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Faktencheck | EU-Finanzpaket

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben sich nach tagelangem Ringen auf ein Finanzpaket gewaltigen Ausmaßes geeinigt. Damit will die EU die Corona-Krise hinter sich lassen und sich fit für die Zukunft machen.

Das Paket umfasst den Haushaltsplan für die nächsten sieben Jahre und den Wiederaufbaufonds für Mitgliedstaaten, die von der Corona-Pandemie besonders stark getroffen sind. Details dazu hier im Faktencheck.

Faktencheck

  • Was hat der EU-Sondergipfel genau beschlossen?

    Der Sondergipfel war ein reiner „Finanzgipfel“. Es ging zum einen um die Verabschiedung des Haushaltsplans - im Fachjargon: Mehrjähriger Finanzrahmen (MFR) - für die Jahre 2021 bis 2027. Mit der Planung der Ausgaben werden die politischen Prioritäten für die kommenden sieben Jahre gesetzt. Zum anderen ging es um die Einrichtung eines Wiederaufbaufonds, der den EU-Staaten helfen soll, die Folgen der Corona-Krise zu überwinden. 

    Geeinigt hat man sich nach fast fünftägigem Ringen auf ein Paket im Umfang von 1,8 Billionen Euro. Davon entfallen 1,1 Billionen Euro auf den Haushalt und 750 Milliarden Euro auf den Wiederaufbaufonds mit dem Namen „Next Generation EU“ (Nächste Generation EU).
     

  • Warum hat es so lange gedauert bis zu einer Einigung?

    Es ging um sehr viel Geld. Mit 1,1 Billionen Euro ist der Haushaltsplan der größte in der Geschichte der Europäischen Union. Hinzu kam, dass der Haushaltsplan verknüpft wurde mit einem 750 Milliarden Euro starken Wiederaufbaufonds für die EU-Staaten, die besonders unter der Corona-Pandemie leiden. Entsprechend schwierig waren die Verhandlungen rund um diesen Punkt.

    Ein Streit drehte sich um die Frage: Wie soll das Verhältnis zwischen nicht rückzahlbaren Zuschüssen und Krediten sein? Nach dem Vorschlag Deutschlands und Frankreichs hätten 500 Milliarden Euro als Zuschüsse vergeben werden können, nach dem Vorschlag der EU-Kommission weitere 250 Milliarden als Kredite. Vor allem die sogenannten sparsamen Vier, also die Niederlande, Österreich, Dänemark und Schweden, wollten die Höhe der Zuschüsse drücken. Zu ihnen gesellte sich im Laufe des Gipfels noch Finnland. Maßgebliche Empfängerländer wie Spanien, Italien und Frankreich, die von der Corona-Krise besonders hart betroffen sind, wollten dagegen den Anteil der Zuschüsse möglichst hoch halten.

    Ein weiterer Streit entzündete sich an der Frage der Bindung von Zahlungen aus dem EU-Haushalt an die Einhaltung des Rechtsstaatsprinzips in den Empfängerländern. Dagegen hatten sich fast bis zum Schluss Ungarn und Polen gestemmt.
     

  • Wie hoch fällt der Haushaltsplan für die nächsten sieben Jahre aus?

    Für die nächsten sieben Jahre sind 1,074 Billionen Euro vorgesehen. Das entspricht einem jährlichen Rahmen von 155 bis 157 Milliarden Euro. Gemessen an der Wirtschaftskraft macht der EU-Haushaltsrahmen ungefähr 1,06 Prozent des Bruttonationaleinkommens aus. 

    Dass der Haushaltsrahmen so groß ausfällt, ist nicht zuletzt der Corona-Krise geschuldet. In der Krise zeigt sich erheblicher Reformbedarf – was die Souveränität und Widerstandsfähigkeit der EU in wirtschaftlichem und technologischem Bereich angeht. Ein großer Teil des Geldes fließt daher in Innovationen und den Klimaschutz.
     

  • Wofür wird das Geld ausgegeben?

    Das Geld wird zum einem für traditionelle Bereiche wie Agrar- und Strukturhilfen ausgegeben, zum anderen für zukunftsfähige Innovationen – etwa in die Digitalisierung und die Forschung. Technologisch gesehen soll Europa wettbewerbsfähiger werden, damit es mit den USA und China konkurrieren kann. Mehr Geld gibt es auch für eine stärkere europäische Zusammenarbeit in der Migrationspolitik sowie für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

    Festgeschrieben ist, dass 30 Prozent aller Haushaltsmittel für den Klimaschutz ausgegeben werden. Das gilt auch für den Wiederaufbaufonds. Europa will bis zum Jahre 2050 ein klimaneutraler Kontinent werden. 
     

  • Wieviel muss Deutschland zahlen?

    Jedes Land zahlt gemäß seiner Wirtschaftskraft in den EU-Haushalt ein. Deutschland musste bislang 21 Prozent beitragen. Seit dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ist der Anteil auf rund ein Viertel angewachsen. Wie andere Nettozahler auch erhält Deutschland einen Rabatt. Im kommenden Haushaltsplan beträgt er 3,7 Milliarden Euro pro Jahr.

  • Warum bekommen einige EU-Länder Rabatte?

    Rabatte dienen dazu, die finanziellen Belastungen insbesondere der Nettozahler in Grenzen zu halten. Ohne Rabatte würden die rechnerisch ermittelten Nettobeiträge zum EU-Haushalt teilweise überproportional ansteigen. Rabatte sind insofern eine Art Härteausgleich. In der Vergangenheit erhielten fast alle Mitgliedstaaten einen Rabatt. Im kommenden Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) sollen sie strikt auf die Nettozahler begrenzt werden. Der Vereinbarung zufolge erhält Deutschland 3,7 Milliarden Euro Rabatt pro Jahr. 

  • Was hat es mit der Rechtsstaatlichkeit auf sich?

    Erstmals wird die Vergabe von EU-Mitteln an die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten gekoppelt, was einem Paradigmenwechsel gleichkommt. Dagegen hatten sich Polen und Ungarn, gegen die ein Grundrechteverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge läuft, auf dem Gipfel lange gesträubt. 

    Allerdings kann die EU-Kommission die Gelder bei Verstößen nicht automatisch kürzen, sondern braucht die Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit aller Mitgliedstaaten im Europäischen Rat. Für die qualifizierte Mehrheit sind 55 Prozent der EU-Länder mit 65 Prozent der Gesamtbevölkerung nötig.

  • Was steckt im Wiederaufbaufonds?

    Der Wiederaufbaufonds hat ein Volumen von 750 Milliarden Euro. Davon werden 360 Milliarden als Kredite und 390 Milliarden Euro als nicht rückzahlbare Zuschüsse vergeben werden. Nach dem ursprünglichen Vorschlag von Deutschland und Frankreich hätten 500 Milliarden Euro an Zuschüssen vergeben werden können. Dagegen hatten sich die „sparsamen Vier“ - die Niederlande, Österreich, Dänemark und Schweden – gesträubt, die später auch von Finnland unterstützt wurden. 

    Mit dem Geld aus dem Fonds wird insbesondere den EU-Staaten geholfen, die besonders stark unter der Corona-Pandemie gelitten haben. 
     

  • Wo kommt das Geld her?

    Zur Finanzierung des Fonds wird die EU-Kommission sich an den Finanzmärkten Geld leihen. Für die Schulden haften alle Mitgliedstaaten, aber jedes Land nur in Höhe seines Anteils am EU-Haushalt. Das Instrument ist auf die außergewöhnliche Situation beschränkt, die von der Corona-Krise hervorgerufen wurde. Grundsätzlich gilt weiterhin ein Verschuldungsverbot für die EU-Kommission.

  • Nach welchen Kriterien wird das Geld verteilt?

    Die Mittel werden in zwei Tranchen ausgezahlt: 70 Prozent davon schon in den Jahren 2021/2022, damit die Folgen der Corona-Krise rasch bekämpft werden können. Als Maßstab hierfür werden die Arbeitslosenzahlen in den Jahren 2015 bis 2019 zugrundegelegt. Die restlichen 30 Prozent der Mittel werden 2023 ausgezahlt. Dann gilt auch ein anderer Maßstab. Ausschlaggebend ist dann der Rückgang der Wirtschaftsleistung als Folge der Corona-Pandemie in den Jahren 2020/2021. 
    Die Mittel werden nach strengen Kriterien vergeben. EU-Staaten, die sie beantragen, müssen einen Reformplan vorlegen. Dessen Einhaltung wird von den übrigen Mitgliedstaaten überwacht.
     

  • Müssen die Empfänger eine Gegenleistung erbringen?

    Die Mittel aus dem Wiederaufbaufonds bekommen die Empfängerländer nicht ohne eine Gegenleistung. Voraussetzung ist, dass sie Pläne für eine Reform- und Investitionsagenda vorlegen, mit der sie ihre Widerstandsfähigkeit gegen Krisen stärken können. 

    Die Pläne werden von der Europäischen Kommission zusammen mit dem Wirtschafts- und Finanzausschuss bewertet und müssen vom Rat mit qualifizierter Mehrheit angenommen werden. Entscheidend ist, ob die Reformen beispielsweise das Wachstumspotenzial erhöhen, Arbeitsplätze schaffen oder die Resilienz stärken. Sollten ein oder mehrere Mitgliedstaaten Zweifel daran haben, dass ein Empfängerland seine Pflichten aus dem vorgelegten Programm erfüllen kann, können sie den Ratspräsidenten bitten, diesen Fall beim kommenden Europäischen Rat zu beraten. 
     

  • Wer überwacht die Verwendung der Gelder?

    Die Europäische Kommission überwacht zusammen mit dem Wirtschafts- und Finanzausschuss fortlaufend, ob die Empfängerländer die relevanten Ziele und Meilensteine, die sie in ihren Plänen aufgeführt haben, erreicht haben. Haben ein oder mehrere Mitgliedstaaten Zweifel daran, wird die Angelegenheit an den Europäischen Rat verwiesen.

    Außerdem wird die Verwendung von Geldern aus dem EU-Haushalt durch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) sowie den Europäischen Rechnungshof geprüft.
     

  • Wann und wie werden die Kredite für den Fonds zurückgezahlt?

    Die Mitgliedstaaten müssen die Kredite, die sie in Anspruch genommen haben, zurückzahlen. Die Rückzahlung soll bis 31. Dezember 2058 abgeschlossen sein.