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Olav Gutting: "Stabile Finanzen sind die Grundlage für nachhaltiges, stabiles und gesundes Wachstum"

Rede zum Steuerentlastungsgesetz 2020

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen des Deutschen Bundestages! Das ist ein wirklich interessanter Gesetzentwurf der FDP. Ein fairer Tarif bei der Einkommensteuer – wer möchte dieser Forderung widersprechen? Ich muss eingestehen, dass ich dem heute vorliegenden Gesetzentwurf eine große Sympathie entgegenbringen kann.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Insbesondere die Begründung des Gesetzentwurfs klingt charmant und unterstützenswert:

(Michael Theurer [FDP]: Machen Sie doch einen eigenen Gesetzentwurf!)

den Mittelstandsbauch abflachen, den Tarif leistungsgerecht und chancenorientiert umgestalten, strecken, abflachen, die Mitte der Gesellschaft entlasten, damit die Bezieher mittlerer Einkommen nicht schon mit einem Teil ihres Einkommens den Spitzensteuersatz zahlen. – Ich finde das richtig.

Wir in der Union betrachten die schrittweise Entlastung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler als unsere Aufgabe, und dieser Aufgabe stellen wir uns.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Grigorios Aggelidis [FDP]: Aber der werden Sie nicht gerecht!)

Es gibt nur einen entscheidenden Unterschied: Bei Ihnen in der Opposition ist es möglich, Luftschlösser zu bauen.

(Michael Theurer [FDP]: Was? – Grigorios Aggelidis [FDP]: Sie schaffen das in der Regierung!)

In der Regierungskoalition müssen wir hingegen auf dem Boden der Tatsachen arbeiten.

(Michael Theurer [FDP]: Schlechte Ausrede, Herr Kollege!)

Gestern wurde hier behauptet, liebe Kollegin Stark-Watzinger, der GroKo falle alle elf Minuten eine neue Steuer ein. Ich habe den Eindruck, der FDP fällt alle elf Minuten ein neues Steuersenkungskonzept ein.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Cansel Kiziltepe [SPD] – Grigorios Aggelidis [FDP]: Da stehen wir auch zu!)

Aber verantwortungsvolle Politik achtet immer darauf, den Gesamtzusammenhang zwischen bereits erfolgten, zwingend umzusetzenden und wünschenswerten Steuererleichterungen für die Menschen in diesem Land deutlich zu machen.

(Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD] – Michael Theurer [FDP]: Machen Sie doch mal Vorschläge!)

Wir haben vor wenigen Wochen in diesem Haus beschlossen, die Belastung durch den Solidaritätszuschlag in einem Umfang von über 10 Milliarden Euro zu reduzieren. Das sind 10 000 Millionen Euro jährlich. Das ist die größte Steuerentlastung auf einen Schlag seit über zwei Jahrzehnten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir wollen so schnell wie möglich auch den Rest des Solis abschaffen. Für uns in der Union bleibt es dabei: Dieser Zuschlag muss für alle entfallen.

Mit dem Familienentlastungsgesetz – Ende 2018 – haben wir die Familien über das Kindergeld und über den Kinderfreibetrag deutlich entlastet. Wir sind mit Maßnahmen wie der Erhöhung des Grundfreibetrages weit über die verfassungsrechtlich gebotenen Maßgaben hinausgegangen, um einen Beitrag zur finanziellen Stärkung unserer Familien zu leisten. Auch hier ging es um Steuerentlastungen mit einem Volumen von über 10 Milliarden Euro jährlich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir haben die kalte Progression neutralisiert. Grundlage dafür war übrigens ein Beschluss, den wir in der vorletzten Legislaturperiode gefasst haben. Damals, in der christlich-liberalen Koalition, haben wir die Bundesregierung dazu gezwungen, immer regelmäßig einen Progressionsbericht vorzulegen. Das ist damals klug gewesen.

(Michael Theurer [FDP]: Ja! Warum machen Sie das jetzt nicht mehr?)

Deswegen ist es gelungen, die kalte Progression zu neutralisieren.

Wir haben noch im alten Jahr im Zuge des sogenannten Jahressteuergesetzes mehrere Maßnahmen beschlossen, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer direkt entlasten.

Jetzt ist das eine Frage der Addition, des Plusrechnens, das man schon in der Grundschule lernen konnte: Summa summarum haben wir mit den von uns beschlossenen Maßnahmen – ab nächstem Jahr – eine Gesamtentlastung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler um über 21 Milliarden Euro pro Jahr erarbeitet.

Kolleginnen und Kollegen, wir haben weitere Projekte vor der Brust. Wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft erhalten wollen, dann brauchen wir eine Reform unseres Unternehmensteuerrechts.

(Fabio De Masi [DIE LINKE]: Nee! Brauchen wir nicht!)

Das bedeutet, wir brauchen eine Vielzahl von weiteren steuerlichen Maßnahmen: bei der Körperschaftsteuer, bei der Gewerbesteuer, bei der Gewerbesteueranrechnung, beim Außensteuerrecht. Das alles gibt es doch nicht zum Nulltarif; das muss man doch wissen. Die Vorschläge der FDP, die uns heute vorliegen, würden die bisher schon erfolgte Entlastung von 21 Milliarden Euro verdoppeln. Dann soll noch der Soli komplett weg, und die Unternehmensteuerreform soll kommen. Dann sind wir bei einer Entlastung um irgendwas über 60 Milliarden Euro jährlich, und das bei gleichzeitig steigenden Investitionen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das kriegen selbst wir nicht hin, leider.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Christian Dürr [FDP]: Sie machen aber null! Sie machen davon gar nichts! Zwischen 60 Milliarden und 0 ist ein bisschen was!)

Aufgabe der Regierungskoalition und ganz besonders der Union ist es, dafür zu sorgen, dass wir einen ausgeglichenen Haushalt haben; und das nicht zum Selbstzweck, sondern weil wir fest daran glauben, dass stabile Finanzen die Grundlage für nachhaltiges, stabiles, gesundes Wachstum sind. Deswegen stehen wir mit beiden Füßen auf dem Boden der haushaltspolitischen Tatsachen, und deswegen können wir heute diesen Gesetzentwurf der FDP nicht mittragen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das ist klug!)