interesse unserer parlamentarischen Demokratie müssen wir einerseits aufklären, das deutlich benennen, aber uns auch davor hüten, zu verallgemeinern. Wir brauchen deswegen eine Debatte, inwieweit wir Abgeordneten die Transparenz noch weiter verbessern können. Dazu gehört, sich über die Regeln im Hinblick auf Veröffentlichungspflichten weiter Gedanken zu machen. Die Interessen von wirtschaftlich zurechenbaren Unternehmen sowie Erträge aus Nebentätigkeiten können noch präziser und transparenter aufgezeigt werden. Im Europarat und im Europäischen Parlament ist das mittlerweile gang und gäbe.
(Frank Schwabe [SPD]: Als Konsequenz des Fehlverhaltens von Abgeordneten?)
Wir sollten uns überlegen, inwieweit das auch Vorbild für unsere Handlungen sein könnte.
(Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Gedanken kann man sich machen!)
Was muss nach dieser Debatte bleiben? Es muss klar und deutlich werden, dass wir alle aufgerufen sind, dem Vertrauensverlust entgegenzuwirken und deutlich zu machen, dass die Vermischung von Tätigkeiten als Abgeordnete und eigenwirtschaftlichen Interessen nicht geht, dass wir für Vertrauen arbeiten. Von uns muss insgesamt das Signal ausgehen: Dieser Bundestag arbeitet für das Gemeinwohl und sorgt dafür, dass wir in der schwierigsten Zeit unseres Landes unserer Aufgabe weiterhin gerecht werden.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)