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Roderich Kiesewetter: Es ist wichtig den Gesprächskanal aufrecht zu erhalten

Rede zum Jahresabrüstungsbericht 2017

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute Vormittag eine ganze Reihe recht romantischer Vorstellungen zur Abrüstung gehört – von ganz links und ganz rechts. Mein lieber Herr Gesangsverein, da fragt man sich schon, wo wir sind. Aber dieses Lied singen wir nicht mit; ich unterstreiche vielmehr, dass der Abrüstungsbericht in sehr klarer Prosa deutlich macht, wo und wie stark Deutschland in internationalen Abrüstungsvereinbarungen verankert ist.

Ich will das deutlich machen. Einer der Vorredner erwähnte heute die Deep Cuts Commission. Das ist eine Einrichtung, die für tiefe Einschnitte in die nukleare Rüstung wirbt, und sie wird intensiv gestützt vom Auswärtigen Amt. Beteiligt sind die USA und Russland. Sage da noch einer, von welcher Seite auch immer, Deutschland habe keinen Einfluss. Deutschland übt dort großen Einfluss aus. Ich möchte sagen: Wir haben dort auch eine ganze Reihe guter Vorschläge. Ein Dank an die Deep Cuts Commission!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Fritz Felgentreu [SPD])

Ich möchte aber auf den INF-Vertrag eingehen, auf den Vertrag über landgestützte Mittelstreckenraketen. Er ist 1987, vor über 30 Jahren, in Kraft getreten und hat die Sicherheitspolitik in Europa maßgeblich verändert; so viel zur „Romantik“. Damals hat die erste Regierung Kohl als Lehre aus der Politik der Regierung Schmidt Härte und Festigkeit bewiesen. Wir haben über viele Jahre innergesellschaftlich gerungen. Am Ende stand auf US-Seite und auf sowjetischer Seite die Abrüstung dieser gerade für Europa so gefährlichen Raketen. Das zeigt, dass wir auf der einen Seite den Schild fest in der Hand halten müssen und auf der anderen Seite die Hand ausstrecken müssen für eine bessere Rüstungskooperation.

Wenn wir nichts tun, wird der INF-Vertrag langsam ausgehöhlt, weil durch die Drohnen, durch sehr bodennah fliegende Raketen insgesamt die Technik, die der INF-Vertrag abbildet, längst nicht mehr der Wirklichkeit entspricht. Darauf zu reagieren, dafür gibt es drei Möglichkeiten:

Die eine ist: Wir beziehen auch die see- und luftgestützten Raketen ein. Das könnte man machen, wenn Russland und die USA sich einig wären; aber es gibt eben noch andere Staaten auf der Welt, die das völlig anders sehen, wie China, Pakistan, Nordkorea oder auch Indien. Also wird es gar nicht helfen, wenn allein Russland und die USA diesen Schritt gehen.

Die zweite Möglichkeit ist: Wir binden diese Länder mit ein. Denken Sie einmal daran, Nordkorea oder Indien und Pakistan einzubinden. Das ist eine Aufgabe, der wir uns nicht verwehren sollten. Wir sollten uns aber auch nicht überheben. Es ist eine Zukunftsaufgabe, die uns alle sicher die nächsten 20 Jahre binden würde.

Somit bleibt die dritte Möglichkeit. Diese Möglichkeit baut auf dem alten deutschen Prinzip von Dialog und Festigkeit auf. Hier geht es um Transparenzmaßnahmen. Wie will man Vertrauen gegenüber Russland aufbauen, wenn Russland weltweit sehr bestimmt auftritt, wenn es das Chemiewaffenabkommen obsolet macht, indem es einen Diktator Assad stützt, der seine eigene Bevölkerung mit Chemiewaffen bombardiert, wenn es die Krim besetzt, wenn es die Ostukraine destabilisiert und wenn es versucht, Europa zu spalten?

Gerade in den Fällen, die ich eben nannte, ist es wichtig, den Gesprächskanal aufrechtzuerhalten. Die deutsche OSZE-Präsidentschaft hat sehr eindrucksvoll gezeigt, dass es geht. Wenn wir das von mir Beschriebene machen wollen, dann müssen wir erkennen, dass zu den Transparenzmaßnahmen auch etwas mehr Ehrlichkeit gehört. Die Amerikaner haben im Jahr 2014 Russland vorgeworfen, dass es eine neue Mittelstreckenrakete entwickelt, und, siehe da, aufgrund dieser klaren Festigkeit hat Lawrow im Januar 2018 das bestätigt. Es ist die heute schon erwähnte Rakete SSC-8, oder, wie die Russen sie nennen, 9M729. Wir wollen wissen: Wie ist die Reichweite dieser Rakete?

Auf der Gegenseite wird uns unterstellt, dass die amerikanischen Raketen unter dem NATO-Schirm in Rumänien keine Boden-Luft-Raketen zur Zerstörung angreifender Raketen sind, sondern dass sie womöglich auch Bodenziele erreichen können. Hier bietet es sich an, wirklich für Transparenz zu sorgen. Das ist auch die Aufgabe Deutschlands; der Außenminister hat das gestern mit der Scharnierfunktion Deutschlands – fest verankert sein im westlichen Bündnis und dann die Hand ausstrecken, um für Transparenz und Verhandlungen zu sorgen – eindrucksvoll geschildert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht darum, pragmatisch vorzugehen und nicht romantisch. Es geht darum, auf der einen Seite Festigkeit zu zeigen und auf der anderen Seite kluge Abrüstungsschritte zu wagen. Es ist gerade bei den Mittelstreckenraketen, die Europas Sicherheit, unsere eigene Sicherheit intensivst berühren, auch unsere Aufgabe, mit den Amerikanern, unseren Partnern in EU und NATO gegenüber Russland Festigkeit zu zeigen und dann mit Russland für Transparenzmaßnahmen zu sorgen. Beide Seiten sind aufgefordert. Die besseren Argumente sind bei uns.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)