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Ansgar Heveling: "Rechtsverordnungen sind auch im Wahlrecht zulässig"

Rede zur COVID-19-Wahlbewerberaufstellungsverordnung

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Ouvertüre gestern von Herrn Brandner und den Beiträgen der AfD im Innenausschuss war ja auch damit zu rechnen, dass wir heute wieder von der AfD die Mär von der Abschaffung der Demokratie auf dem Verordnungswege zu hören bekommen. Unsere Erwartungen sollten nicht enttäuscht werden, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Räuberpistole werden wir der AfD auch heute wieder nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Von daher gilt es, einige Punkte ganz in Ruhe klarzustellen – gerne auch zum Mitschreiben für die AfD; schaden tut es sicherlich nicht –:

Erstens. Es lohnt sich immer, ins Grundgesetz zu schauen. Es reicht nicht, es sich nur plakativ aufs Pult zu stellen. Dort normiert Artikel 80, was Rechtsverordnungen sind und wie sie zustande kommen dürfen. Rechtsverordnungen sind also mitnichten die Erfindung irgendwelcher finsterer Gesellen im Bundesinnenministerium zur Ausschaltung der Demokratie. Sie sind ein probates Mittel der Rechtsnormgestaltung. Und ich wage sogar die Behauptung: Ohne sie würde unser parlamentarisch-republikanisches Regierungssystem nicht wirklich funktionieren. In Artikel 80 steht auch nichts davon, dass das Wahlrecht von Verordnungen per se ausgeschlossen sei.

Alles das lernt der Jurist im Übrigen im ersten Semester des Studiums bei der Vorlesung „Staatsorganisationsrecht“. Es ist also kein Geheimnis. Aber vielleicht waren die AfDler im ersten Semester ja nicht so fleißig.

(Zuruf von der SPD: Die waren doch nie da!)

Halten wir also fest: Verfassungswidrig ist hier gar nichts. Rechtsverordnungen sind auch im Wahlrecht zulässig und kommen – das ist mein zweiter Punkt – schon lange zum Einsatz. Wenn Sie Wahlhelfer bei der Bundestagswahl sind – gut, das setzt voraus, in einem Mindestmaß etwas für unsere parlamentarische Demokratie übrigzuhaben –, erhalten Sie eine dicke Mappe mit Papier. Die ist viel dicker als das Bundeswahlgesetz. Sie enthält nämlich die Bundeswahlordnung.

Beinahe unser gesamtes Wahlprozedere ist jetzt schon durch Verordnung geregelt, und das nicht erst seit heute. Seit dem 21. Mai 1957 gibt es entsprechende Verordnungen des Bundesinnenministers. Erlassen wird die Bundeswahlordnung im Übrigen alleine vom Minister, ohne Beteiligung des Parlaments. Wesentliche Teile unseres parlamentarisch-demokratischen Wahlprozederes werden also seit über 60 Jahren im Verordnungswege geregelt. – Gut, für Reichsbürger ist das vielleicht der Beweis, dass alle Wahlen seit der dritten Bundestagswahl verfassungswidrig waren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Eine andere Frage ist im Übrigen – das möchte ich ganz deutlich mit Blick auf die anderen Fraktionen sagen –, ob man es für besser hält, die Punkte der Rechtsverordnung gesetzlich zu regeln. Das ist eine Abwägungsfrage, und wir als Koalition sind zu der Auffassung gekommen, dass eine Rechtsverordnung mehr Flexibilität bietet. Gleichwohl darf ich mich herzlich bedanken, dass sich die Fraktionen in die Diskussion eingebracht haben. Die Parteien brauchen dringend Regelungen, und zwar die unterschiedlichsten.

Das alles dient dem Ziel, dass die Bundestagswahl am 26. September, die nicht verschoben werden kann, ordnungsgemäß und wie gewohnt, vor allem aber mit einer Vielfalt von Kandidatinnen und Kandidaten sowie von Parteien durchgeführt werden kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)