Bettina M. Wiesmann: Familien, Kinder und Jugendliche sind der Kern unserer Gesellschaft
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Epl. 17)
Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In schwieriger Zeit hat die Koalition – das ist auch schon gesagt worden – Familien, Kinder und Jugendliche fest im Blick; denn sie sind nicht nur Kern dieser Gesellschaft, sondern vor allem auch ihre Zukunft. Das ist eine Art von Systemrelevanz, die nicht übersehen werden darf.
Wir haben die jungen Menschen im Blick, nicht nur durch den Einzelplan 17, sondern auch insgesamt. Deshalb – das will ich noch mal herausheben – ist es richtig, dass die diese Woche beschlossenen Schulden schon ab 2026 wieder getilgt werden sollen. Wenn wir in diesen Tagen viel für die notwendige Solidarität und Fürsorge für die Älteren und Alten, die Kranken und die Schwachen tun, so ist der Respekt vor den Jungen, ihren Bedürfnissen nach Entfaltung heute und Gestaltung morgen nicht weniger wichtig. Es ist unsere Aufgabe, die wir auch Kinder- und Jugendpolitiker sind, dies einzufordern.
Aber jetzt zum Haushalt selbst. Ich meine, er hat Jugendlichen – deshalb fange ich mit einem anderen Schwerpunkt an als meine Vorrednerin – tatsächlich Wichtiges zu bieten.
Erstens. Sonderzuschüsse für Kinder- und Jugendbildung, also die bereits genannten zusätzlichen 100 Millionen Euro als Sonderzuschüsse für die gemeinnützigen Träger von Kinder- und Jugendhilfe. Das ist wichtig; denn die Pandemie wird uns auch 2021 zu starken Beschränkungen bei Klassenfahrten, Jugendlagern, kulturellen Angeboten etc. zwingen. Diese sind unverzichtbare Ergänzungen zu Erziehung und Bildung in Familie und Schule. Sie tragen nämlich wesentlich zur Persönlichkeitsbildung bei. Das ist von noch größerer Bedeutung nach der Pandemie, deren Beschwernisse nicht alle Familien aus eigenen Ressourcen kompensieren können. Die Anbieter müssen deshalb so bald wie möglich den Betrieb wiederaufnehmen können, und diese Mittel sind deshalb bestens angelegt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
An das Ministerium möchte ich in dem Zusammenhang den Wunsch richten, die Zuschussbeträge etwas differenzierter zu gestalten. Aber klar ist auch: Schnelle Hilfe geht besser mit Pauschalen.
Zweitens: Stärkung des Jugendaustauschs. Auf den Austausch mit den Ländern dieser Erde sind wir angewiesen, und mehr noch tut er der Jugend gut, die in nie dagewesener kultureller Aufgeschlossenheit und internationaler Vernetzung aufwächst. Seit 1963 haben 9 Millionen junge Menschen an den Programmen des Deutsch-Französischen Jugendwerks teilgenommen. Das Deutsch-Polnische Jugendwerk hat seit 1991 über 3 Millionen Jugendliche zusammengebracht. Die Jugendwerke der anderen Bereiche – Tschechien, Griechenland und auch Israel – sind schon erwähnt worden.
Diese Jugendwerke bringen junge Menschen über historische oder kulturelle Gräben hinweg zusammen. Sie bauen Ressentiments wegen des deutschen Angriffskrieges vor 80 Jahren ab, mit denen manch einer schon wieder seine politische Rechnung macht. Und selbst wenn Fliehkräfte in der EU zunehmen: Die Jugendwerke legen starke Fundamente für das gemeinsame Europa. Sie schaffen Interesse und Verständnis durch gemeinsames Erleben. Sie sind vielleicht die verlässlichste Friedensversicherung. Deshalb fördern wir den internationalen Jugendaustausch weiter kraftvoll, und zwar mit über 28 Millionen Euro, 4 Millionen mehr als in den vergangenen Jahren.
Last, but not least: Auch das mit den USA zu etablierende Austauschjugendwerk ist eminent wichtig. 2 Millionen Euro sind dafür etatisiert. Gesunde, produktive und belastbare Beziehungen zwischen Deutschland und den USA sind keine Selbstverständlichkeit, wie wir vielleicht dachten. Auch sie bedürfen eines breiten gesellschaftlichen Fundaments. Das ist zu Recht ein ganz besonderes Anliegen meiner Fraktion, dieser Koalition und wahrscheinlich auch darüber hinaus.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Drittens: mehr Mittel für den Dienst am anderen. Mit knapp 328 Millionen Euro verstetigen wir die Beträge für die Freiwilligendienste und den Bundesfreiwilligendienst. Das ist gut, aber ich sage dazu: Es könnte auch noch besser sein. Wir müssen auch die Attraktivität der Dienste erhöhen, sodass es am besten für alle jungen Menschen eine selbstverständliche Pflicht wird, einen Dienst in einer sozialen, ökologischen, kulturellen Einrichtung oder eben auch in der Bundeswehr zu leisten. Es wäre ein Gewinn für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt, wenn alle jungen Menschen ihr Kästchen, ihr Umfeld in unserer zunehmend fragmentierten Gesellschaft verlassen, um Erfahrungen mit anderen zu machen und dabei Gemeinsames zu entdecken.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Katja Mast [SPD])
Schließlich – viertens – mehr Geld für den Jugendmedienschutz; das ist noch nicht angesprochen worden. Wir erhöhen deutlich den Etat der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Sie soll mehr Aufgaben erhalten, damit der Jugendmedienschutz in unserem Land endlich besser durchgesetzt werden kann, vor allem in Hinblick auf die neuen Risiken der digitalen Welt. Das fordern nicht nur Eltern und Experten; darum bitten uns zunehmend die jungen Menschen selbst. Kommende Woche werden wir die dazugehörige Novelle des Jugendschutzgesetzes hier debattieren, und ich freue mich schon darauf.
Meine Damen und Herren, Kinder und Jugendliche haben sich über fast ein Jahr enorm an äußere Zwänge anpassen müssen. Der erste Lockdown war für viele ein harter Einschnitt. Aber auch wenn wir Kitas und Schulen heute so lange wie möglich offen halten, fehlen auch jetzt noch wichtige Elemente für ihr gutes Aufwachsen; das darf nicht vergessen werden. Denn Bildung ist mehr als Schule, und Schule ist viel mehr als Lernen. Das dürfen wir nicht vergessen. Sport und Spiel, Musik und Kunst, Ehrenamt, spontane Begegnung und Gemeinschaft gehören zum Heranwachsen dazu. Sie erst machen im Suchen selbstbewusst und in der Begegnung eigenständig, und längst nicht alles davon kann digital ersetzt werden.
Hätten wir eine systematischere Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, zum Beispiel durch Befragungen, Feedbackprozesse, flächendeckende Schüler- und Jugendparlamente oder Foren echter Meinungsäußerung, dann wären sie neben Eltern, Pädagogen und Jugendvertretern auch selbst Ansprechpartner unserer Politik, und wir könnten vieles Wichtige erfahren und ganz sicher auch in der Pandemie Fehler vermeiden. Feedback, und zwar 360 Grad, ist ein professionelles Muss in unserer Arbeitswelt. Mit Blick auf die Familien reden wir längst von Aushandlungsprozessen. Deshalb, finde ich, sollten wir auf einem nationalen Kindergipfel im Frühjahr das Zuhören und den Dialog nachholen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich komme zu meinem letzten Satz, Herr Präsident, bevor Sie mich mahnen.
Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:
Bitte.
Bettina Margarethe Wiesmann (CDU/CSU):
Schützen, zuhören, ihre Entwicklung anerkennen: Das sind Grundregeln im Umgang mit jungen Menschen. Sie sind aber keine voll ausgebauten Erwachsenen; deshalb ist auch kein Wahlrecht mit 16 geboten. Aber ihre grundlegenden Rechte haben sie, und wir müssen sie achten, und deshalb gehören sie tatsächlich explizit ins Grundgesetz.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)