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Dr. Anja Weisgerber: Wir müssen dem Klimawandel entgegenwirken, weltweit

Redebeitrag zu Klimaschutz-Politik

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nach dieser Rede muss ich erst mal wieder die Fakten sprechen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD und der Abg. Dr. Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Antrag der AfD veranlasst mich zu der Frage: Laufen Sie eigentlich mit offenen Augen durch die Welt?

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

Schauen Sie sich eigentlich die Fakten an?

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

Die Auswirkungen des Klimawandels sind schon heute massiv spürbar: Waldbrände in den USA, Australien und Sibirien, Dürresommer in Deutschland in den letzten Jahren, Extremwetterereignisse in der ganzen Welt. Der Klimawandel findet statt. Das leugnet die AfD ja nicht mal. Sie sind nur der Meinung: Der Mensch hat überhaupt keinen Einfluss auf diesen Klimawandel. – Teilweise sagen Mitglieder Ihrer Fraktion auch: Er hat ein bisschen Einfluss auf den Klimawandel, aber keinen signifikanten. – Entscheiden Sie sich doch mal, was Sache ist. Sie sind die einzige Fraktion in diesem Deutschen Bundestag, die behauptet, dass der Klimawandel nicht menschengemacht ist. Ich frage mich, wer die Fakten kennt und seine Argumentation auf diese Fakten gründet. Sie sicher nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zu den Fakten. Wetter ist nicht gleich Klima; ja, das stimmt. Aber Folgendes muss doch auch Sie aufhorchen lassen: Die Eiszeit dauerte 5 000 Jahre. Alle 1 000 Jahre erwärmte sich das Klima um 1 Grad – alle 1 000 Jahre! Heute findet dieser Temperaturanstieg schon binnen 100 Jahren statt. Und etwa zwei Drittel der Erderwärmung fallen auf die Jahre nach 1979. Dies zeigt: Der Klimawandel ist auch menschengemacht; das ist Fakt. Denken Sie bei Ihrer Argumentation eigentlich auch an Ihre Kinder, an die nachfolgenden Generationen?

(Karsten Hilse [AfD]: Genau an die denke ich!)

Ich frage mich das. Anscheinend machen Sie das nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn wir die Erderwärmung nicht nur auf 2 Grad, sondern sogar auf 1,5 Grad begrenzen, steigt der Meeresspiegel um einen halben Meter an. Inselstaaten sind vom Untergang bedroht: die Marshallinseln, die Fidschiinseln, Kiribati, Tuvalu im Pazifischen Ozean. Wenn man hört, wie verzweifelt die Vertreter dieser Staaten bei den Klimakonferenzen im Plenum reden, dann merkt man, wie bedrohlich die Situation für diese Inselstaaten ist.

Der Klimawandel wird auch die Migration weiter erhöhen; auch das dürfte Sie interessieren. Wenn wir das 2-Grad-Ziel nicht erreichen, werden sich Millionen Menschen auf die Flucht begeben, haben wir Millionen Klimaflüchtlinge mehr, weil sich zum Beispiel in Afrika die Dürrezonen ausbreiten und noch stärkere Hitzeperioden entstehen. Dessen müssen auch Sie sich bewusst sein.

Ein Sechstel der Erdoberfläche sind Permafrostgebiete. Permafrostböden, zum Beispiel in Sibirien, Kanada oder Alaska, enthalten zwischen 1 300 und 1 600 Gigatonnen Kohlenstoff in Form von CO2 und Methan. Die ganze Erdatmosphäre enthält 800 Gigatonnen Kohlenstoff. Das ist die Hälfte dessen, was aus den Permafrostböden noch in die Atmosphäre gelangen kann. Also: Das Doppelte kann aus den Permafrostböden in die Atmosphäre gelangen. Das Abtauen dieser Permafrostböden kann zur Überschreitung des Kipppunktes im globalen Klimasystem führen. Ein Kipppunkt ist ein sensibler Punkt im Klimasystem, an dem jedes Kilogramm, sogar jedes Gramm CO2 das Fass zum Überlaufen bringen kann. Lassen Sie es nicht so weit kommen. Diese Rückkopplungseffekte müssen wir vermeiden.

Wir müssen dem Klimawandel entgegenwirken, weltweit. Deswegen ist der Ausstieg aus dem Klimaabkommen, den Sie hier jetzt als den richtigen Weg propagieren, genau der falsche Weg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Warum ist es der falsche Weg? Es wäre unlogisch; es wäre das falsche Signal. Denn das Pariser Klimaabkommen von 2015 war ein großer Erfolg. Ich war damals in Paris mit dabei, und wir waren alle stolz, dass sich fast 200 Staaten der Welt auf ein einheitliches Klimaabkommen mit Nationally Determined Contributions, NDCs, also mit nationalen verbindlichen Klimazielen, geeinigt haben. Jeder hat sich dazu verpflichtet, damals auch die USA unter Obama. Und ganz schnell haben die Staaten das auch ratifiziert. Dieses Klimaabkommen ist also auch noch innerhalb von wenigen Monaten in Kraft getreten. Das ist ein Riesenerfolg! Kyoto war kein Erfolg mehr; da waren nur noch 37 Staaten dabei.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung der Kollegin Dr. Nestle?

 

Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU):

Gerne.

 

Dr. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herzlichen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben jetzt lange darüber gesprochen, wie dringend es ist, etwas gegen die Klimakrise zu tun, und dass wir dringend internationale Abkommen brauchen. Aber dazu gehört auch, dass man selbst zu Hause liefert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau jetzt diskutieren wir ein anderes Gesetz, das das Kernstück der Energiewende ist, nämlich das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Sie selbst wissen genau, dass wir ohne den Zubau der Erneuerbaren in keinem Sektor Erfolg haben werden – weder bei der Wärme, noch im Verkehr, schon gar nicht beim Wasserstoff, den auch Ihre Partei immer so vehement fordert.

Deshalb frage ich Sie: Wie passt das zusammen, dass Sie hier eine glühende Rede für den Klimaschutz halten, aber im EEG überhaupt keinen Strom aus erneuerbaren Energiequellen für die Sektorkopplung, für Wasserstoff eingeplant haben? Warum gehen Sie davon aus, dass der Stromverbrauch zurückgeht und nicht für die anderen Sektoren zur Verfügung steht? Warum haben Sie einfach 3 Gigawatt Windstrom aus dem Gesetz gestrichen, die eigentlich nachgeholt werden müssten? Warum sorgen Sie nicht für den Zubau der erneuerbaren Energien, den wir bräuchten; denn sonst sind das alles nichts als leere Worte.

Bevor Sie jetzt wieder damit kommen, Baden-Württemberg habe auch nicht zugebaut: Bis 2017 lief der Zubau in Baden-Württemberg sehr gut – bis die Bundesgesetze verhindert haben, dass der Zubau weitergehen konnte, weil es keine Zuschläge mehr gab.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Dr. Weisgerber.

 

Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU):

Erst einmal möchte ich aus Überzeugung sagen, dass wir liefern. Wir haben ein Klimakonzept vorgelegt, dass es so in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben hat, übrigens auch nicht unter Rot-Grün, mit drei Elementen: der Bepreisung, über 70 Maßnahmen, um auf Klimainnovationen zu setzen, und einem Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Klimazielen, die auch Sie gefordert haben.

Ja, wir diskutieren gerade das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Auch im Erneuerbare-Energien-Gesetz sind bezüglich des Klimaschutzes zum Beispiel bei den Ausbauzielen viele Fortschritte enthalten. Zum Beispiel ist das Thema EEG-Umlage-Befreiung für Grünen Wasserstoff in diesem Gesetz enthalten. Wir haben Hürden abgebaut, was zum Beispiel die Nutzung von Photovoltaikanlagen angeht. Hier soll beim Eigenverbrauch die 10-kWp-Grenze auf 20 kWp angehoben werden.

Wir kämpfen jetzt im Gesetzgebungsverfahren dafür, dass wir den Ausbau der erneuerbaren Energie noch weiter anreizen, bürokratische Hürden abbauen und die Bürger stärker einbeziehen. Deswegen ist es richtig, dass wir im Windbereich die Akzeptanz der Menschen erhöhen, indem wir die Standortkommunen beteiligen. Auch dazu sind Elemente im Gesetzentwurf enthalten.

Außerdem muss ich Ihnen sagen: Ich bin da ganz entspannt. Wir sind jetzt im Gesetzgebungsverfahren. Wir werden dieses Gesetz noch entscheidend verbessern. Wir haben in der nächsten Sitzungswoche die Anhörung im Ausschuss. Wir bringen uns auch im Kreis der Klimapolitiker sehr konstruktiv in diese Diskussion ein. Sie können sicher sein, dass wir am Ende auch ein gutes EEG haben werden.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Gut, danke schön. – Dann geht es weiter in Ihrer Rede.

 

Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU):

Wir brauchen alle Staaten der Welt. Mit dem Pariser Klimaabkommen ist auch die Trennung zwischen den Industrienationen und den Entwicklungs- und Schwellenländern aufgehoben worden. Wir werden unsere Klimaziele nicht erreichen, wenn die Entwicklungs- und Schwellenländer ihre Wirtschaft nicht von Anfang an klimafreundlich aufbauen. Wir brauchen die Klimaabkommen auch deswegen, damit diese Staaten mitgenommen werden und damit wir, wenn wir in diesen Staaten investieren, dies auf unsere Klimaziele angerechnet bekommen.

Denn bei einem haben Sie recht: Allein in Deutschland können wir dem Klimawandel nicht begegnen. Wir brauchen alle Staaten der Welt. Deswegen brauchen wir auch internationale Abkommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)