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Dr. Wolfgang Stefinger: Entwicklungszusammenarbeit bedeutet, dass wir auf Augenhöhe mit den Staaten agieren müssen

Rede zu Entwicklungshilfe bei unkooperativen Staaten

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister Müller! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In meiner letzten Rede, die ich zum Thema Entwicklungszusammenarbeit gehalten habe, habe ich erwähnt, wie viel ich schon gelernt habe. Um zu lernen, muss man aber auch lernen wollen.

Ein Thema ist, liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD: Entwicklungszusammenarbeit heißt nicht, dass wir Almosen verteilen, und vor allem auch nicht, dass wir nur anschaffen und bestimmen. Vielmehr bedeutet Entwicklungszusammenarbeit, dass wir auf Augenhöhe mit den Staaten agieren müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit einer Sanktionspolitik würden Sie den Schleppern und Schleusern helfen – Sie wollen ja helfen: Entwicklungshilfe –, noch mehr Geschäfte zu machen. Sie würden den Menschen vor Ort einen Bärendienst erweisen. Die Folge wären nicht weniger, sondern mehr Flüchtlinge, die sich auf den Weg machen.

Unser Ansatz ist ein anderer. Minister Müller war kürzlich in Tunesien. Er und wir als Union wollen dort Zukunftsperspektiven schaffen. Wir wollen Lebensper­spektiven in den Ländern schaffen.

Mit Tunesien haben wir einen Ausbildungspakt geschlossen. 75 000 Jobs sind dort bereits geschaffen worden, und rund 60 000 junge Menschen sind ausgebildet worden. Wir schaffen Strukturen zur Ausbildung und Beschäftigung in Tunesien. Sie haben in Ihrem Antrag Tunesien erwähnt. Tunesien ist ein Hoffnungsträger in Nordafrika. Die Demokratie- und Menschenrechtslage hat sich verbessert. Ja, es gibt Probleme bei der Wirtschaft. 36 Prozent der jungen Menschen sind arbeitslos. Deswegen müssen wir dieses Thema angehen. Denn die jungen Menschen brauchen Chancen, sie brauchen Perspektiven. Vor allem brauchen sie eine gute Zukunft.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unsere Entwicklungspolitik wird von dem Ansatz „Fördern und Fordern“ geleitet. Wir setzen auf Anreize. Wir wollen diejenigen belohnen, die bei guter Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung vorangehen.

Im Übrigen helfen hier insbesondere auch die politischen Stiftungen, die im Ausland tätig sind. Deren Gelder fürs Ausland wollen Sie ja streichen, wie Sie im Haushaltsausschuss immer wieder deutlich machen.

Für uns ist klar: Wer kooperiert, der profitiert auch.

(Fabian Jacobi [AfD]: Wer nicht kooperiert, auch!)

Seit 2017 gibt es Reformpartnerschaften mit Tunesien, Ghana und der Elfenbeinküste. Weitere Länder werden folgen.

Wir von der Union stehen klar für eine moderne und zukunftsgerichtete Entwicklungszusammenarbeit. Wir schaffen Zukunftsperspektiven in den Heimatländern. Wir stärken die Investitionssicherheit und wollen eine schlanke Bürokratie. Wir unterstützen unsere Wirtschaft, insbesondere auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die in Afrika investieren wollen. Wir stärken die berufliche Bildung, um gute Fachkräfte vor Ort zu haben. Wir setzen mit dem geplanten Gesetz Anreize für Investitionen in Entwicklungsländern. Wir setzen auf Armutsbekämpfung und Ernährungssicherung. Wir unterstützen den Aufbau von Versorgung mit erneuerbaren Energien. Wir unterstützen beim Klimaschutz. Das ist Zukunftspolitik, und das ist vor allem eine moderne Entwicklungspolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ja, liebe Kollegen, wir können auch beachtliche Erfolge vorweisen. 1980 lebten 40 Prozent der Weltbevölkerung in absoluter Armut. Heute liegt dieser Anteil bei rund 10 Prozent. 1950 konnten zwei Drittel der Menschen weder lesen noch schreiben. Heute sind wir bei weniger als 15 Prozent. Auch in der Gesundheit haben wir viele Erfolge erzielt. Ich erinnere an die Bekämpfung von Malaria, Flussblindheit oder Pocken. Hier haben wir sehr viel erreicht und werden weiter viel erreichen.

Wir stehen auch für schnelle Hilfe zur Verfügung. Im Irak konnten innerhalb von wenigen Wochen für über 600 000 Kinder Schulen und eine Trinkwasserversorgung für über 2 Millionen Menschen aufgebaut werden. Ja, liebe Kollegen von der AfD, natürlich müssen die betreffenden Staaten auch etwas tun. Sie müssen sich mehr anstrengen und kooperieren. Das fordern wir auch ein. Aber wir werden den Menschen vor Ort nicht das Wasser abdrehen, wie Sie das wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)