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Olav Gutting: Wir haben in Deutschland ein Jobwunder geschaffen

Abschaffung der heimlichen Steuererhöhungen ("kalte Progression") bei der Einkommensteuer

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst will ich einmal festhalten, dass die AfD sich künftig nicht mehr beschweren darf, dass Anträge zu kurzfristig vor der Debatte vorgelegt werden.

(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Allerdings!)

Seit gestern – gerade einmal seit 24 Stunden – liegt dieser Antrag vor. Ich muss sagen: Am Ende war es gar nicht so schlimm; denn auch inhaltlich ist dieser Antrag von gestern. Deswegen braucht man gar nicht so viel Zeit, um sich damit zu beschäftigen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich zitiere aus Ihrem Antrag: Die Bundesregierung soll

… gesetzgeberische Lösungsmodelle zur Beratung in den Bundestag einbringen, welche geeignete sind, die Effekte heimlicher Steuererhöhungen möglichst zu vermeiden, mindestens jedoch einen jeweils zeitnahen, äquivalenten Belastungsausgleich für alle Steuerbürger zu gewährleisten.

Das ist schön, deswegen machen wir das genau so, und zwar bereits seit Jahren.

Das Thema „kalte Progression“ ist im Übrigen auch kein „heimliches“ Thema, wie Sie hier zu suggerieren versuchen. Seit vielen Jahren sprechen wir in der Politik, in der Wirtschaft, in der Gesellschaft über dieses Zusammenwirken zwischen Lohnerhöhung, Inflation, Tarif und Steuerlast. Dieses Thema ist inzwischen so breitgewalzt, dass es auch dem Letzten bekannt sein müsste. Deswegen eignet es sich gar nicht als Ausgangspunkt für irgendwelche – „heimlichen“ – Verschwörungstheorien.

Sie suggerieren mit Ihrem Antrag, dass die Steuermehreinnahmen bei der Einkommensteuer in den letzten Jahren mehr oder weniger alleine auf dem Effekt der kalten Progression beruhen. Das ist schlicht falsch.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir haben in den letzten Jahren dank guter Politik ein Jobwunder in Deutschland geschaffen. Wir haben die Arbeitslosigkeit in diesem Land mehr als halbiert. Selbstverständlich: Wer arbeitet, verdient Geld, und wer Geld verdient, zahlt in der Regel Steuern. Deswegen haben wir hervorragende Einnahmen. Das ist die Hauptursache für den Aufwuchs bei der Einkommensteuer.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir sollten allerdings nicht so tun, als ob der Staat nicht auf Mehreinnahmen angewiesen wäre. Schauen Sie, wir haben Regierungsverantwortung. Natürlich sind die Ausgaben des Staates für Bildung, für Infrastruktur, für Forschung, für Sicherheit, für Soziales auch an die Inflation gebunden. Der Staat spürt die Inflation genauso wie der Private. Ich will zum Beispiel die aktuelle Lohnerhöhung im öffentlichen Dienst nennen: 7,5 Prozent über die Gesamtlaufzeit. Das ist richtig, das ist gut, weil die Beschäftigten im öffentlichen Dienst selbstverständlich leistungsgerecht bezahlt werden müssen, aber das hat steigende Ausgaben zur Folge. Steigende Ausgaben gehen eben nicht ohne steigende Einnahmen.

Es kann nicht sein, dass die Reallohnsteigerungen, die wir in den letzten Jahren hatten, völlig ohne Auswirkungen auf das Steueraufkommen bleiben. Richtig ist, dass man Reallohnsteigerungen trennen muss vom Inflationsausgleich, der lediglich die Preisentwicklung abbildet. Wenn man das trennt, dann kann man die Einkommensteuersätze der Preissteigerung anpassen. Genau das tun wir seit 2012, und zwar verantwortungsbewusst und vor allem zielgenau.

Um sicherzustellen, dass der Staat nicht von inflationsausgleichenden Lohnerhöhungen profitiert, haben wir in der unionsgeführten Koalition bereits 2012 gehandelt. Wir haben der Bundesregierung aufgegeben – das haben wir schon gehört –, dass sie jeweils in Zweijahresschritten den sogenannten Steuerprogressionsbericht vorlegen muss. Das hat geklappt. Ich wiederhole noch einmal: Wenn Sie 2012 mit einer rot-grünen Mehrheit im Bundesrat unser Vorhaben nicht blockiert hätten, hätten wir bereits zum damaligen Zeitpunkt die Bürgerinnen und Bürger um knapp 4 Milliarden Euro entlasten können und schon damals die kalte Progression wegnehmen können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir haben 2015 den ersten Bericht bekommen. Wir haben daraufhin gehandelt. Wir haben den Ausgleich, der in den Jahren 2014 und 2015 bei der kalten Progression entstanden ist, aufgehoben. Wir haben die kumulierte Inflationsrate aus diesen Jahren berücksichtigt und den Tarif nach rechts verschoben. Nach Vorlage des Zweiten Steuerprogressionsberichts haben wir ebenfalls die Tarifeckwerte für 2017 und 2018 erhöht. Allein mit diesen Anpassungen haben wir die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in diesem Land um knapp 7 Milliarden Euro entlastet. Diese Praxis hat sich bewährt. Deswegen haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir an dieser bewährten Übung festhalten. Selbstverständlich heißt das nicht, dass man nicht über weitere Entlastungen nachdenken kann. Selbstverständlich sehen auch wir Entlastungsbedarf bei den Einkommensteuerzahlern in der breiten Menge.

Wir werden, sobald der nächste Steuerprogressionsbericht und der Bericht über die Höhe des Existenzminimums vorliegen – das wird voraussichtlich Ende des Jahres der Fall sein –, die daraus resultierenden Ergebnisse entsprechend umsetzen, die Tarifeckwerte in dem erforderlichen Maß nach rechts verschieben und die notwendigen Entlastungen vornehmen, so wie wir das bereits in den letzten Jahren gemacht haben.

Der Antrag, den Sie heute eingebracht haben, ist schlicht obsolet. Deswegen werden wir ihn ablehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)