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Dr. Reinhard Brandl: Die Bundeswehr braucht jetzt die Planungssicherheit über die nächsten Jahre hinweg

Rede des Bereiches Verteidigung zum Haushaltsgesetz 2019

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn heutzutage über den Zustand der Bundeswehr gesprochen wird, dann wird oft gesagt: Schuld ist der Sparkurs der letzten 25 Jahre. Das stimmt.

Das Problem ist nur: Wir lernen nicht in allen Bereichen daraus. Ich mache mir keine Sorgen um die Bundeswehr im Jahr 2019. Ich mache mir auch keine Sorgen um die Bundeswehr im Jahr 2020 oder 2021. Der Haushalt, der heute hier vorgelegt wird, stimmt. Die Trendwenden, die Ministerin von der Leyen auf den Weg gebracht hat, wirken. Die Bundeswehr wird von Tag zu Tag attraktiver, und die Materiallage wird besser.

Wenn ich zum Beispiel das Kapitel Materialerhaltung im Haushalt betrachte, stelle ich fest, dass wir dafür im nächsten Jahr über 4 Milliarden Euro vorsehen. Bis 2015 – Henning Otte und ich haben das oft bemängelt – waren wir noch bei einem Niveau von etwa 2 Milliarden Euro. Wir stellen fest: Es funktioniert; es läuft.

Meine Damen und Herren, Sorgen mache ich mir um die Bundeswehr im Jahr 2025 und in den darauffolgenden Jahren; denn wenn wir dann noch eine Truppe haben wollen, die unser Land verteidigen kann, dann müssten wir jetzt zu einem echten technologischen Sprung ansetzen, wie wir ihn zum letzten Mal in den 1970er- und 1980er-Jahren gemacht haben und von dem wir heute noch zehren.

Heute ist schon der Transporthubschrauber CH-53 angesprochen worden. Er fliegt in Afghanistan jeden Tag. Der Hubschrauber wurde 1972 in die Bundeswehr eingeführt, vor 46 Jahren. Heute ist auch der Tornado angesprochen worden. Der Tornado kam 1981 zur Bundeswehr, vor 37 Jahren. Das Patriot-Raketenabwehrsystem ist heute noch nicht angesprochen worden, ist aber auch wichtig. Es wurde 1989 in die Bundeswehr eingeführt, vor 29 Jahren. Es schützt uns gegen Raketen der 1990er- und 2000er-Jahre, aber in der Zwischenzeit nicht mehr vor modernen Langstreckenraketen, die ja genau dafür entwickelt worden sind, diese Systeme zu überwinden.

Wissen Sie, was all diese Projekte gemeinsam haben, auch mit dem Thema Mehrzweckkampfschiff? Ich könnte das weiterführen. Alle diese Projekte haben gemeinsam, dass sie im Haushalt zwar vorhanden sind, aber nicht finanziert sind. Das heißt: Das Ministerium kann alle diese Projekte nicht starten. Das heißt jetzt nicht, dass keines der Projekte jemals kommen wird. Wahrscheinlich werden wir das eine oder andere auch auf den Weg bringen können. Aber wenn sich die Bundeswehr heute entscheidet, die neuen Mehrzweckkampfschiffe, die sie für die Marine dringend braucht, zu beschaffen, bedeutet das automatisch, dass viele andere Systeme hinten runterfallen. Das ist kein Problem für das Jahr 2019. Das wird aber ein großes Problem in 10 oder 20 Jahren werden.

Meine Damen und Herren, um das zu ändern, müssen wir, muss die Bundesregierung endlich den Widerspruch auflösen, in dem wir seit Jahren und auch in diesem Jahr leben. Der Widerspruch besteht darin, dass im Juli auf einen NATO-Gipfel die Bundeskanzlerin im Namen der Bundesregierung, abgestimmt mit allen Bundesministern, erklärt hat, dass im Jahr 2024 von Deutschland 1,5 Prozent des BIP für Verteidigungsausgaben erbracht werden, und im gleichen Monat der Bundesfinanzminister, auch Teil der Bundesregierung, einen Haushalt vorgelegt hat, der vorsieht, dass im Jahr 2022 die Ausgaben für Verteidigung auf 1,23 Prozent des BIP absinken, also genau die andere Richtung.

Meine Damen und Herren, dass die Mittel im Verteidigungshaushalt dann absinken werden, glaube ich noch nicht einmal. Das ist unrealistisch. Aber wissen Sie, was passieren wird? Es wird Folgendes passieren, wenn jetzt nichts geändert wird und wenn wir so weitermachen wie bisher: Im Jahr 2021 wird der Titel für 2022 erhöht. Dann hat die Bundeswehr 2022 genügend Geld zur Verfügung. Das Problem ist: Sie kann im Jahr 2019 keine neuen Projekte starten. Das heißt, die Bundeswehr braucht jetzt die Planungssicherheit über die nächsten Jahre hinweg. Wir haben gestern den Bundesfinanzminister gehört. Da war ich ganz positiv überrascht, weil er nämlich gesagt hat, er sieht die Notwendigkeit, dass wir für die Bundeswehr auch in Zukunft mehr Geld zur Verfügung stellen. Ich bitte, ihm auszurichten – seine Staatssekretärin sitzt heute hier –: Wir nehmen ihn beim Wort.

Wir glauben jetzt einmal nicht Carsten Schneider, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion, der heute wieder genau in die andere Richtung gerudert ist, sondern wir glauben der Bundesregierung, dass wir wenigstens die 1,5 Prozent – die nicht 2 Prozent sind; das ist ja noch einmal eine andere Debatte –, die Sie im Juli zugesagt haben, in den nächsten Jahren planbar auf die Spur bringen. Denn die Bundeswehr braucht eine langfristige Planungssicherheit, und eine genauso langfristige Planungssicherheit braucht die wehrtechnische Industrie in Deutschland. Heute, habe ich gesehen, sind auch einige Arbeitnehmer der wehrtechnischen Industrie mit in diesem Raum und verfolgen die Debatte. Meine Damen und Herren, wenn wir heute den Menschen keine Sicherheit geben, wenn wir ihnen nicht sagen, dass es weitergeht, wenn uns dann in fünf Jahren einfällt, dass wir plötzlich Material brauchen, aber dann keinen mehr haben, der es produziert, und wir es im Ausland kaufen müssen, dann ist unserer Souveränität auch nicht gedient.

In diesem Sinne, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Lassen Sie uns daran arbeiten. Ich will im Jahr 2025 hier keine Debatte hören, wo der Zustand der Bundeswehr beklagt wird und wo die Schuld dann auf die Politiker im Jahr 2018 geschoben wird. Um das zu ändern, haben wir nicht mehr viel Zeit, aber wir sollten sie nutzen. Es werden entscheidende Wochen für die Bundeswehr werden.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und freue mich auf die Zusammenarbeit.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)