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(Quelle: pa / Adrien Vautier / Le Pictorium/MAXPPP/dpa)

Zugang für humanitäre Hilfe dringend gefordert

Kurzinterview mit Michael Brand zur Versorgungskrise in Venezuela

Venezuela steht vor einer Wende. Machthaber Nicolás Maduro hat das ölreichste Land der Erde heruntergewirtschaftet; trotz der dramatischen Lage lässt er humanitäre Hilfe von außen nicht zu. Alle Hoffnungen richten sich nun auf Parlamentspräsident Juan Guaidó, den die meisten EU-Staaten als Übergangspräsidenten anerkennen. Der menschenrechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Brand, nimmt Stellung zur katastrophalen humanitären Situation und zur Lage der Menschenrechte in Venezuela.

Herr Brand, was braucht Venezuela nun, da Interimspräsident Guaidó humanitäre Hilfe für das Land organisieren will, am dringendsten?

Brand: Die Menschen in Venezuela, im ölreichsten Land der Erde, hungern. Die Situation ist verheerend und hat sich aktuell noch einmal zugespitzt. Das Gesundheitssystem ist komplett zusammengebrochen:

Hunderte sind an Masern und Diphterie gestorben, die Zahlen der an Tuberkulose Erkrankten nehmen ebenfalls drastisch zu. Kinder sterben an Hepatitis und Malaria. Es herrscht Chaos und Elend – es ist eine menschliche Katastrophe!

In erster Linie werden Nahrungsmittel und Medikamente benötigt und zwar schnell. Hundertausende Venezolaner haben weder Nahrung noch Medizin. Der Mangel ist extrem. Die Hinterlassenschaften des sozialistischen Machthabers Maduro sind dramatisch. Bereist 2017 galten über 60 Prozent der Bevölkerung als extrem arm. Das Einkommen von 90 Prozent der Haushalte reichte nicht für eine Lebensmittelgrundversorgung. Rund drei Millionen Menschen haben deshalb das Land verlassen. Stündlich werden es mehr. Die Menschen in Venezuela sind dringend auf Unterstützung angewiesen.

Alle diplomatischen Kanäle nutzen

Auf welche Weise können Deutschland und die EU den Menschen im Land helfen?

Brand: Das Militär blockiert durch die Schließung eines Grenzüberganges zu Kolumbien die Lieferung der dringend benötigten humanitären Hilfsgüter. Deutschland und die EU appellieren weiterhin eindringlich an die venezolanischen Streitkräfte, das Regime Maduro nicht weiter zu stützen. Alle diplomatischen Kanäle müssen genutzt werden. Wesentlich ist der dringend notwendige Zugang zu den hilfsbedürftigen Menschen.

Die Bundesregierung stellt akut fünf Millionen Euro für humanitäre Hilfe bereit. Die EU-Kommission kündigte gestern ebenfalls an, fünf Millionen Euro für humanitäre Hilfe, für Lebensmittel und medizinische Hilfe zur Verfügung zu stellen. Vor allem muss die Blockade weg, so dass konkret geholfen werden kann.

Die EU hat außerdem die Einrichtung einer internationalen Kontaktgruppe beschlossen, um Venezuela dabei zu unterstützen, einen friedlichen und demokratischen Prozess einzuleiten - mit dem Ziel Neuwahlen durchzuführen.

Ein wichtiger Schritt war bereits die Anerkennung des Parlamentspräsidenten Juan Guaidó als Übergangspräsident von Seiten der Bundesregierung und zahlreicher Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie weiterer Länder, um die in der Verfassung vorgesehenen Neuwahlen des Präsidenten zu ermöglichen.

Welche Erwartungen haben Sie an den Interimspräsidenten in Bezug auf die Menschenrechtslage?

Brand: Es gibt verdammt viel zu tun. Die Lage der Menschenrechte ist verheerend. Die Zahl der politisch Inhaftierten liegt nach Berichten des Hochkommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen bei über 280 Personen. Venezuela versinkt in Gewalt und Korruption. In den Jahren 2015 bis 2017 wurden über 500 Menschen von Sicherheitskräften getötet. 2016 wurden über 27.000 Menschen ermordet, doch die Strafverfolgung bleibt aus. Um die Presse- und Meinungsfreiheit steht es ebenfalls schlecht.

Konsequent gegen Korruption vorgehen

Die Verbrechen, die das Regime Maduro an der eigenen Bevölkerung beging, müssen von unabhängiger Seite untersucht werden. Vertreter des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen müssen Zugang zum Land erhalten, der ihnen bislang verwehrt blieb. Hier kann Interimspräsident Guaidó den Prozess anstoßen und sollte das schnell tun. Wir haben entsprechende Erwartungen an ihn.

Das Wichtigste ist, jetzt einen konsequenten Kurs gegen Korruption und Rechtlosigkeit einzuschlagen. Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit sind die Voraussetzung, um individuelle Rechte für jeden einzelnen zu gewährleisten. Venezuela hat einen schweren Weg vor sich, bei dem es die Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft braucht. Chaos nutzt nur den Falschen.