Skip to main content
Dr. André Berghegger

Dr. André Berghegger: Der Haushalt ist in Zahlen gegossene Politik

Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2021 (Haushaltsgesetz 2021)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat vor Kurzem das Wort des Jahres 2020 ausgewählt. Welches war es, lieber Ingo?

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Coronapandemie!)

Coronapandemie. Und welches war das zweitplatzierte Wort? Weiß das auch einer?

(Sonja Amalie Steffen [SPD]: Das war Babyelefant!)

Es ist wie mit der Mondlandung, da kennt man den zweiten auch nicht. – Lockdown war das zweitplatzierte Wort. Was zeigt uns das, liebe Kolleginnen und Kollegen? Ich denke, das zeigt, dass uns die Pandemie in diesem Jahr fest im Griff hat, in allen gesellschaftlichen Bereichen. Das wirkt sich natürlich auf den Haushalt aus. Der Haushalt ist in Zahlen gegossene Politik. Deswegen ist der Haushalt 2021 der zweite Haushalt in Folge, der maßgeblich unter dem Einfluss dieser Pandemie steht.

Was wollen wir mit diesem Haushalt erreichen? Wir wollen erstens natürlich die Gesundheit der Bevölkerung schützen, zweitens die Wirtschaft stabilisieren und drittens den Zusammenhalt in der Gesellschaft verbessern. Wir stemmen uns mit gesamter Kraft gegen diese Pandemie, und das ist ein schwerer Weg; aber wir werden ihn weitergehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das parlamentarische Verfahren haben wir dazu genutzt, nachzujustieren, und zwar in großem Umfang. Wir haben die Wirtschaftshilfen für Unternehmen, für Freiberufler, für Selbstständige, für in der Kultur Tätige fortgeschrieben, umgesetzt, und wir haben natürlich weitere Ausgaben im Gesundheitsbereich festgesetzt. Das alles führte dazu, dass wir nach dem Haushalt in diesem Jahr mit einem Umfang von gut 500 Milliarden Euro – inklusive der zwei Nachträge – im nächsten Jahr wieder ein Haushaltsvolumen von knapp 500 Milliarden Euro erreichen. Das sind Rekordwerte.

Aber diese Rekordwerte haben natürlich auch Schattenseiten; denn sowohl in diesem Jahr als auch im nächsten Jahr werden wir die Nettokreditaufnahme erhöhen müssen: auf 218 Milliarden Euro in diesem Jahr und auf 180 Milliarden Euro im nächsten Jahr. Das sind auch Rekordwerte. An dieser Stelle sei noch mal darauf hingewiesen: Wir finanzieren unseren Haushalt in diesem und im nächsten Jahr zu 40 Prozent aus Schulden.

Die FDP – ich glaube, es war Christian Dürr; ich sehe ihn gerade – hat, glaube ich, am Dienstag gesagt, das sei das süße Gift der Schulden. Aber Christian: Gemach, gemach!

(Christian Dürr [FDP]: Das hat Herr Brinkhaus gesagt!)

– Du auch!

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Denn natürlich hat die Regierung einen Beurteilungsspielraum bei der Erstellung des Entwurfes eines Haushaltes. Und wir als Parlament haben natürlich auch einen Beurteilungsspielraum, wie wir einen Haushalt aufstellen und wie wir am Ende das Haushaltsgesetz beschließen.

(Otto Fricke [FDP]: Nein! Die Regierung hat höchstens einen Ermessensspielraum! Sie müssen sich an die Gesetze halten!)

Wir wollen damit ein deutliches Signal an alle nach außen senden, dass der Staat alles versucht, was finanziell machbar ist, um zu helfen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und wie finanzieren wir das?

Wir können es erstens finanzieren, weil wir in guten Zeiten vorgesorgt haben. Die Politik der schwarzen Null hat uns finanzielle Spielräume erarbeitet. Wolfgang Schäuble hat sie vor Jahren eingeführt. Auch wenn es nicht jeder sagen mag, glaube ich aber, die allermeisten in diesem Raum, in diesem Hohen Haus freuen sich darüber, dass wir diese Spielräume hatten.

Zweitens. Wir müssen natürlich im kommenden Jahr erneut die Schuldenbremse nach Artikel 115 Grundgesetz aussetzen – nach dem vorgesehenen Verfahren bei einer außergewöhnlichen Notsituation. Da wundert es mich schon – nein, eigentlich wundert es mich nicht –, dass die Linken die Schuldenbremse aussetzen wollen oder dass die Grünen, wie sie formuliert haben, die Schuldenbremse reformieren wollen. Beide wollen auf jeden Fall die bestehende Regelung nicht einhalten.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht! – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt so nicht, André!)

Ich finde, gleich bei der ersten Bewährungsprobe, vor der wir jetzt stehen, Änderungen zu diskutieren, zeugt nicht gerade von einem klaren Kompass, sondern eher von einer Schönwetterdenkweise.

Wir wollen die Aussetzungsmöglichkeit der Schuldenbremse gerade für schwierige Bewährungsproben nutzen; wir wenden sie jetzt an. Sie ist dafür konzipiert und nicht für Boomphasen der Wirtschaft. Wir stehen zu der Regelung im Grundgesetz, und wir wollen schnell zur Schuldenbremse zurück, so schnell wie möglich.

(Otto Fricke [FDP]: 2022?)

Das ist nachhaltige und gerechte Finanzpolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die aktuelle Finanz- und Haushaltspolitik wirkt. Das bestätigt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung.

(Peter Boehringer [AfD]: Ach! – Otto Fricke [FDP]: Ach! Das sind jetzt auf einmal eure Freunde?)

Die Hilfen für Kommunen, die Zuschüsse für Familien und die geringere Mehrwertsteuer in diesem Jahr heben die Wirtschaftsleistung in diesem und im nächsten Jahr an; sie liegt um 1,3 bzw. 1,5 Prozentpunkte höher im Vergleich zu dem Fall, dass es diese Hilfen nicht gegeben hätte. Ich denke, das ist ein beachtlicher Wert.

Aber diese expansive Finanzpolitik kann nur eine Ausnahme sein. In der Zusammenschau von Artikel 115 und Artikel 109 Grundgesetz wird deutlich, dass die Pandemie der Grund, aber auch die Grenze für die Aussetzung der Schuldenbremse ist. Und sobald wir die Coronapandemie im Griff haben, wird sich die Bewertung verändern müssen. Unsere Aufgabe ist es, dauerhaft nach einem Weg zu suchen, wie wir mit dem Einkommen auch auskommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Linke fordert hier den Klassiker. Sie diskutieren wieder Vermögensteuer und Vermögensabgabe.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Gute Idee! – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Höchste Zeit!)

In dieser Woche wurde auch deutlich, dass Sie sich noch nicht mal einig sind.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was?)

Wenn Sie überhaupt differenzieren, dann verschweigen Sie wesentliche Punkte. Es gibt nämlich bei diesen beiden Instituten gravierende rechtliche Hindernisse.

Punkt eins: die Vermögensteuer. Sie wurde Mitte der 90er-Jahre eingestellt, abgeschafft vom Bundesverfassungsgericht,

(Victor Perli [DIE LINKE]: Sie steht im Grundgesetz!)

und vor allen Dingen steht sie den Ländern zu.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Haben wir nie geleugnet!)

Punkt zwei: die Vermögensabgabe. Die einmalige Vermögensabgabe setzt eine existenzielle finanzielle Notlage des Staates voraus.

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Konrad Adenauer!)

Wenn Sie sich mit den historischen Beispielen beschäftigt hätten, bei denen sie angewendet worden ist, dann würden Sie feststellen, dass diese Voraussetzungen kaum vorliegen werden.

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das hat Konrad Adenauer gemacht! Das war kein Linker!)

Aus unserer Sicht müssen wir die Ausgaben priorisieren. Wir müssen den Menschen auch sagen, dass wir die umfassenden Hilfen, die wir derzeit mit großer Kraftanstrengung aufbringen, nicht unbefristet werden aufrechterhalten können. Wir müssen Prioritäten setzen und zukünftig Entscheidungen treffen. Und wir müssen vor allen Dingen mit den Ländern und Kommunen über eine gerechte Verteilung der finanziellen Lasten sprechen. Was meine ich damit? – Die Steuereinnahmen der Länder und Kommunen erreichen bereits 2021 das Vorkrisenniveau. Nehme ich die Zuweisungen des Bundes hinzu, erreichen die Länder und Kommunen bereits dieses Jahr das Vorkrisenniveau. Die Kreditfinanzierungsquote des Bundeshaushaltes in diesem und im nächsten Jahr liegt bei – ich habe es vorhin gesagt – ungefähr 40 Prozent, die der Länder bei ungefähr 10 Prozent.

Der Bund alleine zahlt die Soforthilfe, den Wirtschaftsstabilisierungsfonds, die Überbrückungshilfe I, die Überbrückungshilfe II, die Novemberhilfe, die Dezemberhilfe.

(Otto Fricke [FDP]: Und die Mehrwertsteuerabsenkung!)

Ich könnte diese Reihe fortsetzen. Der Bundesrechnungshof hat aktuell die Finanzhilfen des Bundes an die Länder und Kommunen – in den letzten Jahren und für die Zukunft geplante –, insbesondere mit den Investitionen in die Kohleregionen, noch einmal aufgelistet. Demnach geben wir weitere 44 Milliarden Euro an Länder und Kommunen. Irgendwo müssen wir auch auf unsere finanzielle Leistungsfähigkeit achten. Bei aller Wertschätzung der Arbeit in den Ländern und Kommunen – dort wird hervorragende Arbeit geleistet –: Wir müssen über eine faire Verteilung der finanziellen Lasten reden; denn nach dem Grundgesetz erfüllen Bund und Länder gemeinsam die Verpflichtung zur Wahrung der Haushaltsdisziplin.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das gilt nicht nur in der Coronapandemie, sondern natürlich grundsätzlich auch darüber hinaus.

Schließen möchte ich mit einem Vergleich, mit einer interessanten Haushaltsstelle aus dem Umweltministerium.

(Otto Fricke [FDP]: Da kenne ich auch eine!)

– Wir alle kennen mehrere Haushaltsstellen. – So wie der Herdenschutzesel die Schafe vor den Wölfen beschützen soll, so schützt die schwarze Null den Haushalt vor weiteren Schulden. – Da wollen wir wieder hin.

Vielen Dank fürs freundliche Zuhören. Ich bitte um Zustimmung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Bettina Stark-Watzinger [FDP])