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Jürgen Hardt: Wir fordern faire Präsidentschaftsneuwahlen

Redebeitrag zur Belarus-Politik

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Präsidentschaftswahl in Belarus am 9. August 2020 war dreist gefälscht. Die Belege dafür sind enorm. Am Ende hat es gar keine Vollauszählung der Stimmen mehr gegeben. Vermutlich hat das Regime darauf verzichtet, in den Wahllokalen auszählen zu lassen, in denen man die Ergebnisse vorher nicht entsprechend manipuliert hatte. Es gibt für mich keinen Zweifel daran, dass die Wahl gefälscht wurde. Deswegen ist es völlig folgerichtig, dass die Europäische Union Lukaschenko nicht als rechtmäßigen Präsidenten von Belarus anerkennt.

Die Proteste gegen diese Wahlfälschung wurden angeführt von mutigen Frauen, überwiegend den Ehefrauen der Präsidentschaftskandidaten, die Lukaschenko vorher aus dem Wahlprozess aussortiert hatte, die also entweder im Gefängnis saßen oder ins ausländische Exil vertrieben worden waren. Sie haben diesen Protest mutig angeführt. Wenn man die Bilder aus Minsk und anderen Städten Belarus’ betrachtet hatte, fühlte man sich erinnert, auch was die Größenordnung angeht, an die Proteste 1989 in der DDR.

(Beifall der Abg. Gisela Manderla [CDU/CSU])

Ausgangspunkt dieser Proteste war ja auch eine gefälschte Wahl, die gefälschte Kommunalwahl im Frühjahr 1989. 10 Prozent der Bevölkerung waren in Belarus in Hochzeiten auf der Straße. Das entspricht tatsächlich dem Format, das wir in der DDR erlebt haben.

Es hat in Belarus dann allerdings seitens der Führung einen massiven Einsatz von Gewalt, also Repressionen gegen die Demonstranten, gegeben. Wir fordern selbstverständlich, dass das aufhört. Wir fordern, dass das unterbleibt. Und wir fordern, dass diejenigen, die dafür verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden. Ich begrüße ausdrücklich, dass die Europäische Union sich nun dazu entschlossen hat – so wie das die Koalitionsfraktionen und die deutsche Bundesregierung gefordert haben –, dass auch Herr Lukaschenko von den Personensanktionen betroffen ist. Das ist ein kleiner, aber fühlbarer Nadelstich gegen diejenigen, die Verantwortung für die gewaltsame Niederschlagung dieser Proteste tragen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir fordern natürlich auch das Recht auf Rückkehr aus dem erzwungenen Exil für diejenigen, die sich in Belarus politisch in der Opposition betätigen wollen. Und wir fordern faire Präsidentschaftsneuwahlen.

In Belarus spekuliert die Regierung, spekuliert Lukaschenko natürlich im Augenblick darauf, dass das Wetter im Herbst schlechter wird, die Temperaturen sinken und dann an den Wochenenden nicht mehr so viele Menschen von der Opposition mobilisiert werden können, wie das bisher der Fall war. Sie geben vor, es müsse erst neue Gesetze und eine neue Verfassung geben, bevor man gegebenenfalls Neuwahlen durchführen könne. Ich sage ganz klipp und klar, auch nachdem ich mit Vertretern der Venedig-Kommission des Europarates und mit dem Chef der Venedig-Kommission persönlich darüber gesprochen habe: Es spricht nichts dagegen, dass auf Basis des geltenden Wahlrechts, aber unter transparenten demokratischen Rahmenbedingungen eine neue Präsidentschaftswahl durchgeführt wird.

Ich würde mir wünschen, dass dann auch eine dieser mutigen Frauen für die Opposition antritt. In den Gesprächen, die wir geführt haben, haben sie immer gesagt, dass natürlich ihre Männer das machen würden. Ich finde, darüber sollten sie in dem einen oder anderen Fall vielleicht noch mal nachdenken.

Ich glaube, dass die Bundesregierung gut daran tut, gemeinsam mit den anderen Partnern dafür zu sorgen, dass die OSZE kurzfristig in der Lage ist, mit qualifiziertem und geeignetem Personal eine solche Wahlbeobachtung in Belarus durchzuführen und für Transparenz bei dieser Wahl zu sorgen. Ich gehe davon aus, dass das der Fall ist; zumindest haben wir das entsprechend vorgetragen.

Das Zeitspiel von Lukaschenko, der glaubt, er könne die Proteste aussitzen, muss durchkreuzt werden. Deswegen ist es wichtig, dass wir heute hier im Deutschen Bundestag mit Unterstützung mindestens einer Oppositionsfraktion den Antrag hier beschließen, den Frau Hendricks im Einzelnen etwas detaillierter vorgestellt hat.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)