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Annegret Kramp-Karrenbauer: Wir müssen den Kampf gegen den IS fortsetzen

Rede zum Einsatz der Bundeswehr im Irak

Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesministerin der Verteidigung:

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst einmal darf ich mich herzlich dafür bedanken, dass eben in der Debatte zu Afghanistan auch an das Karfreitagsgefecht erinnert worden ist und an diejenigen, die dort gefallen bzw. verletzt worden sind. Das ist eine wichtige Erinnerung; denn sie ermahnt uns, dass jeder Einsatz, über den wir hier reden, jeder Einsatz, über den Sie entscheiden, egal wo er stattfindet, immer auch ein gefährlicher Einsatz ist, einer, der unsere Soldatinnen und Soldaten Leib und Leben kosten kann. Deswegen ist es gut, dass wir uns der Namen erinnern und dass wir uns daran erinnern, dass wir bei allen Entscheidungen, die wir treffen, vorsichtig sein müssen.

Was diese Soldatinnen und Soldaten allerdings nicht verdient haben, verehrte Kollegen der AfD, ist, dass ihre Namen für billige politische Zwecke im eigenen Interesse missbraucht werden. Das weise ich im Namen der Bundeswehr strikt zurück.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir reden heute über die Fortsetzung unseres Mandates für den Counter-Daesh-Einsatz im Kampf gegen den Terror des IS im Irak. Wir sehen im Moment, dass die Lage im Irak, in der gesamten Region unsicher ist. Dazu tragen nicht nur die schreckliche Entwicklung in Syrien, die Kämpfe um Idlib und die damit verbundene humanitäre Katastrophe bei; dazu tragen auch die Spannungen zwischen Iran und anderen Mächten bei. Dazu trägt die Situation im Irak bei, die von einer hohen politischen Unsicherheit geprägt ist. Gerade vorgestern – das konnten Sie verfolgen – ist das Camp Taji mit über 30 Raketen beschossen worden: 3 Menschen sind getötet, 14 sind verletzt worden. Zum Glück ist unseren Soldatinnen und Soldaten nichts passiert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, eines ist auch ganz klar – das sehen wir in der gesamten Region, das sehen wir im Sahel, in Syrien, das sehen wir aber auch im Irak –: Die unsichere Lage in der Region nützt vor allen Dingen einem, und das ist der „Islamische Staat“. Durch die Anstrengungen der internationalen Koalition konnte er bisher weitgehend zurückgedrängt werden; aber er ist noch nicht geschlagen. Der Terror existiert weiter.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Reden Sie doch mal mit der Türkei darüber!)

Wir haben Belege dafür, dass mit einem nachlassenden Überwachungsdruck die Anzahl von terroristischen Anschlägen steigt; deswegen müssen wir den Kampf gegen den IS auch fortsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD] – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Reden Sie mit Erdogan darüber!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Terror ist nicht nur eine Geißel für die Menschen in der Region – im Übrigen für alle Menschen in der Region, vollkommen egal, ob sie Schiiten, Sunniten, Jesiden oder Christen sind oder sonst einer Religionsgemeinschaft angehören –: Dieser Terror ist eine Geißel und eine Bedrohung für uns in Europa. Wir haben ihn in unseren Hauptstädten, auch hier in Berlin, erlebt, und wir wollen ihn hier nicht wieder haben. Deswegen müssen wir ihn dort bekämpfen, wo er entsteht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dazu arbeiten wir zusammen mit unseren Partnern in der internationalen Koalition. Ich habe zusammen mit meinem amerikanischen Kollegen Mark Esper vor wenigen Wochen am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz die Mitglieder der sogenannten Core Group an einen Tisch gebracht, um zu überlegen, wie wir den Kampf fortsetzen können, auch im Hinblick auf die gegenwärtigen politischen Diskussionen im Irak.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Welche? Wovon reden Sie?)

Wir waren uns alle einig, und einig sind wir uns auch mit der irakischen Regierung: Der Kampf gegen den IS muss fortgesetzt werden, und zwar mit internationaler Hilfe.

Diesem Zweck dient das vorgelegte Mandat, das gegenüber dem bisherigen einige Veränderungen und Ergänzungen vornimmt. Unverändert bleiben die Laufzeit des Mandats bis zum 31. Oktober 2020 und die personelle Obergrenze von 700. Aber wir nehmen eine Anpassung an die aktuelle Lage vor, die vier wesentliche Punkte umfasst.

Erstens beenden wir noch im März, wie dies von diesem Hohen Haus gefordert worden ist, unseren Beitrag zur Aufklärung aus der Luft. Seit 2015 unterstützen wir die Koalition gegen den IS vor allem mit unseren Tornados. Fast 2 500 Aufklärungsflüge hat unsere Luftwaffe geleistet. Das war ein wichtiger Beitrag zum Erfolg, ein Beitrag, der immer noch unverzichtbar ist und von dem ich persönlich sage, dass ich es bedaure, dass wir ihn nicht weiter leisten können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber ich habe zugesagt, dass wir uns darum bemühen, einen möglichst bruchfreien Ersatz zu finden. Und ich bin froh, dass wir mit Italien einen Verbündeten gefunden haben, der in Aussicht gestellt hat – das ist auf der militärischen Ebene und auf der Ebene des Verteidigungsressorts geeinigt –, diese Aufgabe zu übernehmen. Das wird jedoch nicht bruchlos mit unserem Abzug beginnen können; denn die Italiener müssen mit diesen Mandaten durch das Kabinett und durch das Parlament. Und wir alle haben mit Blick auf die Coronasituation sicherlich Verständnis dafür, dass dies möglicherweise noch etwas dauern kann.

Deswegen ist aber der zweite Punkt wichtig, nämlich dass wir die Luftbetankung fortsetzen. Damit helfen wir allen beteiligten Verbündeten, den Druck auf den IS weiter hochzuhalten; denn ohne Betankung in der Luft können die Aufklärungsflüge nicht stattfinden.

Dazu werden wir, drittens, der Anti-IS-Koalition im Irak ein mobiles Radargerät zur Verfügung stellen, das ein besseres Luftlagebild verschafft und so die Sicherheit im irakischen Luftraum erhöht, im Übrigen ein Asset, um das wir schon seit einiger Zeit gebeten worden sind. Ich bin froh, dass wir es in das neue Mandat aufnehmen können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD])

Viertens engagieren wir uns beim Lufttransport der Verbündeten und Partner. Wir helfen beim Transport hinein und hinaus und auch innerhalb des Landes. Das ist nicht nur zur logistischen Unterstützung der Ausbildung, die wir leisten, wichtig. Es ist auch wichtig als Fähigkeit zur möglichen Rettung und Evakuierung unserer eigenen Kräfte. Wie notwendig das manchmal sein kann, haben wir Anfang Januar bei den Raketenangriffen auf Erbil gesehen.

In diesem Sinne, meine sehr geehrten Damen und Herren, wollen wir die Zahl von fast 20 000 Sicherheitskräften, die wir im Irak bisher ausgebildet haben, weiter erhöhen, wollen wir Fähigkeiten aufbauen,

(Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])

die die irakische Armee und wir in Erbil und in Bagdad brauchen, damit auch mit selbsttragenden Strukturen in einer guten internationalen Kooperation die Geißel der Menschheit bekämpft werden kann, die für uns alle eine Bedrohung ist, und das ist Terror, das ist insbesondere der Terror des „Islamischen Staates“.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Annegret Kramp-Karrenbauer