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Alexander Radwan: Der Stabilitäts- und Wachstumspakt muss praktikabel gemacht und von den ganzen Ausnahmen entrümpelt werden

Redebeitrag zur EZB-Politik

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben einen Antrag der AfD vorliegen, der von den Vorrednern schon entsprechend bewertet wurde. Ich glaube, es ist nicht notwendig, noch weiter darauf einzugehen. Eigentlich bräuchten wir für diesen Antrag gar keine Debatte.

(Stephan Brandner [AfD]: Danke für die Rede! Tschüss!)

Ich halte die Debatte zum jetzigen Zeitpunkt trotzdem für richtig. Die Kollegin Paus hat es kurz erwähnt: Wir haben in dieser Woche in diesem Haus zum ersten Mal einen monetären Dialog geführt, und zwar mit dem Bundesbankpräsidenten Weidmann. Dieser Dialog wird nun institutionalisiert und soll fortgeführt werden.

Was in dem Antrag der AfD – nicht überraschend – komplett fehlt, ist eine Ausrichtung auf die Zukunft. Lösungsansätze sind sowieso keine enthalten. Dieser monetäre Dialog, den wir mit der Bundesbank und indirekt und direkt auch mit der Europäischen Zentralbank führen, bedarf einiger Vorgaben und Formulierungen von unserer Seite. Die Europäische Zentralbank und die internationalen Zentralbanken haben die gesamte Politik der letzten Jahre zur Prüfung ausgeschrieben. Dabei soll kritisch hinterfragt werden, ob die Politik der letzten Jahre richtig war oder ob nachjustiert werden muss.

Ich möchte schon jetzt ein paar Punkte nennen, bei denen ich erwarte, dass wir zukünftig im Dialog mit dem Bundesbankpräsidenten Weidmann einiges dazu erfahren werden:

Erstens. Was sind die Auswirkungen der jetzigen Zinspolitik auf die Ökonomien in Europa, auf den Wohlstand in Europa, auf die Rentensysteme und auf die Banken? Bevor ich eine Nachjustierung oder Neujustierung der Zentralbankpolitik vornehme, muss erst mal eine ordentliche Analyse erfolgen.

Zweitens. Dieser Punkt ist noch viel spannender: Die Europäische Zentralbank gibt sich Ziele vor, unter anderem ein Inflationsziel nahe/gleich 2 Prozent. Wir müssen feststellen, dass dieses Ziel in den letzten Jahren durch die Politik der Zentralbank nicht erreicht wurde. Auch hierzu hätte ich gerne eine Auskunft der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank, warum diese Ziele nicht erreicht wurden.

Wenn dann entsprechende Analysen vorliegen, geht es in die Diskussion um die Weiterentwicklung. Die Federal Reserve hat vor Kurzem eine Vorgabe gemacht, indem sie erklärt hat: Wir wollen zukünftig nicht mehr strikt das 2‑Prozent-Inflationsziel erreichen, sondern wir wollen es im Durchschnitt erreichen. Das ist jetzt kein Plädoyer von mir, dass wir die Politik der Fed übernehmen sollen; die Fed hat andere, weitergehende Ziele als die Europäische Zentralbank. Es ist aber immerhin ein Ansatz der größten Zentralbank, hier eine Veränderung vorzunehmen.

In unserem Gespräch mit Jens Weidmann in dieser Woche gab es einen interessanten Ansatz, den ich für richtig halte, nämlich dass man den Warenkorb überprüft. Der gesamte Bereich der Immobilien, ob die Mietentwicklung oder die Entwicklung der Immobilienpreise, die ein Stück weit auch Auswirkungen auf die Zinspolitik haben, sollte sich zukünftig in dem zugrunde gelegten Warenkorb wiederfinden, auch wenn es systematisch schwierig ist. Das sind die Bereiche der engen Fiskalpolitik der Europäischen Zentralbank.

(Zuruf der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Frau Paus, was die Einführung der ESG-Ziele in die Politik der Zentralbanken betrifft, haben wir sicherlich einen Dissens. Wir als Unionsfraktion – anders als Sie und anders als die AfD – wollen keine Politisierung der Geldpolitik. Lassen Sie mich ganz klar betonen: Es geht nicht darum, zukünftig Klimarisiken für den Finanzmarkt zu bewerten, sondern es geht darum, die Forderung der Marktneutralität aufzugeben.

(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben nicht!)

Dass die Zentralbanken aktiv in diesen Bereich hineingreifen, das lehnen wir entschieden ab.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für die Zeit nach Corona muss alles darangesetzt werden, dass die Europäische Zentralbank aus der Umklammerung der Fiskalpolitik der Mitgliedstaaten befreit wird. Das heißt, die Mitgliedstaaten müssen ihre nationalen Ausgaben endlich wieder disziplinieren. Das gilt insbesondere angesichts der anstehenden Entwicklung der EU-Eigenmittel. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt muss nicht nur wieder scharfgestellt werden, sondern er muss praktikabel gemacht und von den ganzen Ausnahmen entrümpelt werden. Er muss handlungsfähig gemacht werden, und das geschieht am besten durch eine Auslagerung auf eine neutrale Institution.

Jean-Claude Juncker hat einmal gesagt, warum das Verfahren gegen Frankreich nicht eingeführt wird: „Because it’s France.“ So darf das nicht laufen; das ist keine gute, glaubhafte Begründung. Und hier baue ich auf die AfD, dass Sie mit Ihren Freunden von Le Pen und von Lega in der Fraktion im Europäischen Parlament dabei mitwirken, strenge Haushaltsregeln in Europa durchsetzen – im Interesse von Deutschland.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir müssen jetzt Vorbereitungen treffen, dass für die Zeit nach Corona die Zinswende eingeleitet wird – keine radikale Zinswende, aber eine, die den Namen verdient – und dass die Mitgliedstaaten ihre Verantwortung in der Europäischen Union wieder wahrnehmen.

Besten Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)