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Tankred Schipanski: "Ein gemeinsames Verständnis der Konflikte gewinnen und Lösungsansätze dafür entwickeln;"

Rede zu Internet Governance

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Antrag wollen wir die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung des freien, offenen und sicheren Internets richten. Zeitlicher Anlass ist das Internet Governance Forum der Vereinten Nationen, kurz IGF, das in diesem Jahr vom 25. bis zum 29. November in Berlin stattfindet. Das IGF findet unter dem Motto „One World. One Net. One Vision.“ statt. Daher auch der Titel unseres Koalitionsantrags. Erstmalig findet das IGF in Berlin statt. Das ist ein großer Erfolg, und dafür haben sich die Digitalpolitiker der Union und der damalige Kanzleramtschef Peter Altmaier in der letzten Legislatur besonders eingesetzt.

Meine Damen und Herren, bei einigen Staaten beobachten wir mit Sorge, dass es Tendenzen zur Fragmentierung des Internets gibt, Tendenzen zur Schaffung von nationalen Intranets oder regional geschlossenen Systemen.

Das neue Internetgesetz, das Anfang dieses Monats in Russland in Kraft trat, ist jüngster Ausdruck davon und dient unserer Auffassung nach dem Ziel, das Netz vollständig unter staatliche Kontrolle zu bekommen. Und das erfüllt uns mit Sorge.

Oder blicken wir nach China. Freier Netzzugang existiert hier nicht mehr. Internetzensur findet aus verschiedenen Gründen statt. Zum einen werden Informationen über ausländische, westliche Ideen begrenzt. Zum anderen dient die Kontrolle dem Wirtschaftsprotektionismus in China. Der Zugang zu bestimmten Webseiten ist nur über einen VPN-Tunnel möglich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, blicken wir in die Türkei. Internetzensur ist auch hier an der Tagesordnung. Im August 2019 hat ein Gericht die Sperrung von mehr als 130 Webseiten von Oppositionellen aus Politik, Medien und Kunst angeordnet. Zusätzlich wurde eine neue Regelung zur Kontrolle von Internetplattformen eingeführt, die Filme, Videos und Radioinhalte verbreiten. Wikipedia ist seit mehr als zwei Jahren in der Türkei nicht mehr aufrufbar.

Das sind Tendenzen, denen wir als Deutscher Bundestag und im Rahmen des IGFs klar entgegentreten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, auch die Bestrebungen einiger Akteure, Entscheidungen stärker in staatlich dominierte Gremien wie die ITU, also die International Telecommunications Union, zu verlagern, sehen wir kritisch. Einzelne Regierungen rücken dort Themen wie die Kontrolle von Inhalten und Einschränkungen des freien Datenflusses in den Vordergrund und wollen ihre Version eines abgeschotteten und zensierten Netzes etablieren. Dem stellen wir unsere Version eines offenen Netzes entgegen. Dabei setzen wir auf einen Multi-Stakeholder-Ansatz, um einen gleichberechtigten und konstruktiven Dialog zwischen Interessenvertretern aus Staaten, internationalen Organisationen, der Wirtschaft, der Wissenschaft, der technischen Community und der Zivilgesellschaft zu ermöglichen.

Das IGF ist jene offene Diskussionsplattform der Vereinten Nationen zu zentralen rechtlichen, politischen, sozialen und technischen Fragen des Internets.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, IGF ist gut!)

Der Multi-Stakeholder-Ansatz bringt dabei alle relevanten Gesellschaftsgruppen an einen Tisch, insbesondere auch bislang unterrepräsentierte Vertreter aus Entwicklungs- und Schwellenländern.

Auf rein parlamentarischer Ebene wirkt so beispielsweise auch die Parlamentarische Versammlung der OSZE, in der einige Kollegen dieses Hauses aktiv mitarbeiten. Dieses Gremium hat jüngst einen eigenen Berichterstatter für die Digitale Agenda benannt. Das Thema „Digitalisierung und freies Internet“ rückt also auch bei diesem multilateralen Gremium in den Fokus.

Meine Damen und Herren, seit nun fast 15 Jahren existiert mit dem IGF ein Forum der Verständigung, in dem global über die politischen Herausforderungen des Internets diskutiert wird. Das IGF kann globale politische Konflikte auf dem Feld des Internet Governance vielleicht nicht lösen, aber es kann, befreit von Entscheidungszwängen, dazu beitragen, ein gemeinsames Verständnis der Konflikte zu gewinnen und Lösungsansätze dafür zu entwickeln; und das ist der Wert an sich, auch wenn die Empfehlungen des IGFs unverbindlich sind.

Auch der Deutsche Bundestag wird sich am IGF beteiligen. Am Tag Zero wird ein Parlamentariertreffen stattfinden, zu dem Parlamentarier aus der ganzen Welt, die am IGF teilnehmen, eingeladen sind. Am letzten Tag wird der Deutsche Bundestag auf einem abschließenden Parlamentariertreffen die Vorschläge und Empfehlungen des IGFs 2019 in Empfang nehmen und diese im Anschluss an das Ausrichterland des IGFs 2020, an Polen, übergeben.

Vielen Dank an die Kollegen aus der Arbeitsgruppe Wirtschaft für die Zusammenarbeit, insbesondere aber auch an Ronja Kemmer, die dieses Thema als Berichterstatterin im Ausschuss Digitale Agenda betreut. Mein Kollege Hansjörg Durz, der Mitglied beider Ausschüsse ist, wird noch zu uns sprechen. Auch ihm sei gedankt für diesen Antrag wie auch unserem Koalitionspartner, der Treiber bei diesem Antrag war.

Ich freue mich auf das IGF und spreche nochmals eine herzliche Einladung an die Kolleginnen und Kollegen aus, sich zahlreich an diesem Forum zu beteiligen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)