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Monika Grütters: In der Kultur- und Medienpolitik muss die demokratische Verständigung gepflegt werden

Generalaussprache (einschließl. Kultur und Digitales)

Jetzt zur Kultur. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Als auf den Tag genau vor 147 Jahren, am 21. März 1871, um 13 Uhr, der erste gesamtdeutsche Reichstag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkam, gab es weder das Reichstagsgebäude noch eine parlamentarische Demokratie, wie wir sie heute kennen. Und doch verdient, meine ich, dieser Jahrestag in der heutigen Generaldebatte Erwähnung, nicht zuletzt als Meilenstein in der Entwicklung einer demokratischen Kultur, einer demokratischen Debattenkultur.

Um diese Debattenkultur ist es aktuell nicht immer zum Besten bestellt. Wir erleben es täglich: Der Ton – auch die Frau Bundeskanzlerin hat das gesagt – ist rauer geworden. Umso wichtiger ist es, in der Kultur- und Medienpolitik den Nährboden demokratischer Verständigung zu pflegen: die Freiheit der Kunst, die Lebendigkeit der Kultureinrichtungen, die Vielfalt und Unabhängigkeit der Medien. Auch deshalb haben wir den Haushalt des Bundes für Kultur und Medien trotz notwendiger Einsparbemühungen in den vergangenen Jahren stetig erhöht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deshalb unterstreicht der Koalitionsvertrag mit zahlreichen Vorhaben, zum Beispiel zur Förderung der kulturellen Angebote in ländlichen und strukturschwachen Regionen, einmal mehr, dass Union und SPD der Kultur- und Medienpolitik eine große, eine immense Bedeutung für die Demokratie und für die Verständigung beimessen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Unterstreicht“ würde ich jetzt nicht sagen!)

Dafür steht auch, liebe Claudia Roth, das Humboldt Forum, Deutschlands größtes Kulturprojekt. Die außereuropäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die wir hier präsentieren wollen, bieten in Verbindung mit der benachbarten Museumsinsel und den dort verorteten Kulturschätzen des Mittelmeerraums – also Europa und Naher Osten – einmalige Einblicke in das kulturelle Erbe der ganzen Menschheit. Sie offenbaren, dass es ein Wir nicht nur innerhalb, sondern auch jenseits kultureller und nationaler Grenzen gibt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, verehrte Kolleginnen und Kollegen, es sagt auch viel über das Selbstverständnis der Kulturnation Deutschland am Beginn des 21. Jahrhunderts aus, dass wir im Herzen unserer deutschen Hauptstadt nicht uns selbst in den Mittelpunkt stellen, sondern der Welt in Berlin ein Zuhause geben. Das heißt: das Eigene im Austausch mit dem Anderen definieren.

Vor allem zeigt es, dass wir gelernt haben, mit den Abgründen unserer Geschichte, auch mit den Brüchen unserer Demokratie umzugehen. Statt also in reiner Selbstbezüglichkeit zu verharren, empfiehlt sich hier einmal mehr Deutschland als Partner in der Welt, als im besten Sinne treibende Kraft einer Kultur der Verständigung der Völker.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Humboldt Forum lädt dazu ein – das ist unsere Idee –, Weltbürger zu sein. Ich bin dankbar, dass wir diese Einladung dank des Koalitionsvertrags und eines großzügigen Finanzministers mit freiem Eintritt für die Dauerausstellung bekräftigen, so wie es im Sinne der kulturellen Bildung und Vermittlung auch immer unser gemeinsames Anliegen war.

Als künftigen Intendanten – Sie haben heute die Zeitung gelesen – werde ich dem Stiftungsrat der Stiftung Humboldt Forum den bisherigen Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, den Kunsthistoriker Hartmut Dorgerloh, vorschlagen. Er ist einerseits Intellektueller, andererseits auch Umsetzer, ein richtig großer, erfolgreicher Praktiker mit hoher Vermittlungskompetenz, und er ist bestens vernetzt. Er begleitet das Projekt übrigens seit vielen Jahren und weiß also, worauf er sich einlässt. Ich bin überzeugt, er ist der Richtige, um das Humboldt Forum zu einem pulsierenden und strahlenden Veranstaltungsort mitten in Berlin zu machen.

Die letzten Monate haben wir im Übrigen genutzt, um die künftige Leitungsstruktur verbindlich, einvernehmlich und, wie ich finde, auch sehr gut zu regeln.

Die größte Herausforderung steht uns allerdings noch bevor. Mit der Eröffnung des Forums 2019 und dem Umzug vor allen Dingen der ethnologischen Sammlungen von Dahlem nach Mitte rücken auch viel zu lange verdrängte Vorgänge und auch das Unrecht der Kolonialzeit ins Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Das Ziel, Grundsätze für den Umgang mit diesem kolonialen Erbe in Sammlungen und Museen zu erarbeiten, hat deshalb in meiner zweiten Amtszeit als Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien höchste Priorität, auch verstanden als konsequente Fortsetzung einer Erinnerungspolitik, die großen Anteil am mittlerweile wieder hohen Ansehen Deutschlands in der Welt hat

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

und die ich in meiner ersten Amtszeit auch mit der massiven Stärkung der Provenienzforschungsmittel zur Aufarbeitung des nationalsozialistischen Kunstraubs vorangetrieben habe. Das heißt, wir können auf eine gute Politik aufbauen und sollten das jetzt mit der klaren Orientierung auch auf den Umgang mit dem kolonialen Erbe fortentwickeln.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Macron hat auf Twitter geschrieben: „Das afrikanische Erbe darf kein Gefangener europäischer Museen sein.“ Anknüpfend an seine denkwürdige Rede in Burkina Faso hoffe ich auf eine enge deutsch-französische Kooperation bzw. auf eine Art deutsch-französischen Motor bei diesem wichtigen Thema. Deshalb will ich meiner französischen Amtskollegin Françoise Nyssen bei einem Treffen in der Woche nach Ostern vorschlagen, gemeinsam eine internationale Expertenkonferenz einzuberufen. Ihre Impulse könnten der erste Schritt sein, um – abhängig von den Umständen des Einzelfalls – Lösungen für den Umgang mit diesem kolonialen Erbe zu finden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Auch das braucht, glaube ich, eine breite europäische Basis. Denn die Aufarbeitung der historischen Wahrheit ist immer die Voraussetzung für Versöhnung und Verständigung.

Weil sich eine demokratische Kultur der Verständigung nicht nur in der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, sondern natürlich auch in der Gestaltung der Zukunft bewähren muss, noch eine abschließende Bemerkung zum Zukunftsthema Digitalisierung – auch wenn gleich Dorothee Bär noch dazu reden wird; es betrifft ja uns alle –: Auch im Internet müssen Regeln gelten, die eine demokratische Debattenkultur schützen und fördern.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dazu gehört nicht zuletzt die Kunstfreiheit.

Eine demokratische Errungenschaft, das geistige Eigentum, ist ein zivilisatorischer Gewinn, der gerade bei uns in Deutschland aus gutem Grund Verfassungsrang genießt. Künstlerinnen und Künstler müssen jetzt und auch künftig von ihrer Arbeit leben können. Deshalb werde ich mich weiterhin für den Schutz des geistigen Eigentums durch ein starkes Urheberrecht einsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Eine letzte Bemerkung: Im 21. Jahrhundert sollte es außerdem eine Selbstverständlichkeit sein, dass Frauen und Männer in Kultur und Medien gleichermaßen Wertschätzung für ihre Leistung erfahren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dabei geht es nicht allein um Gleichberechtigung, sondern auch um künstlerische Vielfalt und um einen Gewinn an Perspektiven und Potenzialen. Lassen Sie uns deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, alles in unserer Möglichkeit Stehende tun, um die Gleichstellung in Kultur und Medien ebenso kontinuierlich zu verbessern, wie wir den Kulturetat in den vergangenen Jahren erhöht haben. Auch so stärken wir Verständigung und Zusammenhalt.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)