
Carsten Müller: "Die Meinungsfreiheit ist ein geschütztes Gut"
Änderung des Telemediengesetzes
Mit dem eingebrachten Gesetzentwurf bekommen wir heute alten Wein der sogenannten Alternative in alten Schläuchen. Nachdem die Selbstinszenierung als Verfechter der Meinungsfreiheit im Kontext des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes regelmäßig als fehlgehender Versuche entlarvt wurde, müssen scheinbar nun das Telemediengesetz und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen für offenen Populismus herhalten.
Mein Vorschlag: Kippen Sie den alten Wein einfach weg, besorgen sich frisches Wasser für klare Gedanken und durchdenken Sie das gesamte Thema noch einmal von Grund auf. Gern helfe ich Ihnen dabei auf die Sprünge und stelle noch einmal die wesentlichen Grundbegriffe vor.
Die Meinungsfreiheit ist in unserem Land ein geschütztes Gut und gilt uneingeschränkt. Die Meinungsfreiheit ist Voraussetzung einer offenen und demokratischen Gesellschaft. Sie müssen, genau wie wir alle, abseitige Meinungen ertragen. Das hat nicht im Geringsten mit Einschränkung der Meinungsfreiheit zu tun. Die Grenzen dieses Grundrechts liegen in den geschützten Rechten anderer und im Strafrecht. Hass und Hetze sind zu keinem Zeitpunkt als Meinungsäußerung zu betrachten. Sie haben keinen Platz in der realen oder der virtuellen Welt. Deshalb hat die Koalition bereits in der letzten Legislaturperiode ein wirksames und zielgerichtetes Ge- setz gegen Hass und Hetze in sozialen Netzwerken auf den Weg gebracht – das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG).
In sozialen Netzwerken hatten sich Hass und Hetze bis dahin ungebremst verbreiten können, wurden Andersdenkende unter dem Deckmantel der freien Meinungsäußerung beleidigt, diffamiert und bedroht. Einzig die Hausregeln der internationalen Plattformen wirkten schwach regulativ. Deshalb haben wir als nationaler Gesetzgeber gehandelt und neue Wege beschritten. Heute sind die Unkenrufe zum NetzDG verstummt, wesentliche Gesetzgebungsvorhaben zum Schutz der Meinungsfreiheit in Netzwerken, die in Europa und der Welt diskutiert wurden und werden, orientieren sich an diesem Gesetz. Aktuell machen wir Gutes besser und werden das NetzDG noch wirksamer ausgestalten. So schützen wir freie Rede und Persönlichkeitsrechte von Betroffenen.
In dem von Ihnen eingebrachten Gesetzentwurf gehen Ihre Ausführungen zum Begriff „Hassrede“ ebenfalls fast völlig fehl. Er ist weder unbestimmt noch zielt er auf politische Inhalte oder Meinungen ab. Zu Hassrede und Hetze gehören sehr genau definierte Tatbestände, die beispielsweise in einschlägigen Regelungen des Strafgesetzbuchs verankert und im NetzDG exakt benannt werden. Das ist geltendes nationales Recht. Wenn Ihre Beiträge in den sozialen Netzwerken dennoch regelmäßiger gelöscht werden, dann liegt das nicht an einer Einschränkung der Meinungsfreiheit, sondern in Verstößen gegen gesetzliche Reglungen und geltende Standards der Plattformbetreiber begründet. Nur deshalb wurden sie gelöscht!
Ihre Ausführungen zur „Hassrede“ gehen nur fast völlig fehl, weil Sie richtigerweise ausführen, dass es sich bei der Hassrede um ein globales Phänomen handelt. Wenn Sie auf die weltweite Umsetzung von Hausregeln der Plattformbetreiber abstellen, sprechen Sie Hausrecht an, welches wir in Deutschland respektieren. Aber an dieses Recht knüpfen sich auch Pflichten. Plattformbetreiber müssen ihren Verpflichtungen nachkommen, auch wenn Sie es in Ihrem Entwurf noch so sehr versuchen anders darzustellen. Sie wollen nicht, dass sich die Betreiber der Plattformen in irgendeiner Form mit Inhalten beschäftigten oder sie löschen. Sie sollen lediglich die Technik stellen und sich aus den Inhalten völlig raushalten – zumindest so lange, bis es ihren Vorstellungen entspricht. Sie versuchen dabei den Unterschied zu Zeitungen herauszustellen. Aber, es überrascht nicht: Auch der Versuch geht fehl. Soziale Netzwerke sind Intermediäre. Intermediäre beeinflussen Meinungsbildung und die öffentliche Kommunikation. Das verpflichtet und das wurde bereits höchstrichterlich mit dem „Recht auf Vergessen“ bestätigt.
Klar ist auch: Die Meinungsfreiheit als Grundrecht von elementarer Bedeutung kann nur durch den Gesetzgeber und nicht Unternehmensrichtlinien eingeschränkt werden. Das gilt insbesondere für die mit erheblicher Macht- fülle und globaler Bedeutung ausgestatteten großen Plattformanbieter. Daher werden wir mit der Änderung des NetzDG vor allem auch neue Transparenzregelungen für User bieten. Bei Sperrungen nach Hausrecht wird es die Möglichkeit auf eine Gegenvorstellung geben. So stärkt man Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechte. Klare Regeln schaffen Vertrauen und fördern die öffentliche Kommunikation der Menschen.
Und von allem hier Dargestellten völlig unberührt, steht jeder und jedem der Rechtsweg uneingeschränkt offen.
Wenn Sie dabei irgendwo eine „koordinierte Aktion“ gegen die Meinungsfreiheit oder gar gegen die sogenannte Alternative sehen, dann mag das besser in Ihre Opferrolle passen, hat aber mit Realitäten nicht das Geringste zu tun. Ich werde die Hoffnung, auch wenn es stetig schwerer fällt, nicht aufgeben, dass die Wiederholung irgendwann zum Erkenntnisgewinn bei den Antragstellern beiträgt.