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Anja Karliczek: Wir wollen eine neue Weiterbildungskultur etablieren

Fortsetzung der Aussprache zur Regierungserklärung Bildung und Forschung

Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Koalitionsvertrag haben wir uns das Ziel gesetzt, eine neue Dynamik für Deutschland und einen neuen Zusammenhalt für unser Land zu schaffen. Mit einer Offensive für Bildung, Forschung und Digitalisierung will ich meinen Beitrag dazu leisten – einer Offensive, die den Menschen in unserem Land Chancen eröffnet und Mut zur Zukunft macht. Wir schaffen Chancen durch moderne Bildung – ermöglicht dadurch, dass der Bund neue Gestaltungskraft erhält –, wir schaffen Chancen durch lebenslanges Lernen und berufliche Bildung, der wir neue Anerkennung geben wollen, und wir schaffen Chancen durch Wissenschaft und Forschung, die für jede und jeden spürbar sein sollen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Im Mittelpunkt unseres Wirkens steht der Mensch. Moderne Bildung ermöglicht ihm, sich zu entwickeln, zu zeigen, was in ihm steckt, zur eigenen Persönlichkeit zu reifen. Forschung und Wissenschaft dagegen ermöglichen Innovationen, die unser aller Leben besser machen. Erst beide zusammen ermöglichen es uns, in einer Welt des Wandels mit Mut und Vertrauen in die Zukunft zu blicken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Drei Schwerpunkte werden wir setzen:

Erstens: moderne Bildung. Mit dem Koalitionsvertrag schlagen wir ein neues Kapitel im deutschen Bildungsföderalismus auf. Ja, wir wollen stärker in die Zukunft von jungen Menschen investieren, und ja, in allen Regionen Deutschlands. Dazu müssen wir das Grundgesetz ändern. Das hat jetzt Priorität.

(Beifall des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD])

Aber dafür brauchen wir eine Zweidrittelmehrheit hier im Deutschen Bundestag und im Bundesrat. Es geht also nur gemeinsam. Lassen Sie uns das deshalb gemeinsam machen, zum Wohle unserer Kinder!

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dann können wir unsere Bildungsoffensive starten, die ja auch finanziell eine neue Dimension erreichen wird. Insgesamt 5 Milliarden Euro investieren wir in den Digitalpakt, um unsere Schulen zu modernisieren, davon allein 3,5 Milliarden Euro in dieser Legislaturperiode.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Digitale Medien gehören an jede deutsche Schule, damit Lehrkräfte moderne Lehrmethoden auch nutzen können.

Moderne Lehrmethoden sind neue Chancen, unsere Kinder individuell zu fördern. Dabei ist eine zeitgemäße Infrastruktur das eine, Qualifizierung der Lehrkräfte, gute Bildungsangebote, verlässliche Wartung und Datensicherheit sind das andere. Aber dafür sind die Länder verantwortlich, und das müssen sie uns garantieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Verhandlungen zum Digitalpakt sind unter meiner Vorgängerin gut vorangekommen.

(Lachen bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Ich bin zuversichtlich, dass wir, wenn wir die Grundgesetzänderung haben, bald zum Abschluss kommen können. Denn am Ende geht es immer auch um das Bild, das Kinder und Jugendliche von Schule haben: Ist Schule ein Ort, an dem die Zeit stehen geblieben ist, oder ein Ort, der Zukunft atmet, der Freude am Lernen und Lust auf Neues vermittelt?

2 Milliarden Euro wird die Bundesregierung in die Ganztagsbetreuung investieren. Ganztagsbetreuung als Angebot ist gerade für unsere Kinder in den Grundschulen wichtig. Ich habe selbst vor langer Zeit begonnen, mich politisch zu engagieren, weil es bei uns nicht genügend passende Angebote für die Kinderbetreuung gab und Familie und Beruf zu vereinbaren mir schon damals wichtig war.

Dabei geht es heute um viel mehr als um Betreuung. Deutschland braucht jedes Talent. Wir wollen alle Kinder dort abholen, wo sie stehen, und sie gezielt fördern, damit sie ihre Fähigkeiten entdecken und entwickeln können, und zwar von Anfang an.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diesen Anspruch müssen wir als Gesellschaft an uns haben. Das ist nicht nur gesellschaftlich notwendig, sondern auch eine Frage der Chancengerechtigkeit. Dabei ist mir besonders wichtig: Jede Lösung muss den unterschiedlichen Bedürfnissen der Menschen vor Ort entsprechen; keine Einheitslösung, sondern vielfältige Möglichkeiten. Diese Überzeugung wird mich bei meinen Gesprächen mit den Ländern und Kommunen leiten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zweiter Aspekt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt viele Wege, ins Berufsleben zu starten. Am Ende zählt nicht die Art des Abschlusses, sondern das, was jemand daraus macht, ob jemand bereit ist, sich anzustrengen und sich weiterzuentwickeln. Anders ausgedrückt: Berufliche und akademische Bildungswege sind gleichwertige Bildungswege. Dieses Bewusstsein fest zu verankern, ist eines meiner zentralen Ziele. Denn jeder junge Mensch hat verdient, den Weg zu gehen, der zu ihm passt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Deshalb wollen wir die Durchlässigkeit zwischen beiden Bildungswegen weiter steigern. Der digitale Wandel führt uns doch gerade vor Augen, wie schnell sich die Dinge verändern, besonders in der Berufswelt. Neue Fähigkeiten werden gebraucht, neue Berufe entstehen, andere verschwinden. Damit alle mit Mut in die Zukunft blicken können, werden wir nun auch die berufliche Bildung modernisieren und hochwertige Entwicklungsmöglichkeiten schaffen. Dabei sind Entwicklungsmöglichkeiten das eine. Auch finanziell soll sich die Gleichwertigkeit niederschlagen. Wenn wir das BAföG für die angehenden Akademiker weiter ausbauen, dann stärken wir selbstverständlich auch das Aufstiegs-BAföG.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen eine neue Weiterbildungskultur etablieren, eine Weiterbildungskultur, die Lust macht, lebenslang zu lernen – in der Schule, im Beruf, im Privaten, bis ins hohe Alter. Nur so werden wir jedem neue Chancen für ein selbstbestimmtes Leben eröffnen.

Ein dritter Punkt treibt uns um. Forschung und Entwicklung prägen unsere heutige Welt. Die Kernbedingungen guter Wissenschaftspolitik sind Freiheit und Verlässlichkeit. Die Freiheit der Wissenschaft ist heute leider an vielen Orten nicht mehr selbstverständlich. Das macht uns große Sorge. Denn Wissenschaft steht für Orientierung an Fakten und Zusammenhängen, nicht für Stimmungen und Vorurteile.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Gerade die Wissenschaft ist grenzüberschreitend und besonders aus europäischer Sicht gemeinschaftsstiftend. Große globale Herausforderungen wie die Energie- oder die Mobilitätswende werden wir nur mithilfe der Wissenschaft meistern. Deshalb muss die Stimme der Wissenschaft überall Gehör finden. Das ist mir wichtig. Aber das heißt auch: Wir müssen darüber reden, wie Wissenschaft im Alltag verständlich wird. Die Menschen müssen spüren: Was Forscher entdecken und entwickeln, hilft ihnen persönlich im Alltag.

Besonders deutlich wird das in der Gesundheitsforschung. Krankheiten wie Krebs und Demenz belasten das Leben ganzer Familien über Jahre hinweg. Wir müssen deshalb in der Lage sein, Ursachen besser zu erforschen, Therapien zu entwickeln und diese dann schnell zu den Patienten zu bringen, damit sich die Lebensqualität für viele verbessert.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Wissenschaft kann auf diese Bundesregierung zählen. Wir werden die Wissenschaftspakte neu aufsetzen, die in dieser Legislaturperiode auslaufen, und unsere Universitäten, Fachhochschulen und auch die außeruniversitären Forschungseinrichtungen stärken.

Doch die Herausforderung bleibt: Forschungsergebnisse müssen ihren Weg in innovative Produkte und Dienstleistungen finden. Deshalb brauchen wir mehr Unternehmen, die in Forschung und Entwicklung investieren, gerade auch kleine und mittlere. Dazu werden wir Forschung und Entwicklung in Zukunft steuerlich fördern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Aber auch der Staat muss sich trauen, neue Wege zu gehen. Wir wollen Sprunginnovationen fördern, die das Potenzial haben, neue Märkte zu schaffen. Das geht nur mit Mut zum Risiko. Diesen Mut müssen wir dann auch hier im Parlament beweisen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine echte Offensive für Bildung und Forschung braucht alle politischen Kräfte in Bund und Ländern. Ich biete Ihnen eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit an; denn Bildung und Forschung haben für diese Koalition Priorität. Das zeigt allein schon der Etat, der mit 17,6 Milliarden Euro der viertgrößte der Bundesregierung ist. Lassen Sie uns damit ein Versprechen verwirklichen, das wir den Menschen gegeben haben: neue Chancen durch moderne Bildung, lebenslanges Lernen und exzellente, offene Forschung und Wissenschaft.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)