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Nikolas Löbel: Deutschland hat ein großes sicherheitspolitisches Interesse an der Verlängerung des Vertrages New START

Redebeitrag zu Nuklearwaffen

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den vergangenen Jahren sind die wesentlichen Säulen unserer internationalen Sicherheitsarchitektur durch politisches Handeln vor allen Dingen jenseits des Atlantiks stark ins Wanken geraten.

Die Bundesregierung hat im Jahresabrüstungsbericht 2019 die aktuelle sicherheitspolitische Situation sehr deutlich skizziert – ich darf zitieren –: Die „Zukunft der nuklearen Ordnung, die Wiederbelebung von Rüstungskontrolle und Abrüstung, die Eindämmung von Proliferationskrisen und der Umgang mit neuen Technologien und Konfliktfeldern“ gehören zu den zentralen sicherheits- und abrüstungspolitischen Herausforderungen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Wahrheit gehört auch: Der INF-Vertrag, er ist Geschichte. Wir müssen leider feststellen, dass mit dem Ende des INF-Vertrags ein wesentlicher Stützpfeiler europäischer Sicherheit endgültig weggebrochen ist. Auch die Zukunft des New-START-Vertrags bleibt ungewiss. New START ist der einzig verbleibende Vertrag der nuklearen Rüstungskontrolle. Er beschränkt die strategischen Arsenale der zwei größten Atommächte, die weltweit über das Gros aller nuklearen Waffen verfügen, und er schafft Transparenz durch weitreichende Verifikationsmaßnahmen. Deshalb begrüßen wir, dass die Bundesregierung sich wiederholt und hochrangig und eindeutig für eine Verlängerung des New-START-Vertrags starkgemacht hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Christoph Matschie [SPD])

Denn der Erhalt von New START ist die Grundlage für Gespräche zu einer Ausweitung des Vertrags und seine Anpassung an aktuelle Sicherheitsherausforderungen. Die Vertragsbestandteile von New START zeigen auch auf, wie klar definiert Rüstungskontrolle und Abrüstung gemeinschaftlich vereinbart werden können. New START sieht dabei jeweils bis zu 18 Verifikationsbesuche pro Jahr sowie einen regelmäßigen Datenaustausch vor.

Nach Aussage beider Vertragspartner wurden gegenseitige Verifikationsbesuche vereinbarungsgemäß und erfolgreich durchgeführt. Das zeigt: Der Vertrag funktioniert. Dennoch droht der amerikanische Präsident, den Vertrag einseitig zu kündigen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist falsch; das hat die deutsche Bundesregierung mehrfach deutlich gemacht, und das machen wir heute mit dieser Debatte im Deutschen Bundestag ebenfalls deutlich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Dank der Linksfraktion!)

Der Vertrag läuft zwar im Februar 2021 aus, sieht jedoch die Möglichkeit für eine einmalige fünfjährige Verlängerung vor. Ja, wir brauchen eine Verlängerung, wir brauchen keine Aufkündigung, sondern wir brauchen eine Verlängerung und eine Ausweitung auf weitere Vertragspartner. Denn mit dem Ende des INF-Vertrags bleibt New START eben der einzige Vertrag, der die nuklearen Arsenale der beiden größten Nuklearwaffenstaaten beschränkt.

Beide Staaten setzen den Vertrag bisher vollständig um. Die Bundesrepublik Deutschland hat ebenso wie ihre europäischen Partner ein vitales Interesse an der Verlängerung von New START; denn durch die Begrenzung der Nuklearwaffenarsenale trägt der Vertrag fundamental zum Erhalt der strategischen Stabilität bei und dient so auch deutschen und europäischen Sicherheitsinteressen. Das umfassende Verifikationsregime von New START, es schafft Transparenz und wirkt gleichzeitig vertrauensbildend. Genau das ist es, was wir in diesen Zeiten von steigenden Sicherheitsbedenken brauchen: Wir brauchen mehr Transparenz und mehr Vertrauen und weniger Abschottung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dennoch: Ganz falsch liegen die USA nicht, zumindest mit ihrem erklärten Anliegen, ein mögliches New-START-Nachfolgeregime auch auf neue russische Waffensysteme auszudehnen und zudem China zu mehr Engagement in der nuklearen Rüstungskontrolle zu bewegen. Dieses Ziel ist richtig und berechtigt. Doch die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Administration wählen den falschen Weg, um ihr Ziel zu erreichen. Zu drohen, den Vertrag aufzukündigen und eines Tages den Vertrag tatsächlich zu kündigen, zerstört die gemeinsame Basis für mehr internationale Rüstungskontrolle und Abrüstung. Denn die Verlängerung von New START würde den hierfür erforderlichen umfassenden Verhandlungen zwischen den USA, Russland, China, aber auch beispielsweise zwischen Frankreich und Großbritannien die notwendige Zeit und das notwendige Vertrauen geben. Deshalb begrüßen wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dass die Bundesregierung sich vorbehaltlos für die Verlängerung des Vertrages ausspricht, und wir fordern gemeinsam mit der Bundesregierung sowohl Washington als auch Moskau zu konkreten Gesprächen auf, am Vertrag festzuhalten und einen Folgevertrag ab 2021 zu erarbeiten.

Weil der Fortbestand des Vertrages von so großer Bedeutung ist, ist dieser Vertrag immer wieder regelmäßiger Tagesordnungspunkt der Gespräche zwischen dem Bundesaußenminister und seinem US-amerikanischen oder auch seinem russischen Amtskollegen. Zudem nutzt die Bundesregierung multilaterale Foren wie die Generaldebatte des Ersten Ausschusses der Vereinten Nationen oder Treffen der NATO-Außenminister, um sich für den Erhalt und die Verlängerung von New START auszusprechen. Ich bin mir sicher: So wird auch der deutsche Außenminister die Gelegenheit des Außenministertreffens am 22. Juni in Wien nutzen, um die Position Deutschlands deutlich zu machen.

Deutschland hat ein großes sicherheitspolitisches Interesse an der Verlängerung des Vertrages. New START ist ein guter Vertrag. Er reduziert und beschränkt die Anzahl einsatzbereiter strategischer Nuklearwaffen, und er schafft durch sein gut funktionierendes Überprüfungssystem ein hohes Maß an Transparenz und Sicherheit. Ein Auslaufen des Vertrages, des letzten noch existierenden Rüstungsbegrenzungsvertrages im Bereich der Nuklearwaffen zwischen Russland und den USA, wäre eine ernsthafte Gefährdung des Friedens in der Welt. Eine neue Runde atomarer Aufrüstung wäre wahrscheinlich die unmittelbare Folge. Deshalb kommt der Bundesregierung beim Kampf um den Erhalt und die Erneuerung und die Verlängerung von New START erneut eine ganz wichtige Rolle zu – eine Rolle als Moderator, als Mahner und als Motivator. Der Erhalt der letzten Säule der bisherigen internationalen Sicherheitsarchitektur ist im Interesse von uns allen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)