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Olav Gutting: Wir investieren in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes

Rede in der allgemeinen Finanzdebatte zum Haushaltsgesetz 2019

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Große Koalition macht ihre Hausaufgaben.

(Johannes Kahrs [SPD]: Sehr gut!)

Nach fast 50 Jahren immer neuen Schuldenmachens hat Wolfgang Schäuble vor knapp fünf Jahren die Trendwende eingeleitet. Heute sind wir auf direktem Weg zur Erreichung der im Maastricht-Vertrag vereinbarten 60-Prozent-Grenze. Ich finde, das ist bemerkenswert.

Gleichzeitig investieren wir in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Wir entlasten Familien und die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen bei Steuern und beim Wohnen. Wir glauben, dass Familien das Zentrum unserer Gesellschaft sind. Deswegen haben wir bereits in den letzten Jahren den Fokus immer wieder auf die Entlastung bei Familien gerichtet. Hieran knüpfen wir auch in dieser Legislaturperiode an. Wir werden, wie hier schon gesagt, das Kindergeld einmal um 10 und später noch einmal um 15 Euro im Monat erhöhen. Wir werden entsprechend auch den Kinderfreibetrag erhöhen. Das ist wichtig, weil wir damit Familien und Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen um knapp 10 Milliarden Euro jährlich entlasten.

Noch wichtiger als Steuern und Abgaben ist inzwischen für viele Menschen das Thema Wohnen geworden. Wir haben viele Bürgerinnen und Bürger, für die finanzierbarer Wohnraum immer schwieriger zu finden ist. Deswegen müssen wir uns darüber Gedanken machen. Wir werden aber eine Lösung für dieses Problem ganz bestimmt nicht erreichen, wenn wir das Vermieten immer weniger attraktiv machen. Die Diskussionen, die wir auch heute wieder über einen Mietenstopp oder über eine noch weitere Einschränkung der Möglichkeiten der Eigennutzung, des Eigenbedarfs gehört haben, sind das völlig falsche Signal.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will auch sagen: Die Art und Weise, wie man mit den Ergebnissen des Gutachtens zur Wohnungspolitik des Wissenschaftlichen Beirates des Bundeswirtschaftsministeriums umgegangen ist, indem man es nicht nur ignoriert, sondern auch noch verunglimpft hat,

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben sich verrechnet! Die haben sich massiv verrechnet! Das ist peinlich!)

zeigt, dass man nicht verstanden hat, worum es eigentlich geht.

(Pascal Meiser [DIE LINKE]: Sie haben nicht verstanden, worum es geht! Sie müssen mal das Gesetz lesen!)

Deswegen sollte man in dieses Gutachten noch einmal hineinschauen. Wenn man 38 Experten einen Auftrag gibt und einem dann das Ergebnis nicht gefällt, dann muss man doch einmal darüber nachdenken, ob man dieses Ergebnis einfach zur Seite wischen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ohne mehr Wohnraum, meine Damen und Herren, und mit gleichzeitig immer heftigeren Eingriffen in den Wohnungsmarkt werden wir das Problem nicht in den Griff bekommen. Wir brauchen mehr Wohnraum. Ansonsten sind alle Eingriffe letztendlich zum Scheitern verurteilt.

Uns in der Union ist immer ein gesunder Mix von Eigentum und Miete wichtig. Und bei der Eigentumsbildung steht die Familie bei uns wieder klar im Fokus. Wir wollen Familien in die Lage versetzen, dass sie sich die eigenen vier Wände leisten können. Das von der Union initiierte Baukindergeld, das rückwirkend zum 1. Januar 2018 in Kraft treten wird, ist ein wichtiger Schritt. Es ist für viele Familien der notwendige Baustein zum Erreichen der notwendigen Finanzierung ihres Eigenheims. Ebenso wird die kommende steuerliche Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau ihren Beitrag zu mehr bezahlbarem Wohnraum leisten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir stehen vor großen steuerpolitischen Herausforderungen. Die Kassen sind voll, die Wirtschaft brummt, der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Ich sehe aber mit Sorge, dass Deutschland hinsichtlich der Unternehmensteuerbelastung von einer Position im Mittelfeld inzwischen in die Gruppe der Höchststeuerländer gerückt ist. Die jüngsten Steuerreformen in den USA, in Frankreich und Großbritannien beeinträchtigen die Kräfteverhältnisse im internationalen Steuerwettbewerb. Man kann das natürlich ignorieren, und kurzfristig, glaube ich, wird diese Ignoranz der wirtschaftlichen Entwicklung in diesem Land auch keinen Abbruch tun. Aber wenn wir uns hier nicht bewegen, dann wird Deutschland im Wettbewerb um Investitionen in Zukunft kaum noch punkten können.

Die bisherigen Antworten auf diese Herausforderungen im internationalen Steuerwettbewerb, etwa das Vorantreiben des Projekts einer gemeinsamen Bemessungsgrundlage für Unternehmensteuern zusammen mit Frankreich, können meines Erachtens nicht zufriedenstellen, im Gegenteil. Die Wahrheit ist: Dieses im Grundsatz richtige Projekt einer gemeinsamen Steuerbasis wird nicht nur mehr Transparenz bringen, sondern damit sogar den Steuerwettbewerb noch stärker anheizen, und wir können uns diesem Wettbewerb nicht verschließen. Da können wir auch nicht einfach den Ball immer wieder zurück nach Europa spielen. Das gilt auch für die Digitalsteuer. Natürlich brauchen wir eine adäquate Gewinnbesteuerung von digitalen Geschäftsmodellen. Aber ob der EU-Vorstoß einer Sondersteuer auf digitale Gewinne tatsächlich die richtige Antwort ist, ist mehr als fraglich.

Was wir brauchen, ist eine Entlastung für die Menschen in diesem Land. Diese Entlastungen können wir nicht nach Europa schieben. Wir müssen sie in Deutschland angehen, und die Koalition bewegt sich hier ja auch, wenn auch in kleinen Schritten. Aber ob bei kalter Progression oder beim Soli, niemand kann sagen, wir täten hier nichts. Es sind auch nicht nur unsere Einzelkaufleute und Personenunternehmen, die wir steuerlich entlasten, sondern gerade die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die wir mit dem Verhindern der kalten Progression spürbar entlasten. Wir passen die Tarifeckwerte konsequent an die Inflationsrate an und lassen die kalte Progression erst gar nicht entstehen. Das haben wir übrigens in der Vergangenheit auch schon so gemacht. Komischerweise hat sich das nur noch nicht bei allen herumgesprochen. Deswegen heute noch einmal zum Mitschreiben: Die Zeiten, in denen der Staat heimliche Steuererhöhungen durch den Inflationsausgleich bei den Einkommen einfach mitnimmt, sind schon lange vorbei.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Genauso, wie wir hier die Menschen entlasten, müssen wir es auch beim Soli machen. Deswegen ist es gut, dass wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, dass wir in einem ersten Schritt den Soli in einer Größenordnung von knapp 10 Milliarden Euro abbauen. Aber ich glaube, es ist auch eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit, den zweiten Abbauschritt und das definitive Ende des Solidaritätszuschlages bereits in dieser Legislaturperiode festzulegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Otto Fricke [FDP]: Die Worte hör’ ich wohl!)

Ich erlebe immer wieder, dass es in Zeiten höchster Steuereinnahmen schlicht nicht nachvollziehbar ist, dass wir diesen weiteren Entlastungsschritt nicht gehen. Die Menschen fragen doch völlig zu Recht: Wenn nicht jetzt, wann dann? Deswegen bin ich davon überzeugt, dass die vollständige schrittweise Abschaffung des Soli möglich ist, und zwar ohne den Haushalt, über den wir hier beraten, aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dürr? Damit verlängern Sie Ihre ohnehin schon überschrittene Redezeit.

(Heiterkeit bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Christian Dürr (FDP):

Ich habe immer gesagt: Wir sind eine Serviceopposition. Insofern verlängern wir auch gerne die Redezeit, wenn etwas Gutes dabei herauskommt, Herr Kollege.

Sie haben gerade über den Solidaritätszuschlag gesprochen. Ich wüsste gerne, wie Sie zu den Vorschlägen insbesondere des bayerischen Finanzministers Füracker stehen, der gesagt hat, man müsse den Abbaupfad, von dem Sie sprechen, nicht erst 2021 beginnen, sondern ab 1. Januar 2019 und den Solidaritätszuschlag dann schrittweise bis Ende 2020 vollständig abbauen.

Das scheint die Position der CSU zu sein, jedenfalls in München. In Berlin vertritt sie nach den Entscheidungen der Landesgruppe hier offenbar eine andere. Was ist die Meinung der CDU an dieser Stelle, Herr Kollege Gutting?

Olav Gutting (CDU/CSU):

Vielen Dank für diese Frage. – Wir haben klar festgelegt, dass der Abbau 2021 beginnt. Für uns ist entscheidend, dass bereits mit diesem ersten Abbauschritt das endgültige Schlussdatum für das Auslaufen des Solidaritätszuschlags spätestens in der nächsten Legislaturperiode festgelegt wird. Insofern sind wir da nicht weit auseinander. Wenn man sich den Haushalt genau anschaut, stellt man fest: Der Haushalt steht auf gesunden Beinen. Wir brauchen noch das nächste und das übernächste Jahr, um das Auslaufen des Solidaritätszuschlags vorzubereiten. So ist es im Koalitionsvertrag sinnvoll vereinbart: schrittweiser Abbau, aber auch ein klares Enddatum. Das muss her.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Kommen Sie jetzt zum Schluss, Herr Kollege Gutting, bitte.

Olav Gutting (CDU/CSU):

Die Grundlage, damit es diesem Land gut geht, sind die richtigen Rahmenbedingungen sowohl für die Menschen als auch für die Unternehmen. Mit dem vorgelegten Haushaltsentwurf und einigen notwendigen Nachbesserungen – darin sind wir uns einig – sind wir hier auf einem guten Weg. Die Rahmenbedingungen werden uns gut gelingen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)