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Florian Hahn: Die Bundeswehr war 25 Jahre lang das Sparschwein der Nation

Rede zum Jahresbericht 2016/2017 des Wehrbeauftragten

Frau Präsidentin, das hätte ich selbst nie gewagt anzusprechen. Aber Sie haben schon recht. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zurück zur Debatte und zu der Diskussion, die wir hier führen. Sehr geehrter Herr Wehrbeauftragter Dr. Bartels, zu Beginn darf ich Ihnen und Ihren Mitarbeitern für Ihre beiden Jahresberichte und für Ihr Engagement für unsere Soldatinnen und Soldaten danken. Ihre Arbeit ist nicht nur für uns Parlamentarier wertvoll, um in die Truppe besser hineinhören zu können, sondern Sie sind vor allem auch als Anlaufstelle für unsere Bundeswehr sehr, sehr wichtig. In Ihren beiden Berichten verweisen Sie zu Recht auf zahlreiche eklatante Lücken und Mängel, vor allem bei Personal und bei Material. Die Mängel und die damit einhergehenden Beeinträchtigungen, vor allem im Heimatbetrieb und bei den Übungen, möchte niemand hier in unseren Reihen bestreiten. Der Rüstungsbericht sowie der Bericht zur Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme, die die Ministerin vorgelegt hat, stellen ebenfalls sehr transparent dar, wo dringend nachgesteuert werden muss. Lassen Sie mich dazu zwei Dinge sagen. Erstens geht es mir um die Verhältnismäßigkeit in der Diskussion um Ausstattungsmängel und zweitens um die Konsequenzen, die wir nun dringend ziehen müssen.

Zum ersten Punkt. Ich möchte nichts an der angespannten Lage bei der Bundeswehr schönreden. Die Bundeswehr war 25 Jahre lang das Sparschwein der Nation. Die Ausgaben für unsere Verteidigung lagen 1990 noch bei 2,4 Prozent des BIP. Heute sind es nur noch 1,2 Prozent. Wir bewegten uns sehr lange in einer friedlichen europäischen Nachbarschaft und haben dabei die Bündnis- und Landesverteidigung vernachlässigt und uns auf Auslandseinsätze konzentriert. Die dramatische politische Weltlage hat die Phase der Stabilität spätestens seit 2014 beendet; dazu kommt noch die gewachsene Verantwortung Deutschlands in der Welt. Wir haben bereits reagiert. Die Trendwenden sind eingeleitet. Trotzdem ist es mir sehr wichtig, an dieser Stelle zu betonen, dass die Bundeswehr keineswegs eine Schrotttruppe ist, wie es vor allem die AfD ganz gerne darstellt. Unsere Streitkräfte sind für ihre qualifizierte Arbeit bei unseren Partnern weltweit hoch angesehen, und man schadet dem Ansehen und dem Selbstbewusstsein der Truppe enorm, wenn man bestehende Mängel, die vor allem im Übungsbetrieb zu Hause in Deutschland existieren, dermaßen überzeichnet, dass die Menschen, vor allem die Familien der Soldaten, das Gefühl haben: Bei der Bundeswehr funktioniert nichts. – Das ist mitnichten der Fall, und es muss immer wieder deutlich gesagt werden: Unsere Soldatinnen und Soldaten sind für ihre zahlreichen laufenden Einsätze sehr gut ausgerüstet, können ihren Auftrag allumfassend erfüllen und leisten dabei glänzende Arbeit.

Ich komme zum zweiten Punkt, zu den Konsequenzen, die wir aus den Berichten des Wehrbeauftragten ziehen müssen. Es ist gut, dass wir gerade jetzt, kurz vor den Haushaltsberatungen, über die Ausstattung sprechen. Denn eines ist klar: Wenn die Trendwenden nicht finanziell gestützt werden, sind sie das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind. Wir müssen deshalb endlich Konsequenzen ziehen. Bei der Beschreibung der Lage und der Forderungen sind wir uns in der Koalition alle ja weitgehend einig: Die Welt ist aus den Fugen geraten. Deutschland muss und möchte mehr Verantwortung übernehmen und bemüht sich um einen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Man plant eine Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion. Die Bundeswehr soll laut gemeinsamem Koalitionsvertrag ein zuverlässiger Partner bei der weltweiten Krisenbewältigung sein. Das ist alles schön und gut. Dafür müssen wir aber auch bereit sein, Geld in die Hand zu nehmen, und zwar mehr Geld als bisher geplant.

Ich möchte mich deshalb an unseren Koalitionspartner SPD wenden: Nehmen Sie den Appell des Wehrbeauftragten ernst! Er kommt aus Ihren Reihen, und er hat recht: Es geht bei der Bundeswehr mitnichten um eine gefährliche Rüstungsspirale, wie es in Ihren sicherheitspolitischen Leitgedanken im Wahlkampf formuliert wurde, sondern es geht um unsere Bündnis- und unsere Verteidigungsfähigkeit.

Ich sage hier und jetzt: Wenn wir es nicht schaffen, überschüssige Finanzmittel im Haushalt für die Verteidigung und für die Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen, wie wir es gemeinsam festgelegt haben, platzt nicht nur ein Versprechen des Koalitionsvertrages, sondern es platzt auch die europäische Zusammenarbeit im militärischen Bereich. Das deutsch-französische Abkommen des letzten Jahres könnte dann nicht eingehalten werden. Außerdem müssten die deutsch-norwegische U‑Boot-Kooperation sowie die enge Zusammenarbeit mit den Niederlanden im Bereich der mobilen taktischen Kommunikation gekündigt werden.

Meine Damen und Herren, das wäre ein fatales Signal für Europa und würde unserer Glaubwürdigkeit enorm schaden. Die nächsten Wochen sind deshalb existenziell, nicht nur für unsere Bundeswehr, sondern auch für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und Europas. Lassen Sie uns unsere Bundeswehr, unsere Streitkräfte besser ausstatten!

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)