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Dr. Roy Kühne: "Pflege muss bezahlbar bleiben"

Solidarische Pflegevollversicherung umsetzen

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ferschl, wenn ich Sie so höre, dann habe ich das Gefühl, wir leben in einem Staat, wo nichts, aber auch gar nichts im Bereich Pflege funktioniert, wo Menschen in den Pflegeeinrichtungen de facto verdursten, verhungern.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das hat doch keiner gesagt! Hallo? Zugehört?)

All das Positive, das wir in den letzten Jahren auf den Weg gebracht haben – Erneuerung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs, der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe –, hat dazu beigetragen, etwas Gutes nach vorne zu bringen. Ich bin es auch, ehrlich gesagt, manchmal leid, immer diese Leier zu hören: Nichts funktioniert, nichts geht voran.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das hat sie nicht gesagt!)

Das klingt so desaströs.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ganz ehrlich: Wie wollen Sie denn den Menschen in Deutschland Mut machen, wenn wir gute Sachen immer nur schlechtreden?

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU], an DIE LINKE gewandt: Miesmacher!)

Es ist manchmal nicht mehr auszuhalten; das sage ich ganz ehrlich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und: Ja, wir reden darüber. Es sagt doch niemand, dass wir keinen Verbesserungsbedarf haben. Gott, das ist menschlich!

(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

– Lassen Sie mich doch ausreden. Sie haben sich doch gerade warm geklatscht. Bleiben Sie doch mal locker.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Der Punkt ist doch: Wir müssen überlegen – dafür bin ich der Koalition und auch allen anderen Parteien, die ernsthaft mitdiskutieren, dankbar –: „Wie kommen wir bei der Pflege voran?“, statt immer nur zu sagen: Alles ist schlecht, nichts funktioniert.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das hat sie nicht gesagt! Wiederholen sie das nicht immer!)

Das macht die Menschen unsicher. Und bitte, beteiligen Sie sich konstruktiv, mit guten Vorschlägen. Sie sagen: Wir machen eine solidarische Versicherung nach dem Motto „Piep, piep, piep, wir haben uns alle lieb“. – Zum Schluss weiß keiner, wer die Party bezahlen soll. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie bauen einen Popanz auf und schießen ihn dann ab! Das ist unseriös!)

Sie sprachen die pflegenden Angehörigen an; dafür bin ich Ihnen auch dankbar. Diesen 4 Millionen Menschen – der größte Pflegedienst –, die durchgängig viel leisten, müssen wir den Rücken stärken. Da bin ich voll bei Ihnen. Ich glaube auch, keiner in diesem Hohen Haus würde mit Ihnen darüber diskutieren wollen. Ja, wir tun da was. Wir haben verschiedenste Aspekte, die wir in diesem Bereich angehen; ich komme gleich noch im Einzelnen darauf zu sprechen. Zwei Minuten sind echt zu wenig, um das Ganze noch nach vorne zu bringen. Ich schiebe Ihnen das gern mal schriftlich rüber, oder wir beide diskutieren mal bei einem Kaffee; das können wir gern mal machen.

Fakt ist jedenfalls, dass die Koalition derzeit darüber diskutiert – dafür bin ich allen Diskussionspartnern sehr dankbar –: Wie können wir die gesamtgesellschaftlich akzeptierte Finanzlösung wirklich nach vorne bringen? Dazu gehört die Berücksichtigung der Interessen von Beitrags- und Steuerzahlern, aber natürlich auch die Begrenzung der finanziellen Aspekte in der Pflege.

Ja, ich bin da auch ganz Ihrer Meinung – der Minister hat es in seinem Eckpunktepapier Gott sei Dank auch angeschoben –: Pflege muss bezahlbar bleiben. Menschen brauchen Transparenz, und sie brauchen natürlich das Wissen: Was kostet mich meine Pflege von heute und morgen? – Keine Bange, meine Mutter ist 83 Jahre alt. Mit ihr diskutiere ich solche Fragen, weil sie sich aufgrund ihres Alters natürlich danach erkundigt: Was kostet der Heimplatz, und wie geht das da weiter?

Wir haben verschiedenste Punkte aus dem Eckpunktepapier des Ministers durchdiskutiert. Ich bin der Koalition, aber auch allen anderen – das Papier hat ja, wie immer, Füße bekommen – sehr dankbar für die Diskussionen, die wir darüber führen. Die 700 Euro Eigenbeteiligung stehen im Raum. Wir haben gesagt, das ist der Grundbetrag; man kann darüber nachdenken, ob 700 Euro als Summe die Lösung sind oder ob wir prozentual vorgehen. Darauf muss natürlich geachtet werden.

Frau Kollegin, ein häufiger Kritikpunkt ist die nicht vorhandene Flexibilität. Wir gehen jetzt in die Richtung. Wir haben zum Beispiel die Ansprüche auf Kurzzeit- und Verhinderungspflege zusammengelegt. Damit wären jährlich 3 300 Euro als Entlastungsbudget vorhanden, das pflegende Angehörige als Wertschätzung erhalten und flexibel nutzen können. Hier sind also Möglichkeit und Reaktion vorhanden.

Ein für mich wichtiger Baustein – das sage ich ganz offen –, die geriatrische Rehabilitation, wird nach vorn gebracht. Warum? Dort werden in Gruppen multimobile Prozesse betrachtet. Die Menschen haben dort Erfolge. Sie leben, sie arbeiten, und sie werden in einer Gruppe therapiert. Das heißt ganz klar: Sie erhalten mehr Teilhabemöglichkeiten und mehr Lebensqualität.

Mir bleiben noch elf Sekunden, um darauf hinzuweisen, dass Pflegekräfte – ich glaube, da sind wir uns alle einig – natürlich gut entlohnt werden müssen. Da – das sage ich ganz offen – lohnt es sich, ab und zu mal hinter die berühmten Kulissen zu gucken, um zu sehen: Wie werden denn die sogenannten Tarifverhandlungen, wie werden Pflegesatzverhandlungen durchgeführt? Was passiert im ambulanten bzw. im stationären Bereich? – Vielleicht brauchen wir auch neue Formen der Versorgung. Vielleicht müssen wir darüber nachdenken, ob die Trennung zwischen ambulant und stationär überhaupt noch zeitgemäß ist.

Ich bin dankbar für jeden Vorschlag und freue mich auf weitere Diskussionen. Ich freue mich auch, mich mit Ihnen mal auf einen Kaffee zu treffen; dann diskutieren wir mal über eine solidarische Pflegeversicherung – was immer dies auch bedeutet.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)