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Olav Gutting

Olav Gutting: Wesentliches Element der Richtlinie ist der Proportionalitätsgrundsatz

Rede über die Tätigkeit und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge

Heute findet im Plenarsaal des Deutschen Bundestages die erste Lesung des Gesetzentwurfes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/2341 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 über die Tätigkeit und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge (EbAV) statt. Der Beratungspunkt hört sich kompliziert an und ist es auch ein wenig. Auch könnte man meinen, die in diesem Gesetz vorgesehenen Regelungen beträfen nur wenige Bürgerinnen und Bürger.

Aber weit gefehlt: In Deutschland gibt es derzeit circa 16 Millionen Verträge der betrieblichen Alterssicherung, die in fünf verschiedenen Durchführungswegen abgeschlossen werden können. Von diesen entfallen circa die Hälfte auf Direktversicherungen und circa 22 Prozent auf Rückdeckungsversicherungen, über die heute nicht zu reden sein wird. Heute sind die über 4 Millionen Verträge von Pensionskassen und Pensionsfonds im Fokus.

Die Pensionskassen und Pensionsfonds unterliegen der EbAV-Richtlinie, die durch Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates geändert worden ist. Die Neufassung dieser Richtlinie (EbAV II) ist bis zum 13. Januar 2019 in nationales Recht umzusetzen, was mit diesem Gesetzentwurf geschehen soll.

Die neue Richtlinie erweitert gegenüber der Vorgängerrichtlinie den Aufsichtsrahmen für Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge (EbAV) und macht insbesondere detailliertere Vorgaben zur Unternehmensführung von deutschen Pensionskassen und Pensionsfonds. Weitere Schwerpunkte der EbAV II bilden die Ausweitung der Informationspflichten gegenüber den Versorgungsberechtigten sowie die Beseitigung von aufsichtsrechtlichen Hindernissen für grenzüberschreitende Tätigkeiten.

Die für Versicherer relevante Solvency-II-Richtlinie findet auf EbAV mit Ausnahme der Direktversicherungen keine Anwendung, jedoch werden mit der Umsetzung der Richtlinie EbAV II in das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) auch Regelungen verändert, die auch für Lebensversicherungsunternehmen gelten. Insgesamt wird mit dieser Umsetzung die Regelungssystematik umgestellt: Künftig setzen die besonderen Vorschriften für Pensionskassen auf die für Lebensversicherungsunternehmen geltenden Vorschriften auf, ohne dass inhaltliche Änderungen im VAG vorgenommen wurden.

Während die Solvenzanforderungen in EbAV II im Vergleich zur Vorgängerrichtlinie gleich geblieben sind, wurden durch die EbAV-II-Richtlinie neue Governance- und Informationspflichten eingeführt, die im VAG verankert werden. Künftig sollen die Informationspflichten des VAG, die die betriebliche Altersversorgung betreffen, einheitlich für Pensionskassen, Pensionsfonds und für die Direktversicherung gelten; en détail werden diese in einer noch zu erlassenden Verordnung geregelt.

EbAV sind nach der Umsetzung der EbAV-II-Richtlinie unter anderem verpflichtet, regelmäßig eine eigene Risikobeurteilung vorzunehmen und zu dokumentieren, das heißt, die EbAV müssen sich intensiver mit Risiken und Risikobewältigung auseinandersetzen. Die Richtlinie setzt somit wichtige Impulse, wie mit Herausforderungen wie zum Beispiel dem demografischen Wandel oder dem Umfeld von Niedrigzinsen umzugehen ist. Somit soll auch Schlagzeilen wie „Dutzende Pensionskassen haben große Probleme“ oder „Ein Drittel der 137 Pensionskassen befindet sich aktuell unter strenger Beobachtung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)“ gegengesteuert werden.

Diese Schlagzeilen machen einerseits deutlich, dass gerade Pensionskassen von der Niedrigzinsphase betroffen sind, gleichzeitig werden mögliche Folgen aber übertrieben dargestellt. So versucht die BaFin mit den betroffenen Kassen Wege zu finden, um diese langfristig zu stabilisieren. Da es sich hierbei ausschließlich um lang laufende Rentenversicherungen handelt, spielt natürlich auch die demografische Entwicklung eine entscheidende Rolle: Die Menschen werden immer älter, sodass Betriebsrenten länger gezahlt werden müssen.

Trotz der für einige Pensionskassen angespannten Situation ist die BaFin aber überzeugt, dass sie mit und für die Kassen Maßnahmen ergreifen kann, um Leistungskürzungen zu vermeiden. Und dazu gehören eben auch die schon angesprochenen erweiterten Vorschriften zur Geschäftsorganisation aus der EbAV II.

Wie Versicherungsunternehmen müssen nun auch Pensionskassen und Pensionsfonds über Schlüsselfunktionen wie Risikomanagement oder Revisionsfunktion verfügen, die besonderen Anforderungen unterliegen, wobei die Wirksamkeit des Risikomanagementsystems, das Gesamtfinanzierungssystem und das Schutzsystem für Anwartschaften und Ansprüche Versorgungsberechtigter mindestens alle drei Jahre mittels Risikobeurteilungen zu überprüfen ist. Gleichzeitig wird durch die EbAV II die Aufsicht gestärkt, die sich auch auf die Schlüsselfunktionen und die von den Pensionskassen und Pensionsfonds unabhängige eigene Risikobeurteilung erstreckt.

Zudem wurden die Regeln zur grenzüberschreitenden Tätigkeit von EbAV überarbeitet und zur grenzüberschreitenden Bestandsübertragung eingeführt; diese sind abschließend.

Wesentliches Element der Richtlinie ist der Proportionalitätsgrundsatz, der ja aus anderen Bereichen schon bekannt ist und hier bei Kassen und bei der Aufsicht Anwendung findet. So müssen Pensionskassen und Pensionsfonds die Anforderungen so erfüllen, wie sie der Größenordnung, der Art, dem Umfang und der Komplexität ihrer Tätigkeiten, ihrer Größe und internen Organisation angemessen ist. Diesen Proportionalitätsgrundsatz in das deutsche Versicherungsaufsichtsgesetz einzuarbeiten, war nicht einfach, ist aber meines Erachtens sehr gut gelungen.

Sicherlich wird bei den weiteren Beratungen auch die Kritik der Verbände und der betroffen Kassen an der EbAV II zu diskutieren sein. Hier möchte ich schon jetzt zwei Punkte hervorheben, die sicherlich zu Beratungsbedarf führen werden:

Erstens gibt es Überschneidungen der Informationspflichten aus der EbAV II und weiteren Vorschriften (aus VVG, BetrAVG, Vorschriften Sozialpartnermodell); diese Doppelungen sind unnötig und sollten eliminiert werden.

Zweitens. Zur EbAV II gehörige Rechtsverordnungen insbesondere zu Detailangaben für die Informationsvorschriften und Produktinformationen (technische Vorgaben) sind noch nicht bekannt und noch zu erlassen. Da in diesen jedoch die Durchführung der doch umfangreichen Änderungen des VAG bestimmt wird, müssten diese parallel zum Gesetzgebungsverfahren erstellt und zeitnah bekannt gemacht werden.

Ich wünsche uns, insbesondere meinen Kolleginnen und Kollegen im Finanzausschuss, eine gute und zügige Beratung dieses Gesetzentwurfes im Sinne der 4 Millionen Versicherten, der 176 Pensionskassen und Pensionsfonds und der BaFin. Mit den im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen, so bin ich überzeugt, werden wir dazu beitragen, die Zukunft der privaten Rentenversicherung zu sichern.