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Prof. Dr. Heribert Hirte: Wichtig ist erst die Risikoreduzierung und dann die Risikoteilung

Stellungnahme zum Vorhaben der EU-Kommission, eine gemeinsame Einlagensicherung (EDIS) für alle EU-Banken zu schaffen

Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU):

Guten Morgen, Herr Präsident! Sie hatten eine Stunde weniger Schlaf als ich. Insofern können wir uns vergleichen. Aber ich glaube, wir können uns noch ganz gut sehen lassen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Ich bin auch jünger als Sie.

(Heiterkeit)

Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU):

Wir arbeiten ja daran, dass die Debatten ein bisschen beschleunigt werden.

Ich möchte zunächst einmal wissen: Wo ist eigentlich der Kollege Hollnagel? Den sehe ich noch nicht oder nicht mehr.

(Niema Movassat [DIE LINKE]: Der ist im Wochenende!)

Dem wollte ich eigentlich eine Antwort geben auf seine Anmerkung, die Europäische Zentralbank sei nicht unabhängig. Vielleicht geben Sie es ihm weiter. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank richtet sich nämlich nach europäischem Recht, und der Europäische Gerichtshof hat diese Unabhängigkeit zu beurteilen. Er hat sie in einem ganz zentralen Verfahren bestätigt. Ich glaube, daran müssen wir unsere Unabhängigkeitsdiskussion messen. Wir haben unsere Kriterien in gemeinsamer Überzeugung auf Europa und auf die europäischen Institutionen übertragen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin dann doch etwas überrascht gewesen, mit welcher Radikalität er gesagt hat: Die Banken können pleitegehen; das ist sozusagen ordnungspolitisch richtig; dann müssen eben die Kunden der Banken schauen, wo sie bleiben. – Das ist wirklich eine Ohrfeige für Einleger, für Anleger, für Sparer vor allen Dingen und für die Arbeitnehmer, die Vertrauen in uns und in das Bankensystem haben, dass sie dort, wo sie etwas deponieren, auch abgesichert sind. Diese radikale marktwirtschaftliche These hatte ich in dieser Weise allenfalls vom Wilden Westen her erwartet. Aber dass es von Ihnen kommt, überrascht, ehrlich gesagt, auch nicht mehr.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie von der FDP fordern in Ihrem Antrag, wir müssten zunächst Risikoreduzierung machen, bevor wir zur Risikoteilung kommen. Sie wollen uns glauben machen, Herr Toncar, dass das etwas Neues sei. Nein, das haben wir hier schon – die Kollegin Tillmann hat es mit großer Deutlichkeit gesagt – x-mal beschlossen.

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Nein! Aber nicht so!)

Und wenn Sie gehört haben, was Herr Hakverdi gesagt hat, was Herr Binding gesagt hat, erkennen Sie: Unser Koalitionspartner sieht das genauso. Schäuble, Scholz – einhellige Meinung: erst Risikoreduzierung und dann Risikoteilung.

Auf der anderen Seite: Dass es ökonomische Gründe für eine gemeinsame Einlagensicherung auf europäischer Ebene gibt, hat Frau Tillmann sehr richtig ausgeführt.

(Beifall des Abg. Metin Hakverdi [SPD])

Worum geht es? Wir machen unsere Hausaufgaben. Wir haben sie zu einem erheblichen Teil schon gemacht. Und wir müssen vor allen Dingen auf das gucken, was passieren muss, bevor wir zu einer Einlagensicherung auf europäischer Ebene kommen. Das bedeutet, wir müssen auf ein funktionierendes Insolvenzrecht achten. Wir wissen, dass die Non-performing Loans, die ausfallenden Kredite, bei uns in Deutschland 3 Prozent betragen; in manchen südeuropäischen Ländern betragen sie über 30 Prozent. Das ist intolerabel mit Blick auf eine gemeinsame Einlagensicherung. Deshalb steht die Angleichung des Insolvenzrechts ganz oben auf der Agenda der Europäischen Union. Auch das Justizministerium unterstützt uns bei diesem Punkt. Wir haben gestern Nacht hier darüber gesprochen, dass in der deutsch-französischen Partnerschaft die Angleichung des Insolvenzrechts, und zwar weit über die europäischen Vorgaben hinaus, eine der zentralen Baustellen ist. Unterstützen Sie uns dabei! Dann kommen wir hier auch weiter.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dazu gehört der präventive Restrukturierungsrahmen, über den wir in den nächsten Tagen zu beraten haben werden; denn er wird Insolvenzen zu vermeiden helfen. Auch das ist eine wichtige Baustelle.

Dazu gehört andererseits auch, deutlich zu machen, dass es, wie wir das auf Initiative der Union im Koalitionsvertrag niedergelegt haben, kein Fiskusprivileg, keinen Zugriff des Fiskus bei privaten Insolvenzen geben darf, damit auch an dieser Stelle der Nexus zwischen Staat und Privat, zwischen Staat und Banken durchbrochen wird. Hier können wir gemeinsam weiter voranschreiten.

Ein anderer Punkt, wenn wir über Insolvenzvermeidung reden: Wir brauchen meines Erachtens auf europäischer Ebene keine Arbeitslosenversicherung, die europäisch administriert wird. Was wir aber brauchen, ist europäische Insolvenzgeldvorfinanzierung; denn wir haben in Deutschland gemerkt, dass sie zur Vermeidung von Insolvenzen wichtig ist.

Der zweite große Punkt: die regulatorische Privilegierung von Staatsanleihen. Ja, in der Tat – wir haben es schon mehrfach gehört –: Der Nexus zwischen Banken und Staat muss durchbrochen werden. Deshalb brauchen wir – da sind wir einer Meinung – eine Risikogewichtung von Staatsanleihen und/oder deren Eigenkapitalunterlegung. Zusätzlich brauchen wir den Abbau bzw. das Verbot von Klumpenrisiken. Banken dürfen nicht überproportional in Staatsanleihen, vor allen Dingen in die Anleihen ihres eigenen Staates, investieren.

Der Kollege von den Linken hat das Thema Finanztransaktionsteuer angesprochen. Dazu möchte ich nur sagen: Alle diese Vorschläge passen unter diesem Gesichtspunkt in einem Punkte nicht: Es sind immer die Staaten, die sich hier von der Steuer ausnehmen. Auch das ist eine indirekte Staatsfinanzierung. Ich kann für mich nur sagen: Das würde ich und das werden wir nicht mitmachen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Metin Hakverdi [SPD])