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(Quelle: Jan Reinicke via Unsplash)

6 Monate Krieg in der Ukraine

  • Konzept der gelenkten 'Demokratie' wirtschaftlich und politisch gescheitert
  • Winter und klare Haltung bei Energiefrage entscheidend für Ausgang
  • Propaganda auch in Deutschland Teil der russischen Strategie

Genau ein halbes Jahr führt Russland Krieg gegen die Ukraine. Ein Ende ist nicht in Sicht. Zur Lage ein Interview mit dem außenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt.

Herr Hardt, welche strategischen Ziele verfolgt Putin – in der Ukraine und gegenüber dem Westen?

Hardt: Meine Einschätzung ist, dass Putin vor 25 Jahren tatsächlich die Absicht hatte, ein modernes Russland zu schaffen, durchaus in Nähe zur EU und dem Westen. Doch ihm ist sehr schnell klar geworden, dass es Demokratie ohne Freiheit der Medien und Unabhängigkeit der Justiz nicht geben wird. Genau das aber gefährdet sein korruptes Herrschaftsregime. Also startete er für Russland den Versuch eines dritten, pseudodemokratischen Weges als Alternative zu unseren vielfältigen, aus seiner Sicht aber auch dekadenten Gesellschaften. Mit allen Mitteln, auch der Manipulation der deutschen Öffentlichkeit, versucht er, unser Gesellschaftsmodell als überlebt und unpatriotisch darzustellen. Ein Teil dieses Propagandanetzwerks ist die AfD, die seine Lügen von der angeblichen Verderbtheit unseres Staates und der vermeintlichen Ungerechtigkeit des Westens gegenüber Russland gerne wiederkäut und damit leider in Teilen unseres Landes Gehör findet. 

Wo steht Putins Russland heute?

Hardt: Sein Konzept der gelenkten ‚Demokratie‘ ist wirtschaftlich und politisch gescheitert. Trotz riesiger Rohstoffschätze ist Russland unter Putin zurückgefallen. Das russische Vorbild hat im Vergleich zur westlichen Demokratie keine Anziehungskraft. Über die Jahre wendeten sich praktisch alle früheren Sowjetrepubliken oder Staaten des Warschauer Paktes von Russland ab: Die Menschen in den Baltischen Staaten, in Georgien, in der Ukraine, in Moldau, zuletzt im August 2020 die Menschen in Belarus. Selbst in den Diktaturen Zentralasiens will man dem russischen Vorbild nicht folgen. Die Bedrohung seines Regimes kommt damit immer näher. Er flüchtet nun in Gewalt nach innen und nach außen. Das ist für alle Menschen in Europa bitter.

Immer wieder werden Stimmen laut, die einen sofortigen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen fordern. Was halten Sie davon?

Hardt: Auf einen ehrlichen dauerhaften Frieden wird sich Putin jetzt nicht einlassen. Dafür fühlt er sich noch zu stark. Ein Friede, den er als Sieg ansähe, würde ihn aber ermutigen, in einer Phase der scheinbaren Ruhe für eine neue Attacke auf den Westen aufzurüsten. Dann wären zunächst erneut die Ukraine, später Georgien, Moldau und ich fürchte am Ende sogar das Baltikum und damit die NATO Ziel seiner Aggression.

Uns bleibt nur, Putin durch wirtschaftliche Sanktionen und militärischen Druck durch die Ukraine an einen Punkt zu bringen, an dem für ihn die Fortsetzung des Krieges riskanter ist als ernsthafte Friedensverhandlungen.

Putin spekuliert, dass er uns in Deutschland und Europa über die Energiefrage ins Wanken bringt. Wenn wir nun Stimmen nachgeben, die auf ein Einlenken drängen, etwa der Wolfgang Kubickis, hat Putin vielleicht doch noch Erfolg. Wenn wir jedoch den Winter klug und solidarisch durchstehen, bestehen gute Chancen, dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine spätestens im nächsten Frühjahr zu Ende ist, weil sich die gegen uns gewendete Energie-Waffe als stumpf herausstellt.