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Katrin Staffler: "Die berufliche Bildung als echte Alternative zum Hochschulstudium stärken"

Rede zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich in meinem Wahlkreis über die berufliche Bildung spreche, mit Auszubildenden, mit ihren Betrieben, mit den Leitern der Berufsschulen, mit den Vertretern der Kreishandwerkerschaft, mit den Eltern und vor allem mit den jungen Menschen, die noch vor der Berufswahl stehen, kommt immer wieder ein und dieselbe Frage auf, nämlich wie wir die berufliche Ausbildung so weiterentwickeln und so modernisieren, dass sie für die jungen Menschen, für die, um die es geht, auch wirklich attraktiv ist.

Jetzt gehört zur Ehrlichkeit: Mein Wahlkreis Fürstenfeldbruck und Dachau liegen in Oberbayern;

(Beifall der Abg. Beate Walter-Rosenheimer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

das ist der sogenannte Speckgürtel rund um München. Bei uns ist die Lage am Arbeitsmarkt sehr erfreulich. Die Arbeitslosenquote ist gering, die Auftragslage gerade bei den Handwerksbetrieben ist extrem hoch. Und als Antwort auf die Frage, wie man zur Einführung einer Mindestausbildungsvergütung steht, kriege ich bei mir daheim maximal ein müdes Lächeln und vielleicht noch den Hinweis, dass das bei ihnen längst Standard ist, weil es dort nämlich kaum noch Betriebe gibt, die unter der angesetzten Grenze bezahlen. Warum? Weil sie sonst nämlich überhaupt keine Lehrlinge mehr finden können.

Jetzt will ich damit keineswegs die Einführung einer Mindestausbildungsvergütung infrage stellen; aber worauf ich durchaus hinauswill, ist, dass die Mindestausbildungsvergütung allein nicht die Herausforderungen meistern wird, vor denen unser Berufsbildungssystem heute steht.

(René Röspel [SPD]: Hat auch keiner gesagt!)

Für einen nachhaltigen Erfolg unseres betrieblichen Ausbildungssystems sind andere Faktoren sicherlich ausschlaggebender. Ich will an dieser Stelle exemplarisch nennen, dass wir die Möglichkeit zur Teilzeitausbildung grundsätzlich für alle Lebens- und Betriebssituationen eröffnen müssen – unsere Ministerin hat es ausgeführt – oder dass wir das Ehrenamt im Rahmen des Prüfungswesens stärken, um unseren Prüferinnen und Prüfern mehr Flexibilität zu geben. Das sind zwei Maßnahmen, die in unserem aktuell vorliegenden Gesetzentwurf enthalten sind.

Vor allem aber – dieser Punkt ist mir besonders wichtig – spielt die Gleichwertigkeit von beruflicher Bildung auf der einen Seite und akademischer Bildung auf der anderen Seite eine wichtige Rolle; denn gerade dieses Ungleichgewicht, das Gefühl, dass berufliche Bildung weniger wert ist als akademische und auch weniger Wertschätzung erhält, ist es, was unsere jungen Menschen dazu verleitet, sich eher in Richtung einer akademischen Laufbahn zu orientieren.

Verstehen Sie mich jetzt bitte nicht falsch: Dass immer mehr Menschen in Deutschland die Möglichkeit haben, ein Studium anzufangen, ist durchaus positiv – ich selber habe auch studiert –, aber wir müssen auch die Kehrseite betrachten. Ich hatte gestern hier in Berlin Besuch von einer Schülergruppe aus meinem Wahlkreis – es waren Schüler eines Gymnasiums –, und ich habe die Frage gestellt, wer von den anwesenden Schülern gerne eine berufliche Ausbildung machen will. Wissen Sie, wie viele sich gemeldet haben? Einer. Ein einziger in einer kompletten Schulklasse! Da habe ich den Schülern natürlich die Frage gestellt, was denn aus ihrer Sicht gegen berufliche Bildung sprechen würde. Ich habe viele Antworten bekommen, eine davon war: Wenn ich Abitur mache, dann strebe ich doch ein Studium an. Warum würde ich sonst aufs Gymnasium gehen?

(Yasmin Fahimi [SPD]: Genau!)

Wir müssen uns an dieser Stelle schon die Frage stellen, wie wir die berufliche Bildung als echte Alternative zum Hochschulstudium stärken können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Unsere Ministerin hat die neuen Abschlussbezeichnungen vorgestellt, die eine echte Wertigkeit schaffen und auch eine klare Zuordnung ermöglichen. Wir als Fraktion begrüßen das, gleichzeitig ist es uns aber natürlich auch wichtig, dass der Meister weiterhin als Qualitätssiegel bestehen bleibt und dass wir ihn als Marke stärken; denn auch das gehört zur Wertschätzung.

(Beifall der Abg. Sybille Benning [CDU/CSU])

Meine Damen und Herren, die Novellierung des Berufsbildungsgesetzes ist ein notwendiger und aus meiner Sicht auch ein wichtiger Schritt, damit wir das internationale Erfolgsmodell der dualen Berufsaus- und Fortbildung stärken können. Ich kann Ihnen versichern: Das wird nicht der letzte Schritt sein. Dass zum Beispiel der Bundestag im letzten Jahr eine Enquete-Kommission ins Leben gerufen hat, die sich ausschließlich mit der beruflichen Bildung in der digitalen Arbeitswelt beschäftigt, ist, glaube ich, ein Zeichen dafür, dass wir durchaus etwas tun und dass wir auch den festen Willen haben, in diesem Bereich voranzukommen.

Wir haben heute die erste Lesung des Gesetzentwurfs und stehen damit am Anfang des Prozesses. Ich freue mich auf die rege Diskussion, die wir hoffentlich in den kommenden Monaten noch darüber führen werden. Aber wir sollten an dieser Stelle ein Ziel in den Mittelpunkt unserer Beratungen stellen, nämlich dass wir den jungen Menschen zeigen, dass die berufliche Ausbildung für uns auch weiterhin ein echtes Erfolgsmodell ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)