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Dr. Christoph Ploß: Wir müssen unsere europäischen Grundwerte auch nach innen verteidigen

Rede zur Europäischen Grundwerteinitiative

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei dieser Debatte, aber auch bei vielen anderen europapolitischen Debatten hier im Deutschen Bundestag ist eines ganz deutlich geworden, nämlich dass wir bei den großen Themen noch stärker auf europäischer Ebene zusammenarbeiten und kooperieren müssen. Da kann man zum Beispiel die Klimaschutzpolitik, die Außen- und Sicherheitspolitik und die Entwicklungspolitik nennen. Wir haben europäische Grundwerte, mit denen wir uns auch in weltpolitisch relevante Debatten einbringen müssen, wenn wir das Ganze nicht autoritären Regimen überlassen wollen. Aber natürlich müssen wir auch innerhalb Europas unsere Debatten auf der Grundlage wichtiger Grundwerte führen.

Meine Damen und Herren, wenn man es sich auch geschichtlich anschaut, sieht man, dass die Europäische Union und ein geeintes Europa eine einzigartige Erfolgsgeschichte sind: Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Toleranz, die Menschenwürde in den Mittelpunkt zu rücken, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, diese Werte haben über Kommunismus und Nationssozialismus triumphiert und dafür gesorgt, dass wir in Freiheit leben können und überall in Europa mehr oder weniger Staaten haben, die in Wohlstand leben können und prosperierende Perspektiven haben.

Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir diese europäischen Grundwerte weiter stärken. Hätten wir uns hier vor 10, 15 Jahren in einer Debatte getroffen, dann hätten wir wahrscheinlich alle gesagt: Wir müssen diese europäischen Grundwerte vor allem nach außen verteidigen, gegen autoritäre oder diktatorische Staaten wie China, wie Russland oder vielleicht andere Staaten in dieser Welt.

Aber das Ganze hat sich mittlerweile geändert. Es ist nach wie vor wichtig, dass wir unsere Werte nach außen verteidigen, vielleicht wichtiger denn je. Aber eines haben viele Debatten – sogar hier im Deutschen Bundestag – deutlich gemacht: Wir müssen unsere europäischen Grundwerte auch nach innen verteidigen. Das kann man hier an einigen Debatten sehen. Wir haben Vertreter der Linkspartei, die mit dem Diktator in Venezuela flirten und diesen auch noch unterstützen wollen und das auf ihren Parteitagen auch offen zeigen.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Das sagt ausgerechnet ein CDUler! Sie haben sich mit so vielen Diktatoren getroffen; das kann man gar nicht mehr zählen! – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Mit Orban seid ihr doch in einer Partei!)

Wir haben Vertreter der AfD, die die russischen Völkerrechtsbrüche gutheißen und die sich teilweise mit Vertretern Assads treffen. All das kann niemand tolerieren, der eine Politik basierend auf europäischen Grundwerten möchte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jan Korte [DIE LINKE]: Mit dem Scheißapartheidregime haben Sie paktiert! So sieht es doch aus! Pinochet und andere, alles Ihre Kumpel gewesen!)

Meine Damen und Herren, deswegen wird es so wichtig sein, dass auch vom Deutschen Bundestag Initiativen ergriffen werden.

Aber wenn man sich in Europa umschaut, sieht man, dass es da teilweise noch viel gravierender ist. Vor allem auf Polen und Ungarn wurde in dieser Debatte verwiesen. Da wird teilweise die Gerichtsbarkeit ausgehöhlt, und demokratische Grundsätze scheinen nicht mehr zu gelten. In Ungarn wird das Parlament faktisch entmachtet. All das können wir nicht hinnehmen, wenn wir in Zukunft ein starkes Europa haben wollen, und vor allem nicht, wenn wir unsere europäischen Werte – Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, soziale Marktwirtschaft – auch in andere Teile der Welt exportieren wollen. Meine Damen und Herren, deswegen bin ich den Kollegen von FDP und Grünen auch durchaus dankbar dafür, dass sie mit ihren Initiativen das Thema hier auf die Tagesordnung gesetzt haben.

Einige Punkte, die Sie benennen, sind auch richtig. Sie werden uns als CDU/CSU-Fraktion immer an Ihrer Seite haben, wenn es um den Einsatz für Pressefreiheit, für Meinungsfreiheit, für Toleranz usw. geht. Aber wir werden am Ende Ungarn, Polen oder andere Staaten, die demokratische Prinzipien aushöhlen wollen, nicht dazu bringen, wenn wir darauf setzen, zum Beispiel die Verträge zu ändern oder Einstimmigkeit festzuschreiben, wie Sie das in Ihren Anträgen teilweise vorschlagen;

(Andrej Hunko [DIE LINKE]: Schmeißt doch endlich Viktor Orban raus!)

denn diese Staaten werden dem – das liegt ja fast in der Natur der Sache – nicht zustimmen.

Deswegen sage ich: Das Ganze mag schön und gut klingen, wenn zum Beispiel die Grünen vorschlagen, NGOs und internationale Organisationen zu stärken und darüber auch die Pressefreiheit zu fördern, aber da stellt sich die Frage: Nach welchen Kriterien sollen diese internationalen Organisationen denn unterstützt werden? All das ist vage und offen und kann schnell missbraucht werden.

Deshalb ist folgender Ansatz viel besser: Nachdem der mehrjährige Finanzrahmen verabschiedet worden ist – hoffentlich so schnell wie möglich – und der EU-Haushalt steht, ist die Vergabe der Mittel an rechtsstaatliche Kriterien zu knüpfen und die entsprechende Überprüfung ist über das Mehrheitsprinzip, zum Beispiel im Rat, zu ermöglichen. Dafür brauchen wir nicht die Einstimmigkeit. Das ist ein Ansatz, der im besten Sinne des Wortes Druck auf Länder wie Polen und Ungarn ausübt. Diesen Weg sollten wir gehen. Diesen Weg haben auch schon viele Vertreter der CDU/CSU vorgeschlagen. Das werden wir im Jahr der deutschen EU-Ratspräsidentschaft noch weiter forcieren; denn die Europäische Union ist als Rechtsgemeinschaft gegründet worden – das soll sie auch bleiben – und nicht als Selbstbedienungsladen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)