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Christoph Bernstiel: Debatten zur Erinnerungskultur sollten weder ideologisch noch einseitig verkürzt geführt werden

Aktuelle Stunde - Demokratie und Erinnerungskultur in Deutschland angesichts rechtsextremistischer Angriffe

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Wer mit einem Brett vor dem Kopf durch das Leben geht, braucht sich nicht zu wundern, wenn er über Steine stolpert.

Die heutige Aktuelle Stunde trägt den Titel „Demokratie und Erinnerungskultur in Deutschland angesichts rechtsextremistischer Angriffe“. Auslöser für die Debatte waren jedoch die jüngsten Äußerungen des AfD-Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon, der kürzlich das Ende der äußerst erfolgreichen Stolperstein-Aktion forderte, da diese – Zitat – den Menschen eine „bestimmte Erinnerungskultur“ aufzwinge.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Mit seiner Meinung befindet er sich in seiner Partei offensichtlich in bester Gesellschaft;

(Jürgen Braun [AfD]: Nein!)

denn bereits im letzten Jahr forderte Björn Höcke – ich zitiere erneut – das Ende der lächerlichen Bewältigungspolitik. Das ist ein Zitat.

(Jürgen Braun [AfD]: Der Landesvorstand hat das verurteilt! Nehmen Sie das zur Kenntnis! – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Zu dieser Form der Bewältigungspolitik, werte Kollegin von der AfD, gehört offensichtlich auch die Gedenkstunde im Deutschen Bundestag zur Erinnerung an die Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz durch die Rote-Armee-Fraktion,

(Lachen und Beifall bei Abgeordneten der AfD)

durch die Rote Armee. – Hören Sie zu! Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion Hansjörg Müller äußerte sich an diesem Dienstag in einem „Spiegel“-Interview wie folgt – ich zitiere erneut –:

Ich habe mit dieser Art Gedenken ein Problem, weil es nicht aufrichtig ist, weil es aufgesetzt ist und weil es heuchlerisch ist.

Das hören wir aus Ihrer Fraktion.

Meine Damen und Herren, mit solchen Äußerungen zeigt die AfD, dass sie weder über ausreichend Erinnerung noch über genügend Kultur verfügt, um an einer ernsthaften Debatte über unsere Geschichte teilnehmen zu können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Man kann daher nur hoffen, dass diese Partei nach 2021 selbst ein Teil der Erinnerungskultur sein wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das könnte Ihnen so passen! Das kann ich mir vorstellen!)

Wir als CDU/CSU-Fraktion verurteilen jede Form von Geschichtsverklärung, von Verharmlosung des politischen Extremismus. Der Umgang mit den Verbrechen des Nationalsozialismus ist eine Verantwortung, die wir Parlamentarier gemeinsam tragen sollten. Ich kann daher nicht verstehen, warum sich ausgerechnet die Kolleginnen und Kollegen der Linken kürzlich bei der Abstimmung über die Einsetzung des Antisemitismusbeauftragten hier im Deutschen Bundestag enthalten haben.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das haben wir doch klar gesagt!)

Sie hätten hier die Chance gehabt, ein überparteiliches Signal gegen Antisemitismus zu setzen. Aber die haben Sie nicht genutzt. Mit Ihrem Abstimmungsverhalten haben Sie gezeigt, dass Ihnen innerparteiliches Klein-Klein offenbar wichtiger ist, als gegen Antisemitismus vorzugehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Apropos Linkspartei: Als ostdeutscher Abgeordneter denkt man beim Thema Erinnerungskultur zwangsläufig immer auch an 40 Jahre SED-Diktatur, an über 200 000 politische Häftlinge der DDR sowie an die unzähligen Toten an der innerdeutschen Grenze.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)

Wer über Demokratie und Erinnerungskultur in Deutschland spricht, der muss immer über zwei deutsche Diktaturen sprechen.

(Marian Wendt [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Eine Verkürzung auf den Rechtsextremismus wird dieser Debatte im Übrigen auch nicht gerecht; denn laut den jüngsten Zahlen des Bundesamtes für Verfassungsschutz gab es im letzten Jahr mehr linksextreme als rechtsextreme Gewalttaten.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD sowie des Abg. Marian Wendt [CDU/CSU] – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bitte? – Zuruf von der LINKEN: Es war genau umgekehrt! – Gegenruf des Abg. Marian Wendt [CDU/CSU]: Gewalttaten!)

– Gewalttaten. Lesen Sie es nach. – Es muss daher unser aller Ziel sein, gemeinsam gegen Hetze und jede Form von Extremismus zu kämpfen.

Die Bundesregierung unterstützt diesen Kampf mit zahlreichen Programmen wie „Vielfalt tut gut“, „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ oder die „Initiative Demokratie stärken“. Für uns als CDU/CSU-Fraktion ist klar, dass solche Programme nicht dazu missbraucht werden dürfen, um antidemokratische Gruppierungen zu finanzieren. Aus diesem Grund haben wir 2011 die sogenannte Extremismusklausel eingeführt. Damit mussten sich Personen und Organisationen zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen und zusichern, dass sie nicht mit antidemokratischen Kräften kooperieren – an sich eine Selbstverständlichkeit, aber offenbar nicht für Ex-Familienministerin Schwesig; denn aufgrund ihrer Initiative wurde diese Klausel 2014 wieder abgeschafft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)

Liebe Genossinnen und Genossen der SPD, ist die Unterstützung von Linksextremisten wirklich so unverzichtbar für Ihre politische Präventionsarbeit?

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Worum geht es hier eigentlich in der Debatte? – Gegenruf des Abg. Marian Wendt [CDU/CSU]: Um Extremismus!)

Ich wünsche mir, dass künftige Debatten zur deutschen Erinnerungskultur weder ideologisch noch einseitig verkürzt geführt werden;

(Beifall bei der AfD sowie des Abg. Marian Wendt [CDU/CSU])

denn nur so kann man Geschichte authentisch vermitteln und Extremismus den Nährboden entziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)