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Christian Freiherr von Stetten: Wir lehnen solch eine unsoziale Politik ab

Rede zur Vermögenssteuer

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Ernst, Sie haben viel erzählt, und das Wort „Vermögensteuer“ ist ganz zum Schluss noch vorgekommen. Aber den Antrag Ihrer Fraktion haben Sie nicht vorgestellt.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ich dachte, Sie können lesen!)

Ich weiß nicht, ob ich das übernehmen soll. Da aber dieser Antrag in jeder Legislaturperiode gestellt wird, kann ich zusammenfassend feststellen: Zu Beginn der neuen Legislaturperiode kommt wieder ein Enteignungsantrag der Linksfraktion auf den Tisch.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Auf uns ist Verlass!)

Wie würden Sie es sonst nennen, wenn Ihnen der Staat jährlich 5 Prozent des Privatvermögens entzieht, unabhängig von dem Einkommen, das Sie im Jahr verdienen?

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nur bei über 1 Million Euro!)

Für die Betroffenen ist das schon eine Art Enteignung. Wir geben zu: Sie haben einen Freibetrag vorgesehen. Aber für die Betroffenen bedeutet das, dass von ihrem Vermögen nach 20 Jahren nicht viel übrig bleibt, wenn der Staat von allem, was über den Freibetrag hinausgeht, jährlich 5 Prozent einzieht. Das ist für die Betroffenen eine schwierige Situation.

Mein Kollege Hans Michelbach wird später noch grundsätzlich auf den Antrag und das Thema eingehen. Ich möchte die Zeit daher nutzen, die praktischen Auswirkungen Ihres Antrags darzulegen. Ich nehme als Beispiel einen sehr erfolgreichen Personenunternehmer – das ist Ihr Lieblingsfeindbild – mit einem Betriebsvermögen von 55 Millionen Euro. Zugegeben, das ist ein großes Unternehmen. Aber solche Familienunternehmen tragen die Hauptlast und sind Garant für sichere Arbeitsplätze. Wenn es bei der betreffenden Firma gut läuft, erzielt sie im Jahr 4 Millionen Euro Gewinn. Da es sich um eine Personengesellschaft handelt, muss sie bei einem Steuersatz von 45 Prozent plus Solidaritätszuschlag round about 2 Millionen Euro Steuern zahlen. Es bleiben also 2 Millionen Euro übrig.

Jetzt kommen Sie mit der Vermögensteuer. Zieht man in diesem Beispiel den Freibetrag ab, dann muss der Unternehmer noch 5 Prozent von 50 Millionen Euro jährlich versteuern. Das bedeutet 2,5 Millionen Euro Vermögensteuer jedes Jahr. Er hat 4 Millionen Euro verdient. Er zahlt 2 Millionen Euro Einkommensteuer und 2,5 Millionen Euro Vermögensteuer. Das macht unterm Strich eine halbe Million Euro Verlust. Was glauben Sie, wie lange dieser Unternehmer in Deutschland noch tätig ist und wie viele Arbeitsplätze dadurch vernichtet werden? Da können wir wirklich nicht mitmachen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Ich nehme als Beispiel gern auch einmal einen kleinen Selbstständigen, der ein Hotel mit 40 Zimmern betreibt. Wenn man den Freibetrag von 1 Million Euro berücksichtigt, dann kann er gerade noch den Frühstücksraum und die Hotelbar retten. Von den 40 Zimmern nähme der Staat ihm jedes Jahr 5 Prozent; das entspricht zwei Zimmern pro Jahr. Nach 20 Jahren wären fast keine Zimmer mehr da. Zwar gäbe es noch die Hotelbar und den Frühstücksraum, aber das hilft diesem Unternehmer auch nicht mehr weiter, weil er keine Gäste mehr hat. Diese Politik lehnen wir grundsätzlich ab.

Auch wenn Sie es nicht hören wollen, möchte ich Ihnen ein kleines Beispiel dafür geben, welche totalen sozialen Verwerfungen am Wohnungsmarkt ausgelöst würden, wenn Ihr Antrag angenommen und ein entsprechender Gesetzentwurf verabschiedet würde.

Nehmen wir einen Wohnungseigentümer, der ein Haus und mehrere Eigentumswohnungen hat; dann müssen wir uns nicht über einen Freibetrag streiten. Wenn dieser Wohnungseigentümer eine Wohnung hat, die 200 000 Euro wert ist und er mit einem Mieter einen guten Mietvertrag ausgehandelt hat, durch den er 4 Prozent Mietrendite erzielt, dann zahlt der Mieter dem Wohnungseigentümer 8 000 Euro Miete im Jahr.

Wenn dieser Wohnungseigentümer durch diese Vermietung einen Gewinn von 8 000 Euro erzielt, dann bleiben ihm nach Abzug der Steuern vielleicht noch 5 000 Euro übrig. Wenn er von den 200 000 Euro, dem Verkehrswert des Wohnungsbestandes, noch 5 Prozent Steuern zahlen soll, dann zahlt diese Person im Jahr insgesamt 10 000 Euro Vermögensteuer. Er hat 5 000 Euro Mieteinnahmen und zahlt 10 000 Euro Vermögensteuer – jedes Jahr. Das bedeutet unterm Strich 5 000 Euro minus. Was glauben Sie, wie lange dieser Mensch noch Freude an seiner Wohnung hat?

Er wird vermutlich das Gleiche machen, was er schon bei der Grundsteuer zu machen versucht hat. Die Grundsteuer muss der Eigentümer zahlen, und er versucht, diese Belastungen auf die Mieter abzuwälzen. Wenn er hergeht und versucht, die Last von 10 000 Euro Vermögensteuer auf die Mieter abzuwälzen, dann erhebt er statt 8 000 Euro Miete im Jahr 18 000 Euro Miete. Das heißt, der Mieter zahlt statt monatlich 660 Euro Miete 1 500 Euro. Das entspricht einer Mieterhöhung von über 100 Prozent. Einen solchen Vorschlag und eine solch unsoziale Mietpolitik lehnen wir grundsätzlich ab.

Schauen wir einmal nach, wie es in den Bundesländern aussieht, in denen die Linkspartei Regierungsverantwortung trägt. In Thüringen stellen Sie den Ministerpräsidenten.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Guter Mann!)

Im Landtagswahlkampf hatte dieser gute Mann die Wiedereinführung der Vermögensteuer nicht nur gefordert, sondern auch angekündigt. Er sagte, wenn er Ministerpräsident werde, werde er über den Bundesrat ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren in Gang bringen. Als Rot-Rot-Grün den Koalitionsvertrag geschmiedet hat, war noch von einer Vermögensteuerinitiative im Bundesrat die Rede.

Schauen wir uns an, wie es vier Jahre später aussieht: Nichts ist passiert. Es gibt keinen Gesetzentwurf des Bundesrats zur Wiedereinführung der Vermögensteuer. Man kann sagen: Anscheinend ist man in der Regierungsverantwortung klüger geworden. – Dieser Erkenntnisgewinn fehlt der Linksfraktion noch. Jetzt haben wir vier Jahre Zeit, hier vielleicht nachzuhelfen. Wir lehnen auf jeden Fall eine solche unsoziale Politik für die Mieter, für die Familienunternehmen und für die Arbeitsplätze in Deutschland ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und der FDP)