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Thorsten Frei: Es ist enorm wichtig, dass wir die Waffenexportkontrolle im Bereich der Kleinwaffen deutlich verbessern

Rede zum Jahresabrüstungsbericht 2017

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir den Abrüstungsbericht der Bundesregierung heute diskutieren, dann tun wir das natürlich im Lichte der aktuellen Herausforderungen. Die Vorredner sind intensiv auf die Themen „Atomwaffen“ und „chemische Waffen“ eingegangen. Es ist in der Tat so, dass wir dort vor Herausforderungen stehen, wie wir sie vor Monaten und Jahren so noch nicht gekannt haben. Der twitternde amerikanische Präsident oder der russische Präsident, der bei seiner zentralen Wahlkampfrede mehr als die Hälfte seiner Redezeit darauf verwendet, über Aufrüstung, neue Waffensysteme und Militär zu sprechen – das dokumentiert die ganz reellen Gefahren. Es ist in der Tat so, wie Sie, Herr Minister, gesagt haben: Es geht um nichts weniger als um das Aufrechterhalten der Waffenkontrollarchitektur auf internationaler Ebene. Dafür lohnt sich jeder Einsatz.

Wir hätten vor wenigen Jahren sicherlich auch nicht gedacht, dass das Thema der Chemiewaffen so in den Fokus rückt. Es sind nicht nur die Kinder mit Schaum vor dem Mund und mit weit aufgerissenen Augen in Chan Schaichun oder in Duma – das ist vorhin angesprochen worden –, sondern es ist tatsächlich so, dass die UN-Kommission für Syrien seit 2013 33 Einsätze von Giftgas – Sarin, Chlorgas – dokumentiert hat. Das zeigt, dass es in der Tat viel Leidenschaft und Beharrlichkeit bedarf, um hier für Verbesserungen zu sorgen.

Ich möchte am Ende dieser Debatte noch auf einen Punkt des Abrüstungsberichts eingehen, der mir sehr wichtig erscheint, über den wir aber wenig diskutieren. Es ist die Situation im Bereich der Kleinwaffen, der Handwaffen, der Pistolen, der Maschinenpistolen, der halbautomatischen Gewehre. Durch keine andere Waffengattung sterben so viele Menschen wie durch Kleinwaffen. Die UN gehen davon aus, dass etwa 875 Millionen Kleinwaffen in der Welt zirkulieren – bei einer durchschnittlichen Verwendungsdauer, die irgendwo zwischen 30 und 50 Jahren liegt – und dass dadurch jährlich etwa 250 000 Menschen ums Leben kommen. Deswegen müssen wir uns damit beschäftigen.

Diese Waffen sind günstig zu erhalten. In Nigeria beispielsweise kosten sie zwischen 25 und 50 Dollar. Das ist für die Menschen leicht erreichbar. Die Verbreitung ist immens, und die Schadenswirkungen, die daraus entstehen, sind es genauso. Es sind vor allen Dingen arme Länder, fragile Staaten, destabilisierte Staaten. Es geht darum, dass man etwas dagegen tut, dass das weiter zur Destabilisierung, zur Auflösung des staatlichen Gewaltmonopols beiträgt. Ansonsten würde das am Ende dazu führen, dass es keine wirtschaftlichen Investitionen und Fortentwicklungen gibt, weil Lebensperspektiven verschwinden. Das wiederum schafft Fluchtursachen oder macht die Menschen gar zu Werkzeugen des Terrors. Deswegen müssen wir da ansetzen.

Es ist in der Tat richtig, dass Analyse allein noch keine Politik ist. Der Abrüstungsbericht macht an vielen Stellen deutlich, glaube ich, dass sich Deutschland vielfältig engagiert. Es sind multilaterale Ansätze, die wir in der Außenpolitik generell in den Mittelpunkt rücken – unter dem Dach der Vereinten Nation, der Europäischen Union, der OSZE oder beispielsweise auch der NATO –, und es sind unmittelbare bilaterale Ansätze. Da haben wir viele kleine Projekte, beispielsweise im EU-Rahmen, in denen wir in Afrika auf kommunaler Ebene über die Gefährlichkeit informieren und darüber hinaus auch Programme zum freiwilligen Umtausch gegen Güter des Gemeinwohls anbieten.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Frei, der Kollege Beutin würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

Thorsten Frei (CDU/CSU):

Ja, das soll er gerne tun.

Lorenz Gösta Beutin (DIE LINKE):

Herr Kollege Frei, nehmen Sie denn zur Kenntnis, dass die deutschen Exporte von Kleinwaffen im letzten Jahr wieder einen neuen Höchststand erreicht haben und Waffen im Wert von 47,8 Millionen Euro exportiert wurden? Die gelangen eben in die Hände von Kindersoldaten; die gelangen gerade in die Staaten, die Sie jetzt beschrieben haben. Deswegen wäre es schön – und wir würden uns sehr darüber freuen –, wenn Sie sich gemeinsam mit unserer Fraktion für das notwendige Verbot des Exports von Kleinwaffen einsetzen würden. Würden Sie da mitgehen?

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Thorsten Frei (CDU/CSU):

Herr Kollege, Sie sprechen zu Recht an, dass es enorm wichtig ist, dass wir die Waffenexportkontrolle insbesondere im Bereich der Kleinwaffen deutlich verbessern. Es ist festzustellen, dass die Bundesregierung in der letzten Legislaturperiode die Rahmenbedingungen dafür massiv verschärft hat und dass wir im Koalitionsvertrag mit den Sozialdemokraten vereinbart haben, dass Exporte von Kleinwaffen in Drittstaaten und ihnen gleichgestellte Staaten in Zukunft nicht mehr erfolgen sollen.

(Lorenz Gösta Beutin [DIE LINKE]: Die Zahlen sprechen eine andere Sprache!)

Das ist ein entscheidender Punkt, und ich will einen zweiten ansprechen: Die Bundesregierung hat im letzten Jahr die Leitlinien für Krisenprävention verabschiedet. Wir haben das parlamentarisch eng begleitet. Und da ist unter anderem klargestellt, dass es auch Projektversuche geben soll, um die Post-Shipment-Kontrollen im Endverbrauchsland tatsächlich vor Ort durchführen zu können. Das heißt, wir wollen deutlich mehr Augenmerk darauf legen, dass auch tatsächlich überprüft wird, was mit den Waffen am Ende passiert. Insofern kann ich einfach nur feststellen: Die Bundesregierung ist hier auf dem richtigen Weg, tut das Notwendige, und deshalb unterstützen wir sie auch dabei.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das sind in der Tat die entscheidenden Punkte, um im Bereich der Rüstungsexportkontrolle deutlich besser zu werden. Ich habe in der Antwort eben zwei Punkte angesprochen. Aber es sind auch sehr viele unmittelbare, bilaterale Projekte dort in den Mittelpunkt zu rücken. Die kann man sehen; sie müssen nicht neu erfunden werden, und deshalb, glaube ich, sind wir da gut unterwegs.

Insgesamt leisten wir einen erheblichen Beitrag, auch wenn es um die nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 der UN geht. Das kann man beispielsweise auch daran sehen, dass im Juni dieses Jahres die dritte UN-Überprüfungskonferenz zur Bekämpfung von Handfeuerwaffen stattfindet. Die Bundesregierung hat dazu gute und ambitionierte Vorschläge gemacht. Das ist ein weiterer Punkt, der es rechtfertigt, dass wir uns für einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat engagieren. Ich glaube, dass wir einen wirklich guten Beitrag dazu leisten können. Im Abrüstungsbericht dieses Jahres ist das dokumentiert.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)