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Ursula Groden-Kranich: Eine Krise bietet auch Chancen; aber dazu braucht es Mut

Redebeitrag zur Deutschen Ratspräsidentschaft

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Der vorliegende Antrag der AfD „Deutsche Ratspräsidentschaft für ein Europa der Freiheit nutzen, für die Stärkung der nationalen Souveränität, für Bürgernähe und Demokratie“ beginnt ja schon im Titel mit Unwahrheiten. Denn liest man den Antrag durch, dann wird einem ganz schnell klar, was mal wieder Ihre wahre Intention ist, und diese ist nicht für, sondern ganz klar gegen ein starkes Europa gerichtet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Kleinwächter [AfD]: Vielleicht sollten Sie sich angewöhnen, den Text zu lesen!)

Ihr gesamter Antrag basiert auf einem Sammelsurium von Themen, die weder neu und schon gar nicht proeuropäisch sind. Wieder einmal nutzen Sie einen Ihrer Anträge, um Ihre nationalistischen Ideologien zu verbreiten und den europäischen Gedanken der Solidarität und damit auch die Europäische Gemeinschaft als solches zu diskreditieren. Sie beklagen das Handeln der Europäischen Union in der Coronakrise als „Totalversagen“. Ja, es gibt tatsächlich Verbesserungsbedarf. Aber Ihre Rückschlüsse, dass jetzt weniger und nicht mehr Europa notwendig ist, teile ich absolut nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Im Kern zeigt das doch wieder einmal Ihre eigentliche Denke: Sie wollen nicht Teil der EU sein und arbeiten ständig daran, unsere gemeinsame Politik in Europa als Obrigkeitspolitik zu verteufeln. Aber genau das hat Corona gezeigt: Corona macht eben nicht an nationalen Grenzen halt. Es ist ein übernationales Problem,

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Das aber regional eingedämmt wurde!)

und deswegen müssen wir auch übernational denken. Die Europäische Gemeinschaft ist nun Teil einer Lösung, und wir müssen aus den Fehlern, die wir zu Beginn der Krise gemacht haben, lernen. Wir sind ein Teil dieser Politik. Wir gestalten sie mit, und wir sind froh darüber, in einer solchen Gemeinschaft leben zu dürfen.

Es ist nicht zuletzt auch ein Akt der Menschlichkeit gewesen, ausländische Staatsbürger, die am Coronavirus erkrankten, in Deutschland zu behandeln. Denn da haben wir aus unseren Fehlern vom Beginn der Pandemie gelernt. Und diese grenzübergreifenden Mechanismen müssen sogar noch weiter ausgebaut werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der AfD)

Es gilt also – insbesondere im Jahr der deutschen EU-Ratspräsidentschaft –, für eine stärkere Vernetzung der Staaten zu kämpfen und nicht zu beginnen, die alten nationalstaatlichen Paradigmen aus der Mottenkiste zu holen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Harald Weyel [AfD]: Linkensprech der CDU!)

Meine Damen und Herren, die AfD lehnt den Aufbaufonds der EU ab, da dieser zu einer „Vollendung der Schuldenunion der Vereinigten Staaten von Europa“ führen würde.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Bis 2058!)

Hier sind wir ganz weit weg von der eigentlichen Wahrheit.

(Zurufe von der AfD)

Sonst würden wir nicht alle um die Ausgestaltung dieses Fonds ringen. Hier werden wir uns auch als deutsches Parlament weiter einbringen und Vorschläge machen. Das stärkt nämlich Europa, das ist Bürgernähe, und das stärkt Demokratie – nicht Verweigerung, sondern Mitmachen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und wie heißt unser Motto? „Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns zum Schluss noch mal auf das Positive zurückkommen. Deutschland übernahm gestern für ein halbes Jahr die europäische Ratspräsidentschaft und hat sich wirklich herausfordernde und wichtige Ziele gesetzt. Ich bin überzeugt davon, dass die Europäische Union davon profitieren wird. Wir hatten gestern unseren Parlamentspräsidenten, Herrn Dr. Wolfgang Schäuble, im EU-Ausschuss zu Gast, der uns an unsere Rolle als Parlament erinnert hat. Er wies darauf hin – und hat dezidiert auch zu den Fragen der AfD darauf hingewiesen –, dass eine europäische Integration nur in Zeiten großer Krisen substanziell vorankommen kann. Denn eine Krise bietet auch Chancen.

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

– Sie waren doch gestern gar nicht dabei. Äußern Sie sich doch gar nicht dazu! – Also, eine Krise bietet auch Chancen; aber dazu braucht es Mut, Mut, den Sie nicht haben. Denn Ihr Antrag zeugt von Angst: Angst vor europäischer Nähe, Angst vor der Zukunft. Wir sind mutig!

(Lachen bei der AfD)

Insbesondere in dem Jahr, in dem wir 30 Jahre Wiedervereinigung feiern, freuen wir uns, dass Deutschland die Ratspräsidentschaft gemeinsam mit Portugal und Slowenien übernehmen darf für ein freies, ein friedliches und vereintes Europa „Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)