Skip to main content

Andrea Lindholz: "Ein unkontrollierter Zustrom nach Europa oder nach Deutschland wird von uns nicht akzeptiert"

Rede in der Aktuelle Stunde | Die Eskalation in Idlib und die Folgen für Europa

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die drängendste Aufgabe für Europa liegt heute nicht an der griechischen, sondern an der syrisch-türkischen Grenze. Dort warten fast 1 Million Menschen auf Hilfe. Diese Menschen aus Idlib sind tatsächlich auf der Flucht, während die große Mehrheit der Migranten an der griechisch-türkischen Grenze laut der Mitteilung des UNHCR nicht aus Syrien stammt.

Die Kriegsverbrechen in Idlib schreien zum Himmel. Das Assad-Regime und das russische Militär bombardieren gezielt Krankenhäuser, Schulen, Wohnhäuser und Märkte. Die Vertreibung der Zivilbevölkerung ist seit Jahren Teil der widerwärtigen Strategie von Assad.

Trotz dieser unsäglichen Verbrechen waren erst im letzten November erneut Vertreter der AfD-Fraktion dieses Hauses beim Schächter Assad zu Besuch. Sie hofieren einen Diktator, der Menschen zu Tode foltern lässt,

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: So ist es! – Frank Schwabe [SPD]: Und machen einen Propagandafilm!)

der seine eigene Bevölkerung, ja sogar Kinder, mit Giftgas ermordet. Das ist eine Schande für Deutschland.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das erklärt vielleicht auch, warum sich Frau von Storch heute nicht auf Idlib konzentriert hat, sondern sich stattdessen wie üblich an Frau Merkel abarbeitet.

(Frank Pasemann [AfD]: Eine Schande ist Ihre Unwissenheit!)

Das ist eine Schande für Deutschland.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber auch die Linken verhalten sich scheinheilig. Ich will gar nicht auf die Rede von Ulla Jelpke von heute eingehen. Ich will einfach nur einen Blick in das Jahr 2018 zurückwerfen. Als die USA nach einem solchen Giftgasangriff von Assad zurückschlugen und militärische Ziele des Regimes zerstörten, demonstrierte die linke Parteispitze dagegen vor dem Brandenburger Tor. Über die russischen Bomben, über die Kriegsverbrechen an Kindern, Frauen und Alten in Syrien schweigt Die Linke seit Jahren.

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Stimmt nicht! Es stimmt halt nicht!)

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ideologisch verbohrte Scheinheiligkeit. Auch die Debatte heute hat gezeigt, warum es für uns als Union keine Zusammenarbeit mit der Linken geben kann.

(Beifall bei der CDU/CSU – Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Das ist eine dauerhafte Lüge!)

Die Situation an der syrisch-türkischen Grenze hat auch unmittelbare Auswirkungen auf die Situation an der türkisch-griechischen Grenze. Wir brauchen für beides, für Syrien und für den Schutz unserer Außengrenzen, europäische Antworten. Unser Fokus in der Flüchtlingspolitik muss zunächst immer auf der Hilfe vor Ort liegen. Wir müssen zunächst immer dort Lösungen suchen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Aufnahmekontingente können immer nur ein Teil einer Lösung sein. Wir ändern damit keine Fluchtursachen. Wir werden damit auch unserer humanitären Verantwortung nicht vollumfänglich gerecht. Es kann nicht sein, dass wir uns nur auf die konzentrieren, die es bis zur griechischen Insel schaffen. Unsere völkerrechtliche Schutzverantwortung geht weit darüber hinaus. Sie reicht in die Krisenregionen. Wir brauchen in Syrien eine sichere Zone für die Menschen, sie brauchen dort Hilfe und Unterstützung.

Für uns und für Europa müssen wir zeigen – ich will das ganz klar sagen –, dass wir jetzt in der Lage sind, an der türkisch-griechischen Grenze für Ordnung zu sorgen, und zwar gemeinsam mit einem europäischen Konzept. Wir müssen die Griechen auch mit Personal, mit Material und mit Mitteln unterstützen. Einseitige Signale von uns, wie zum Beispiel erst einmal die Flüchtlingsunterkünfte aufzumachen, halten wir für das falsche Signal.

Ich will Ihnen heute auch eines sagen, gerichtet an die Koalition, aber auch an die Grünen und die FDP: Ich glaube, wir sind uns in manchen Punkten einig. Wir sind uns einig, dass wir keinen unkontrollierten Zustrom mehr nach Deutschland wollen. Sie haben vorhin selber den Zwischenruf gemacht. Ich glaube – die Damen und Herren der AfD von der rechten Seite haben auch heute mit Herrn Gauland schon wieder versucht, Befürchtungen und Ängste in der Bevölkerung wachzurufen –, wir können bei den Punkten, bei denen wir uns einig sind, eine gemeinsame Sprache finden. Ich bin mir sicher: Wenn es uns gelingt, zu zeigen, dass unsere Außengrenzen geschützt werden können, dann können wir auch der Türkei etwas entgegensetzen. Aber wir werden auch das EU-Türkei-Abkommen brauchen. Ohne die Türkei, bei allen Differenzen, werden wir die Situation nicht lösen.

(Sören Bartol [SPD]: Man muss auch anerkennen, was die Türkei leistet!)

– Die Leistung der Türkei muss man auch einmal anerkennen, absolut richtig. – Aber wir müssen für unser Land klar formulieren: Wir haben versprochen: Ein unkontrollierter Zustrom nach Europa oder nach Deutschland wird von uns nicht akzeptiert. Wir müssen damit auch sagen: Wir sind bereit, dafür an der Außengrenze alles zu tun. Und wenn sich jemand nicht daran halten würde, würden wir sogar an der Binnengrenze etwas tun, was niemand will, weil wir den Schengen-Raum nicht gefährden wollen. Aber wenn wir nicht anfangen, uns in den Punkten, in denen wir uns einig sind, zu einer gemeinsamen Sprache durchzuringen, machen wir nur eines: Wir schaffen es weiterhin, dass die Kolleginnen und Kollegen der AfD mit ihren Ängsten in ihren Reden die Menschen verunsichern. Gehen sie nur einmal auf meine Facebook-Seite. Ich habe mich zu dem Anschlag in Hanau geäußert. Schauen Sie bitte, welchen Shitstorm ein AfD-Mitglied auf meiner Seite verursacht hat. Wir müssen diesem Hass und dieser Hetze etwas entgegensetzen. Deswegen ist es heute mein Appell an die demokratischen Parteien: Lassen Sie uns bitte in dieser schwierigen Situation eine gemeinsame Sprache sprechen, um diesem Hass etwas entgegenzusetzen und um für die Menschen in Griechenland, aber auch in Syrien langfristig, mittelfristig und kurzfristig etwas zu tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)