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Norbert Altenkamp: Wir müssen helfen, den bewaffneten Konflikt schnell zu beenden

Die Gewaltexzesse gegen die Rohingya stoppen – Für die vollständige Anerkennung der Volksgruppe in Myanmar

Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will es in meiner ersten Rede mit etwas Versachlichung versuchen.

(Margarete Bause [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und danach?)

– Danach natürlich auch, logisch. – Der Rohingya-Konflikt steht beispielhaft für den immer gleichen Wirkmechanismus in aller Welt zu allen Zeiten: Mehrheiten unterdrücken Minderheiten und verwehren ihnen Rechte. Teile dieser Minderheiten radikalisieren sich und geben damit Mehrheiten die vermeintliche Rechtfertigung, umso brutaler gegen Minderheiten vorzugehen. Wir sehen mit Entsetzen, was im Rakhine-Staat in Myanmar passiert. Die übermäßig brutalen militärischen Übergriffe auf die Rohingya zeigen laut UN-Vertretern alle Anzeichen eines Völkermords; ich benenne das so. Das ist der bisher schreckliche Höhepunkt systematischer Diskriminierungen, die bereits seit über 70 Jahren andauern. Hinzu kommt: Die Verhältnisse in den Flüchtlingslagern in Bangladesch sind teilweise katastrophal, und der kommende Monsun könnte dort viele weitere Tote fordern.

Wir müssen handeln, und zwar schnell, um eine weitere Eskalation der Krise zu vermeiden. Deutschland muss helfen, den bewaffneten Konflikt so schnell wie möglich zu beenden, die Menschenrechte für alle zu schützen, die humanitäre Soforthilfe in Bangladesch und in Rakhine zu verstärken und den Konflikt zwischen den Rohingya und der Regierung in Myanmar nachhaltig zu lösen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Unser Antrag zeigt dazu die wichtigsten Handlungsoptionen auf. Er ist zugleich ein wichtiges politisches Signal dafür, dass die Verteidigung der Menschenrechte ein zentrales Element der deutschen Politik ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Um nachhaltig Erfolg zu haben, müssen wir bei den Ursachen des Konflikts ansetzen und Vereinfachungen vermeiden. Es handelt sich nämlich hier gerade nicht nur um einen rein religiösen oder kulturellen Konflikt. Der heutige Konflikt ist das Ergebnis der nicht gewollten Integration der überwiegend muslimischen Minderheit der Rohingya seit der Staatsgründung von Myanmar. Das hat zu ihrem politischen, sozialen und wirtschaftlichen Ausschluss geführt.

Der Bericht der Kofi-Annan-Kommission über den Rakhine-Staat spricht von drei Krisen, die wir dringend angehen müssen: die Menschenrechtskrise, die Sicherheitskrise und die Entwicklungskrise. Die Menschenrechtskrise beginnt mit der Unabhängigkeit Burmas 1948. Obwohl die muslimische Minderheit seit mindestens dem 12. Jahrhundert dort lebt, wurden die Rakhine nach der Staatsgründung nicht als eine der 135 – 135! – nationalen Gruppen anerkannt. Deshalb haben sie nie Staatsbürgerschaftsrechte erhalten. Die Rohingya erhalten nur eine – ich nenne sie mal so – Ausländerkarte, die die Ausübung von wesentlichen Menschenrechten ausschließt. Sie können sich innerhalb des Landes nicht frei bewegen und dürfen nicht verreisen. Sie haben nur begrenzt Zugang zum Bildungs- und Gesundheitssystem. Sie dürfen bestimmte Berufe nicht ausüben und haben Probleme beim Heiraten und bei der Pflege ihrer religiösen Traditionen.

All das hat zu einem dauernden und oft bewaffneten Konflikt geführt, der auf beiden Seiten – ich betone: auf beiden Seiten – immer weiter eskaliert ist und eine allgemeine Sicherheitskrise ausgelöst hat, mit zielgerichteten Angriffen bewaffneter muslimischer Gruppen, besonders der radikalen „Arakan Rohingya Salvation Army“, mit den brutalen Reaktionen des myanmarischen Militärs und mit den Konflikten der Rohingya mit anderen Bevölkerungsgruppen in Rakhine.

Die verbreitete Unsicherheit, die Verletzung der Menschenrechte und die mangelhaften Entwicklungspläne der Regierung machen die Region zudem höchst unattraktiv für Investitionen. So hat die Entwicklungskrise die Armutsrate in Rakhine auf 78 Prozent erhöht; sie ist damit doppelt so hoch wie im Durchschnitt in Myanmar, und dem Land geht es so schon nicht gut. Die Situation ist noch schlimmer im Norden des Staates, wo die Rohingya leben.

Alle drei Krisen verstärken sich gegenseitig und führen in einen Teufelskreis. Diesen Teufelskreis zu durchbrechen, muss unser Ziel sein, um eine weitere Radikalisierung beider Seiten zu vermeiden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Kofi-Annan-Kommission hat in Myanmar mit über 1 000 Betroffenen aus allen Bereichen nach Auswegen aus der Krise gesucht und 88 Lösungsvorschläge vorgestellt. Keine Angst, ich lese jetzt nicht alle 88 vor. Aber die Hauptbotschaft ist: Die freiwillige Rückkehr und die Integration der Rohingya in Rakhine können nur gelingen, wenn Gleichberechtigung, Sicherheit und Entwicklungsperspektiven garantiert werden. Kernpunkt dafür ist die Anerkennung der Rohingya als Volksgruppe und die Klärung ihrer staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg ist dabei, dass wir von unserer Seite aus mit allen Konfliktparteien im Dialog bleiben und dabei die gemäßigten Kräfte unterstützen. Gleichzeitig müssen wir den Dialog zwischen den Konfliktparteien in Myanmar selbst auf allen Ebenen systematisch stärken. Dazu können wir durch unsere humanitäre und wirtschaftliche Hilfe wesentlich beitragen.

Ich komme zum Schluss: Unser Einsatz für eine nachhaltige Lösung des Konflikts in Rakhine ist wichtig, weil wir aus humanitären Gründen dazu verpflichtet sind. Unser Grundgesetz sagt dazu in Artikel 1 ganz klar: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Die Menschenrechte gelten für alle Menschen weltweit, jenseits von Religion, Herkunft und Geschlecht. Kein Mensch und keine Gruppe kann davon ausgeschlossen werden.

Wenn nun Kollegen und Kolleginnen in diesem Haus die erwiesenen Verletzungen der Menschenrechte an einem ganzen Volk gar nicht anerkennen, bestimmen sie dieses Volk, und zwar wegen seiner Religion, als weniger menschlich. Das ist mit meinem christlichen Verständnis nicht vereinbar.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Zaklin Nastic [DIE LINKE])

Unser Einsatz für eine Lösung des Konfliktes ist auch deshalb dringend notwendig, damit wir die Entwicklung eines muslimischen Terrorismus in Rakhine nach dem Vorbild des IS verhindern können; denn eine unterdrückte Minderheit, die derart brutal behandelt wird wie die Rohingya, ist ohne jeden Zweifel ein fruchtbarer Boden für die Entfaltung von weiterem Extremismus.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: So geht differenzierte Sicht!)

Wir wollen und müssen von deutscher Seite alles dafür tun, den Konflikt in Rakhine dauerhaft und friedlich zu lösen. Die Vorschläge aus unserem Antrag und dem Kofi-Annan-Bericht sind dafür die richtige Basis. Ich freue mich übrigens sehr, dass Papst Franziskus zu einer internationalen Konferenz aufgerufen hat und diese unterstützen möchte; denn dies ist auch wichtig für die Christen in der Region.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Herr Braun, zuhören! Es geht auch differenziert!)