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Sebastian Brehm: Straflosigkeit verwehrt den Opfern Gerechtigkeit

RedebeitrRedebeitrag zu Kriegsverbrechen u. Menschenrechtsverletzungenag

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zahl der kriegerischen Auseinandersetzungen und Konflikte in Syrien, Ruanda, Myanmar und im Jemen – wir haben das in der Debatte gehört – ist exponentiell angestiegen. Vergewaltigungen, Verschwindenlassen, Folter, Angriffe auf zivile Einrichtungen, Chemiewaffeneinsätze, Mord und Völkermord werden von Diktaturen willkürlich verübt. Fast in jeder Sitzungswoche und in jeder Sitzung des Ausschusses für Menschenrechte reden wir über solche schrecklichen Ereignisse und derartige Verbrechen weltweit, in der letzten Sitzungswoche zum Beispiel über Belarus und den Iran. Die Mehrzahl der Täter bei schweren Verbrechen, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Menschenrechte bleibt straflos, und leider steigt die Zahl stetig an.

Wie Sie wissen, komme ich aus der wunderschönen Stadt Nürnberg, einst die Stadt der Reichsparteitage, heute Stadt des Friedens und der Menschenrechte. In Nürnberg fanden nach dem Krieg die Nürnberger Prozesse statt. Dieses Verfahren gegen die Hauptkriegsverbrecher der NS-Diktatur in Nürnberg war die Grundlage und der Grundstein für das internationale Völkerstrafrecht und diente nur sechs Monate später als Vorbild für den errichteten Internationalen Militärgerichtshof in Tokio und später für den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Zum ersten Mal in der Geschichte entstand mit den Nürnberger Prozessen ein internationales Gericht, das Verletzungen des Völkerrechts ahndete und bestrafte. Aus den Nürnberger Prozessen wurden die Nürnberger Prinzipien abgeleitet, die 1950 von der UN-Völkerrechtskommission als allgemeinverbindlich übernommen wurden:

Erstens. Jede Person, welche ein völkerrechtliches Verbrechen begeht, ist hierfür strafrechtlich verantwortlich.

Zweitens. Auch wenn das nationale Recht – das ist ein entscheidender Punkt in den Nürnberger Prinzipien – für ein völkerrechtliches Verbrechen keine Strafe vorsieht, ist der Täter nach dem Völkerrecht strafbar.

Drittens. Auch Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder können herangezogen werden.

Viertens. Handeln auf Befehl befreit nicht von völkerrechtlicher Verantwortung.

Fünftens. Jeder, der eines völkerrechtlichen Verbrechens angeklagt ist, hat Anspruch auf ein ordnungsgemäßes Verfahren.

Folgende Verbrechen sind als völkerrechtliche Verbrechen strafbar: Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der Internationale Strafgerichtshof hat hier wichtige Verfahren durchgeführt und Urteile gefällt – in den Reden wurde das erwähnt –, ob im ehemaligen Jugoslawien oder im Fall des kongolesischen Milizenführers, der wegen des Einsatzes von Kindersoldaten bestraft wurde.

Doch trotz dieser bedeutenden Aufgabe war die internationale Akzeptanz des Internationalen Strafgerichtshofs von Anfang an in vielen Ländern unzureichend und ist es leider bis heute. 123 Staaten sind inzwischen Vertragspartei des Römischen Statuts, also der Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs, darunter alle Mitgliedstaaten der EU, aber – wie erwähnt – Russland, die USA, China und Indien nicht; sie lehnen das bis heute ab.

Zudem gibt es immer wieder Diskussionen über die bessere berufliche Qualifikation und vor allem über die Prozesserfahrung der Richterinnen und Richter sowie über die zu langen Verfahren des Internationalen Strafgerichtshofs. Mit derzeit 18 Richterstellen ist es schwer, hier den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden. Wir brauchen deshalb eine Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofs. Wir brauchen – das ist notwendig; Kollege Brand hat ja die Hoffnung geäußert, dass das vielleicht ab nächster Woche möglich ist – den Beitritt der USA. Wir brauchen aber auch den Beitritt von Russland, China und Indien, die sich diesen internationalen Grundsätzen anschließen müssen.

Wir brauchen eine größere personelle und finanzielle Ausstattung des Internationalen Strafgerichtshofs durch die Staatengemeinschaft, und wir brauchen eine Reform des Prozessrechts, insbesondere zur Beschleunigung der Verfahren. Wir brauchen einen Einsatz dafür, dass sich mehr Staaten wie Deutschland auch auf nationaler Ebene Völkerrechtsverbrechen widmen und ahnden.

Übrigens war die Einrichtung des sehr wichtigen Projekts in meinem Wahlkreis, der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien, im Jahr 2014 ein ganz wichtiger Grundstein für die internationale Vernetzung und für den internationalen Austausch. Da möchte ich ein ganz herzliches Dankeschön an meinen Vorvorgänger Dr. Oscar Schneider sagen, der das in Nürnberg und auch hier wesentlich vorangebracht hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen uns nicht ausruhen; denn Straflosigkeit verwehrt den Opfern Gerechtigkeit, verwehrt Friedens- und Versöhnungsprozesse und führt zu weiteren Konflikten. Dies zu verhindern, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss unser Anspruch in der täglichen Menschenrechtsarbeit bleiben.

Ich danke herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)