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(Quelle: Foto Laurence Chaperon)

"Der Rechtsstaat darf sich nicht vorführen lassen"

Volker Kauder im Interview mit der Passauer Neuen Presse

Nach den Vorgängen um ein Asylbewerberheim in Ellwangen verlangt Volker Kauder, Unionsfraktionschef, scharfe Konsequenzen. Ein Rechtsstaat dürfe sich nicht vorführen lassen, so Kauder im Interview mit der Passauer Neuen Presse.

Frage: Herr Kauder, in Ellwangen verhindern 150 Asylbewerber die Abschiebung eines Togolesen und jagen die Polizei davon. Kapituliert da der Rechtsstaat? 

Kauder: Ein Rechtsstaat darf sich nicht vorführen lassen. Es war daher richtig und konsequent, dass die Polizei mit einem großen Einsatz und einer Razzia in dem Asylbewerberheim mit Härte reagiert hat. Natürlich muss jetzt dieser Asylbewerber abgeschoben und das Recht durchgesetzt werden. Es muss aber auch gegen die vorgegangen werden, die den Asylbewerber zunächst befreit hatten. Gegen diese Personen muss wegen Widerstands gegen die Vollstreckungsbeamte strafrechtlich ermittelt werden – auch mit dem Ziel, sie im Fall einer Verurteilung abzuschieben. Es muss mit aller Konsequenz gezeigt werden, dass der Rechtsstaat so ein Verhalten nicht duldet. Es besteht gerade hier kein Grund für irgendeine Toleranz!    
 
Frage: Die von der Bundesregierung angekündigte nationale Kraftanstrengung für Abschiebungen lässt immer noch auf sich warten. Warum wird sie nicht umgesetzt?

Kauder: Bundesinnenminister Horst Seehofer hat angekündigt, dass er die Abschiebepraxis verschärfen will. Das ist dringend notwendig und darüber muss noch einmal mit den Ländern geredet werden. Bund und Länder müssen hier mehr an einem Strang ziehen, um das Recht durchzusetzen. Wenn das im Ausländerrecht nicht mehr vollständig geschieht wie derzeit, leidet das Rechtsbewusstsein auch in anderen Bereichen. Natürlich sind Abschiebungen schwierig. Das wissen wir alle. Aber die Anstrengungen müssen noch einmal erhöht werden. Zudem sollen auf die Initiative von Horst Seehofer so genannte Anker-Zentren geschaffen werden, wie dies auch im Koalitionsvertrag steht. In diesen Einrichtungen soll nicht nur über die Asylanträge entschieden werden. Von diesen Zentren soll vor allem auch die Rückführung stattfinden, wenn ein Asylgesuch abgelehnt wird. Dadurch werden die Asylverfahren wesentlich effektiver. Auch da kann man nur die Länder auffordern mitzumachen.  
 
Frage: Die SPD verkündet einen Durchbruch im Streit über den Familiennachzug für subsidiär geschützte Flüchtlinge. Wie sieht die Einigung aus?

Kauder: Die Einigung auf den Gesetzentwurf entspricht im vollen Umfang der Formulierung im Koalitionsvertrag. Das ist ganz im Sinne der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Das bedeutet also: Der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte, also für Flüchtlinge, die nur vorübergehenden Schutz erhalten haben, bleibt ausgesetzt.  Aus humanitären Gründen wird ein Zuzug von maximal 1 000 Angehörigen pro Monat unter strengen Bedingungen gestattet. In den Gesprächen mit der SPD hat man sich nun zudem darauf geeinigt, dass von August bis Dezember im diesem Jahr insgesamt 5 000 Personen kommen können, selbst wenn in einem der Monate in diesem Zeitraum die Zahl von 1 000 Personen nicht ausgeschöpft wurde. Dies soll nun in einer Verwaltungsvereinbarung fixiert werden, die aber nicht Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens ist. Hintergrund ist offenbar, dass es bei Zusammenstellung der 1 000 Personen im Monat Anlaufschwierigkeiten geben könnte. 

Frage: Die Große Koalition ist seit gut zwei Monaten im Amt. Kaum eine Woche ohne Streit. Glaubt man den Umfragen, dann schwindet die schwarz-rote Mehrheit. Soll das jetzt die nächsten Monate und Jahre so weiter gehen?

Kauder: Die Bevölkerung erwartet von uns Problemlösungen und keine ständigen Auseinandersetzungen. Wenn aus den Reihen der SPD immer wieder Unions-Minister angegriffen werden, wie jetzt Frau von der Leyen, ist das nicht akzeptabel.

Kahrs unqualifizierter Angriff schadet Koalition

Frage: SPD-Chefhaushälter Johannes Kahrs wirft der Bundesverteidigungsministerin Missmanagement vor... 

Kauder: Solche unqualifizierten Angriffe belasten das Klima in der Koalition. Ich rate zur Zurückhaltung. Sonst wird auch in anderen Fällen der Ton rauer. Das hilft niemandem. 

Frage: Deutschland entfernt sich in den kommenden Jahren vom NATO-Ziel, den Wehretat auf zwei Prozent anzuheben. Ist es nicht Zeit, einzuräumen, dass das Ziel nicht erreicht werden kann?

Kauder: Wir haben im Koalitionsvertrag eindeutig festgelegt, dass wir die NATO-Fähigkeitsziele, wie es heißt, erreichen wollen. Das bedeutet, dass wir uns in Richtung des NATO-Ziels hinbewegen wollen. In diesem Sinne sollte dann die Koalition auch handeln. Und auch jenseits dieser vereinbarten Ziele: Die Bundeswehr muss besser ausgestattet werden, weil auch ihre Aufgaben für die Landesverteidigung durch das Verhalten Russlands gewachsen sind. Die im Haushaltsentwurf vorgesehenen Wehrausgaben spiegeln das nicht wider. Die Union wird in Beratungen für eine stärkere Erhöhung des Etats verlangen, weil wir dies unseren Soldaten schuldig sind und auf Deutschland weitere internationale Aufgaben zukommen. Das hat nichts mit einer Aufrüstung zu tun, wie von Seiten der SPD-Spitze immer wieder unterstellt wird. Der Begriff ist deplatziert und unsachlich. Niemand in der Union möchte eine Aufrüstung, wohl aber eine optimale Ausrüstung, die aber zu dem Preis, der der SPD vorschwebt, nicht zu haben ist. Die SPD sollte sich einfach in der Verteidigungspolitik einmal ehrlich machen und auf taktische politische Spiele verzichten.    

Frage: Warum kommt dann keine Unterstützung von der Kanzlerin für die Forderung des Verteidigungsministeriums nach deutlich mehr Geld?

Kauder: Die Etatberatungen stehen noch am Anfang. 

Frage: Fakt ist, dass das Verteidigungsministerium in den vergangenen Jahren bereitstehendes Geld nicht ausgeben konnte…

Kauder: Die Mittel fließen ab. Fragen Sie die Verteidigungspolitiker.

Arbeitnehmer finanziell entlasten

Frage: GroKo-Zoff gibt es auch über die Milliardenrücklagen der Arbeitslosenversicherung. SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles will den Überschuss statt für Beitragssenkungen für Qualifizierungsmaßnahmen nutzen. Macht die Union mit?

Kauder: Es ist klar, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarte Beitragssenkung von 0,3 Prozent kommen muss und zwar rasch. Ich halte auch darüberhinausgehende Senkungen für wünschenswert und darstellbar, um die Wirtschaft und Beitragszahler zu entlasten. Was der Wunsch nach der Finanzierung weiterer Qualifizierungsmaßnahmen angeht: Die Koalition hat sich darauf verständigt, immerhin vier Milliarden Euro für die Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen auszugeben. Wir tun also schon viel in diesem Bereich und die Bundesagentur verfügt auch hier noch über genügend eigene Mittel für die Qualifizierung von Arbeitnehmern.  

Frage: Werden die Rentenbeiträge nicht kräftig steigen müssen, um unter anderem die Ausweitung der Mütterrente zu bezahlen?

Kauder: Die Rentenkommission hat am gestrigen Donnerstag ihre Arbeit aufgenommen. Die Ergebnisse sollten wir erstmal abwarten. Ich warne davor, eine Rentenkommission einzusetzen und dann trotzdem von außen dauernd Kommentare abzugeben. Es ist Aufgabe dieser Kommission, Vorschläge für die Finanzierung der Rente zu erarbeiten.

EU muss nach Sparmöglichkeiten suchen

Frage: EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger fordert von Deutschland zusätzlich zwölf Milliarden Euro jährlich für das EU-Budget nach dem Brexit. Wird das den finanziellen Spielraum nicht noch weiter begrenzen?

Kauder: Hier wird es noch Diskussionen geben, auch wenn ich sagen möchte, dass Olaf Scholz für seinen soliden Haushaltsansatz grundsätzlich zu loben ist. Ich kann noch nicht sagen, ob die Vorlage alle Risiken – auch die durch den Brexit - berücksichtigt. Hier gibt es offenbar noch Lücken. 

Frage: Muss die EU nicht erstmal sparen, bevor sie nach mehr Geld ruft?

Kauder: Es ist beides notwendig: Die Kommission muss nach Sparmöglichkeiten suchen. Aber der Schutz der Außengrenzen muss auch deutlich verbessert werden. Dafür wird die Grenzschutzagentur Frontex verstärkt. Ohne mehr Mittel dafür wird das nicht möglich sein. 

Frage: Ist Oettingers Vorhaben richtig, EU-Ländern wie Polen oder Ungarn die Mittel zur kürzen, wenn sie sich nicht an die gemeinsamen Verpflichtungen halten?

Kauder: Die EU ist eine Wertegemeinschaft. Die Mittelvergabe an die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards zu knüpfen, ist ja wohl selbstverständlich. Es muss zum Beispiel klar sein, dass ein EU-Staat gegen Korruption im Zusammenhang mit EU-Mitteln vorgeht. Solidarität in Europa kann keine Einbahnstraße sein. Das gilt auch für die Verteilung von Lasten. Wer Flüchtlinge aufnimmt, sollte einen Vorteil gegenüber anderen Staaten haben, die sich verweigern. 

Kein Schuldenschnitt für Griechenland

Frage: Griechenland ist noch nicht gerettet. Wird es am Ende doch einen Schuldenerlass für Athen geben, damit das Land wieder auf die Beine kommt?

Kauder: Bislang ist das eine abstrakte Diskussion. Wir haben die Hoffnung, dass Griechenland sich künftig selbst am Kapitalmarkt finanzieren kann und deshalb ein viertes Hilfspaket nicht nötig ist. Nur bei diesem würde sich ihre Frage stellen. Aber um es schon einmal vorsorglich zu sagen: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich eindeutig gegen einen Schuldenschnitt für Griechenland ausgesprochen.
 
Frage: In bayerischen Amtsstuben sollen Kreuze aufgehängt werden. Eine gute Idee, um die christlichen Wurzeln zu betonen?

Kauder: Das Kreuz ist ein Zeichen des Christentums, das unser Land geprägt hat. Darauf hinzuweisen ist richtig.