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Martin Patzelt: "Die Menschenrechtler müssen im Parlament eine stärkere Stimme bekommen"

Weitere Eskalation der Gewalt in Myanmar stoppen und demokratische Rechte

Danke schön. – Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben eine Stunde lang mit Betroffenheit die Geschehnisse in Myanmar geschildert und aufgenommen. Wir haben sie mit Empathie aufgenommen. Wir haben danach gefragt: Wie ist das zu beurteilen? Und wir haben zusammen versucht, die Frage zu beantworten: Was können wir eigentlich tun?

Mich persönlich überfällt immer – das wird manchem in diesem Haus so gehen – eine große Ohnmacht: eine Aktuelle Stunde, wie schon öfters bei solchen Gelegenheiten, und dann war es das wieder und wir gehen zu unseren Tagesgeschäften über. Was sollen wir auch tun? Wie können wir dieses Leid, die Gewalt, das Morden, die Herrschaftssucht von führenden Personen der Weltgeschichte wirklich begrenzen? Als Mitglied des Menschenrechtsausschusses überfällt mich diese Ohnmacht immer wieder. Wir hören Sitzungswoche für Sitzungswoche vom Elend aus allen Teilen der Welt und wissen dann doch nicht so richtig, was wir machen können.

Herr Braun, ich möchte Ihnen und auch Herrn Mieruch entgegentreten. Es ist nicht so, dass die deutsche Regierung oder die deutschen Parlamentarier nichts getan hätten. Allein das Schreiben unseres Bundestagspräsidenten an den Sprecher des Parlaments macht deutlich, dass enge Beziehungen gewachsen waren, dass wir im Austausch standen. Es wurde erwähnt, dass die Bundeskanzlerin gleich zu Beginn der Präsidentschaft von Aung San Suu Kyi die Kontakte gesucht hat. In der Entwicklungszusammenarbeit haben wir zusammengearbeitet. Es ist einfach nicht wahr, wenn man das so sagt. Ich denke an die vielen Briefe und Kontakte, die wir als Menschenrechtler geknüpft haben.

Aber, Frau Dağdelen, wer kann denn wirklich ermessen, welche Drahtseilwanderung es ist, die die Präsidentin mit dieser Verfassung und den Erbschaften angetreten hat: mit einem hochgradigen Nationalismus im Land, mit einem Hass auf die Rohingyas? Wir kennen ja die Aktionen gegen Flüchtlinge, gegen Fremde in unserem Land. Diese Präsidentin, von der wir so beeindruckt waren, weil sie den Friedensnobelpreis bekommen hat, stand in der Kritik, weil sie versucht hat, auf diesem Drahtseil weiterzugehen. Das ist gerissen. Das ist gerissen, weil die Militärs es nicht mehr ertragen konnten, dass die Entwicklung vielleicht in eine demokratische Richtung geht, die sie so nicht wollen, vielleicht nicht nur, weil ihre Pfründe weniger werden, sondern weil sie auch dem alten Weltbild – und da sind wir ganz nah auch bei unserem Land – verhaftet sind und nicht verstehen, dass eine multikulturelle Gesellschaft wie Myanmar mit der Vielvölkersituation gerade ein Vorbild sein könnte, dass diese multikulturelle Situation die Zukunft der Welt ist. Anders können wir nicht friedlich und gerecht zusammenleben.

Ich würde mir wünschen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir Menschenrechtler in diesem Parlament eine stärkere Stimme bekommen. Ich empfinde uns immer als ein Anhängsel. Ja, wir tun etwas, vielleicht sind wir auch das Feigenblatt des Parlaments, vielleicht sind wir in Einzelfällen dann auch mal erfolgreich. Aber eigentlich müsste unsere Regierung mit uns intensiver zusammenarbeiten. Eigentlich müssten die anderen Ausschüsse intensiver mit uns zusammenarbeiten, sozusagen als Gütekontrolleur: ob das, was wir in unserer Politik und den einzelnen Bestrebungen machen, tatsächlich unseren menschenrechtlichen Vorstellungen entspricht. Denn im Abgleich zwischen wirtschaftlichen und diplomatischen Interessen erlebe ich immer wieder, dass menschenrechtliche Interessen ganz zurücktreten. Das will ich keinem vorwerfen; die sind ja auch wichtig. Aber wenn wir uns so schmücken und wenn wir eine solche Aktuelle Stunde haben, dann müsste uns das mehr beeindrucken und wir müssten sagen: Wir wollen uns dieser Selbstkontrolle auch unterwerfen. – Warum? Weil natürlich alle Menschen und vor allem die jungen Menschen in der Welt uns zum Vorbild nehmen. Sie wollen frei leben. Sie wollen wirtschaftlich erfolgreich leben. Sie wollen in einem allgemeinen Wohlstand leben, wie wir es tun. Und sie schauen, wie wir miteinander umgehen und woher unser Wohlstand und unsere Freiheit resultieren. Ich kann ihnen nur wünschen, dass das Wasser, von dem sie sprechen, überall hinrinnen wird, dass es auch die harten Strukturen und die harten Menschen erreichen und erweichen wird. Denn – ich will das mal ein bisschen relativieren – von Insidern höre ich, dass es gar nicht so eindeutig ist, dass zwar die Mehrheit, insbesondere junge Menschen, aufseiten der Präsidentin steht, aber es auch eine große Gruppe von Nationalisten und Menschen, die totalitären Regimen anhängen, gibt, die dem Militär sehr wohl die Stange halten und die jetzt als Bürgermilizen durch die Straßen gehen und die Bürger kontrollieren, die die Ermächtigung dazu haben, ihnen die Handys wegzunehmen, sie zu verhaften, sie in die Gefängnisse zu bringen. Im Land selber und nicht nur in der Generalität herrscht also eine Stimmung, die vielleicht sogar zum Bürgerkrieg führen könnte. Darauf müssen wir achten.

Was können wir tun? Neben dem, was hier schon gesagt wurde, will ich nur noch eins anmahnen. Ich habe es nämlich öfter erlebt, wie schwer es ist, ein Visum für Menschen, die auf der Flucht sind, zu bekommen. Einer meiner Vorredner – ich glaube, Herr Schwabe – hat das gesagt: Wir müssen diesen Menschen Asyl bieten, und zwar ohne große Schwierigkeiten. – Immer wieder erleben wir, wie schwer es ist, aus solchen Situationen heraus in Deutschland eine Zuflucht zu finden. Ich denke an die Botschaft in Prag, als sich die DDR aufgelöst hat. Wie viele Menschen wurden dort aufgenommen! So schlimm muss es nicht kommen. Aber ich habe bei meinen Reisen in Vietnam und auf die Philippinen auch erlebt, wie schwer sich unsere Botschaften tun, –

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege, auch der letzte Redner hat nur fünf Minuten. Letzter Satz, bitte.

 

Martin Patzelt (CDU/CSU):

– ja – hilfesuchenden Menschen auch konkret Hilfe zu geben. Das will ich nur mitgeben.

Und dann will ich noch – Herr Präsident, wenn Sie gestatten – das Patenschaftsprogramm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ erwähnen. Es ist immer schwer, Parlamentarier dafür zu finden. Wir haben viel mehr Parlamentarier, die Schutz suchen, als Kolleginnen und Kollegen, die ihnen helfen wollen.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)