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Florian Hahn: Der Fall Nawalny ist kein deutsches Problem

Redebeitrag in der aktuellen Stunde zum Fall Nawalny

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich als Allererstes den Wünschen, die der Kollege Matschie im Namen des Hohen Hauses an die Familie Nawalny gerichtet hat, anschließen. Dieser Giftanschlag auf Nawalny war ein menschenverachtender und hinterhältiger Mordversuch. Er war aber vor allem auch eine fürchterliche Nachricht und Drohung an alle, die, ähnlich wie Nawalny, Kritik am politischen System Russlands äußern. Auch der Zeitpunkt, parallel zu den Ereignissen in Weißrussland, dürfte nicht ganz zufällig sein.

Untersuchungen von Spezialisten der Charité in Berlin und der Bundeswehr in München haben zweifelsfrei ergeben, dass es sich um eine Vergiftung mit einem chemischen Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe handelt. Das ist ein überstarkes Indiz dafür, dass russische staatliche Stellen hinter diesem Vorgang stehen; denn der gezielte und kontrollierte Umgang mit diesem russischen Kampfstoff auf russischem Boden erfordert besondere Infrastruktur, besonderes Wissen und besonderes Können. Die Vergiftung Nawalnys ist auch kein Einzelfall, sondern reiht sich in eine lange Liste, eine schreckliche Liste ähnlicher Vorfälle ein, die in dieser Debatte schon mehrfach genannt worden sind. Angesichts dessen finde ich es wirklich unerträglich, wie Vertreter der Partei Die Linke und der AfD auch in diesem Fall versuchen, die Rolle Russlands zu verharmlosen und zu relativieren. Die Kollegin Dağdelen hat nicht einmal davor zurückgeschreckt, den BND zu verdächtigen, etwas damit zu tun haben zu können.

(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Das stimmt so nicht, Herr Kollege! Das wissen Sie auch!)

– Ich habe die Sendung von Anne Will gesehen.

(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Ich habe sie auch gesehen!)

– Sie können sie in der Mediathek sehen. Ich kann nur dazu raten. Schauen Sie sich das an. Genau das war der Fall, gar keine Frage. – Und auch Herr Gysi hat in den Raum gestellt, dass hier ausländische Geheimdienste vermutlich die Finger im Spiel haben könnten. Das ist alles Tatsache.

Besonders krude fand ich den Kollegen Chrupalla heute, der nicht einmal davor zurückgeschreckt hat, an den Ergebnissen der Untersuchung der Bundeswehr zu zweifeln. Das ist wirklich eine Schande für Sie und Ihre Partei, Herr Kollege.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie machen sich mit dieser Vernebelungstaktik, bei der Sie wildeste Spekulationen und Verschwörungstheorien streuen, um vom Offensichtlichen abzulenken, zum Handlanger derer, die für diese Taten verantwortlich sind. Dafür sollten Sie sich schämen.

Man könnte sagen: Das Fass ist übergelaufen. Wir werden zum Handeln gezwungen und müssen eine angemessene Antwort finden. – Und das stimmt. Es kommt mir allerdings wie ein zu schneller, falscher Reflex vor, jetzt die sofortige Einstellung von Nord Stream 2 zu fordern, womit die Sache sozusagen erledigt wäre; Russland wäre bestraft, und nur so könne es vorangehen.

Die Forderung nach der Beendigung von Nord Stream 2 ruft jetzt natürlich vor allem diejenigen auf den Plan, die schon immer gegen das Projekt waren – allen voran die Grünen.

(Zuruf des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie wittern die Chance, dieses ungeliebte Projekt sozusagen auf den letzten Metern zu Fall zu bringen. Würde man das tun, würde dies letztlich nur einen Pyrrhussieg bedeuten. Der Schaden für Deutschland wäre immens. Dabei geht es um Fragen der Verlässlichkeit, dabei geht es um die Frage von Vertragstreue, und dabei geht es um immense Schäden für die europäische Wirtschaft und auch – denken wir an die Kosten für den Schadensersatz – für den deutschen Steuerzahler.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die CDU fordert es nicht!)

Im Übrigen überzeugt mich auch nicht die Annahme, dass der Stopp von Nord Stream 2 tatsächlich eine Verhaltensänderung Putins erzeugen würde. Das muss man mir erst mal erklären.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deine Rede wird es tun!)

Für mich ist entscheidend, dass der Fall Nawalny kein deutsches Problem ist, nur weil Deutschland in einem humanitären Akt die Behandlung des Patienten Nawalny in der Charité ermöglicht hat. Daraus ist kein deutsch-russisches Problem entstanden. Der Vorgang betrifft nicht Deutschland, sondern ist ein internationaler. Schließlich handelt es sich um einen Verstoß gegen das Verbot der Verwendung chemischer Kampfstoffe. Russland muss deshalb aufklären und sich gegenüber der Weltgemeinschaft erklären. Hier hat die Bundeskanzlerin meine volle Unterstützung.

Meine Schlussfolgerungen im Fall Nawalny sind daher zum heutigen Tage: Der Giftanschlag auf Nawalny ist ein klares Verbrechen. Die Indizien für eine Beteiligung russischer staatlicher Stellen sind überstark. Russland muss eine vollständige Sachaufklärung vorantreiben. Wir brauchen auf diesen Fall eine internationale, mindestens aber eine europäische Antwort. Mögliche Konsequenzen dürfen keine Schnellschüsse sein, sondern müssen europäisch abgesprochen, zielgenau und auch wirkungsvoll sein.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)