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Thomas Erndl: Wir müssen mehr den je in den Erhalt des Friedens investieren

Rede zum Jahresabrüstungsbericht 2017

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Die Beratungen über den Jahresabrüstungsbericht 2017, den uns die Bundesregierung vorgelegt hat, fallen in eine außen- und sicherheitspolitisch brisante Zeit. Die Situation in Syrien, die wir gestern hier debattiert haben, der Nervengiftanschlag in England, Russlands Ankündigung neuer Raketen- und Waffensysteme: All das ist höchst besorgniserregend.

Wir dürfen in Europa nun seit 73 Jahren in Frieden und Freiheit leben, müssen aber mehr denn je in den Erhalt dieses Friedens investieren. Im Koalitionsvertrag haben wir bestätigt, dass Rüstungskontrolle und Abrüstung prioritäre Ziele verantwortlicher deutscher Außenpolitik sind und bleiben. Der Abrüstungsbericht zeigt wirklich sehr umfassend unsere Beiträge auf.

Es ist wichtig, dass wir trotz einer großen Anzahl internationaler Krisen, mit denen wir konfrontiert sind, in Fragen der Rüstungskontrolle und Abrüstung vorankommen. Aber zuallererst besteht eine Notwendigkeit zur Akzeptanz der Realität, und daran habe ich bei dem, was ich von ganz links und manchmal auch von ganz rechts hier in diesem Hause höre, ernsthafte Zweifel.

Wenn Sie, Herr Kollege Gysi, uns Einseitigkeit vorwerfen, dann muss ich sagen: Mehr Einseitigkeit als in Ihrem Beitrag geht wirklich nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist wichtig und in unserem ureigensten Interesse, dass wir uns intensiv in die Abrüstungsinitiativen einbringen. Gemeinsam mit unseren europäischen Freunden müssen wir gerade die Verletzung des INF-Vertrags durch neue russische Kurz- und Mittelstreckenraketen viel deutlicher anprangern. Das ist kein weiterer Punkt auf einer Liste mehrerer Unstimmigkeiten, die man zu besprechen hat, sondern das ist ein fundamentales Sicherheitsproblem für unser Land, und das müssen wir klar und laut hörbar an Moskau kommunizieren. Leise Töne sind hier das falsche Signal.

Wenn dann in diesem Zusammenhang von ganz links und auch von ganz rechts immer wieder die NATO-Ost­erweiterung angesprochen wird, die angeblich Russland zur Aufrüstung veranlasst, muss ich Ihnen sagen, meine Kolleginnen und Kollegen: Wir haben keine bipolare Weltordnung mehr, in der es nur um die USA und Russland geht.

(Andrea Nahles [SPD]: Richtig!)

Die Menschen in Osteuropa sind keine Menschen zweiter Klasse. Sie haben das Recht, sich einem Bündnis anzuschließen, um einen Schutz gegen die vielfältigen Bedrohungen auf dieser Welt zu haben, und dieses Recht haben sie genutzt. Da kann man noch so viel Legendenbildung betreiben: Die Aktivitäten der NATO sind für unseren Schutz; sie sind nicht gegen Russland gerichtet.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ach nee! Gegen wen denn sonst?)

Meine Damen und Herren, es ist doch vollkommen klar: Wir brauchen wesentlich bessere Beziehungen zu Russland. Ich möchte Moskau gerne wieder uneingeschränkt als Partner für die vielfältigen Herausforderungen bezeichnen können. Aber sie machen es uns wirklich nicht leicht. Es ist ein weiter Weg, aber Deutschland ist in einer besonderen Rolle, um hier Fortschritte zu ermöglichen.

Eine weitere Herausforderung ist Nordkoreas aggressives Nuklearstreben, welches nicht nur in der Region, sondern weltweit Frieden und Sicherheit bedroht. Dass gegenwärtig Gespräche mit Südkorea und auch mit den USA stattfinden, ist zu begrüßen; aber klar muss auch sein: Das völkerrechtswidrige Raketen- und Nuklearprogramm muss zurückgebaut werden.

Meine Kolleginnen und Kollegen, eine atomwaffenfreie Welt ist unser Wunsch. Wir dürfen jedoch nicht ignorieren, dass Atomwaffen ein realer Bestandteil dieser Welt sind. Gerade deshalb gibt es keinen anderen Weg, als vernünftig und ohne auf ideologischen Positionen zu beharren mit der Frage der nuklearen Abrüstung umzugehen.

Wir debattieren heute nicht nur über den Jahresabrüstungsbericht, sondern auch über einen Antrag der Linken, der zu dem Bild passt, das Sie in der gestrigen Debatte über den Syrienkonflikt und mit Ihrer Kundgebung vor dem Brandenburger Tor abgegeben haben. Sie kritisieren einseitig die NATO und den Westen, während die Russen die Guten sind. Einen solchen Antrag kann man nur ablehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zur Abwechslung wäre es gut, wenn Sie für die Kinder mit aufgerissenen Augen und Schaum vor dem Mund demonstrierten und nicht einen solchen Zirkus wegen ein paar Raketen aufführten, die Chemiewaffen zerstören, welche schon lange entsorgt sein sollten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zum Antrag der Grünen, zum Atomwaffenverbotsvertrag. Wir haben in diesem Haus schon oft darüber debattiert. Ohne die Nuklearmächte einzubeziehen, macht das keinen Sinn. Deswegen können wir hier nicht zustimmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ob im konventionellen Bereich, in der nuklearen Nichtverbreitung, der nuklearen Abrüstung, im Bereich von chemischen und biologischen Waffen oder bei der Cyberabwehr, unser Land leistet einen umfassenden Beitrag, damit unsere Welt sicherer und friedlicher wird. Wir müssen zusammen mit unseren europäischen Partnern und den USA Strategien für den Umgang mit neuen Herausforderungen entwickeln. Das ist das Wichtigste für unsere friedliche Zukunft.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)