Skip to main content

Nadine Schön: Wir wollen die Potenziale der Technologie nutzen

Einsetzung einer Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Potenziale“

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei der letzten Münchner Sicherheitskonferenz hat ein Roboter die Gäste begrüßt – Sophia. Er hat gelächelt, hat ganz intelligent Fragen beantwortet – mithilfe von künstlicher Intelligenz. Wenn Sie bei Google ein Stichwort eingeben – sagen wir „Weltmeisterschaft“ –,

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schlechtes Beispiel! – Sören Bartol [SPD]: Jetzt ist die Stimmung unten!)

dann finden Sie rechts einen Kasten. Hier werden die relevanten Informationen zu dem Stichwort, das Sie eingegeben haben, zusammengetragen. Das war nicht etwa ein fleißiger Praktikant bei Google; nein, Google stellt mithilfe von Deep Learning, einer Unterart von künstlicher Intelligenz, aus der Fülle der Daten, auf die Google zugreifen kann, diese relevanten Informationen kompakt zusammen – ebenfalls künstliche Intelligenz, die wir im Alltag längst benutzen. Auch in der Landwirtschaft, in der Medizin oder im Alltag begegnet uns längst künstliche Intelligenz.

Wieso diskutieren wir also jetzt seit Monaten oder wenigen Jahren verstärkt über dieses Thema? Der Hintergrund ist der, dass KI in den letzten Jahren eine völlig neue Dynamik erfahren hat. Intensität und Qualität von KI haben sich in den letzten Jahren massiv verändert. Es gibt immer mehr Daten, mit denen gearbeitet werden kann. Die Rechenleistung hat massiv zugenommen. Es werden enorme Summen in Forschung investiert, und dadurch werden immer schnellere Innovationssprünge vollzogen.

Das beflügelt Fantasien. Die einen denken an den Terminator, sehen die Maschine, die die Macht über die Menschen übernimmt. Die anderen setzen eine Menge Hoffnungen in KI, in Künstliche-Intelligenz-Systeme. Sie sehen darin die Lösung für viele Probleme der Menschheit wie Hunger und Klimakatastrophen und hoffen auf Heilung von Krankheiten und Vermeidung von Epidemien.

Alles scheint möglich mit künstlicher Intelligenz. Deshalb ist es kein Hype, über den plötzlich alle sprechen, weil es gerade modern ist; es ist Fakt, dass KI derzeit der größte Treiber der Digitalisierung ist und nahezu alle Bereiche – von der Medizin über die Mobilität bis hin zur Produktion oder auch das Versicherungswesen, ja sogar das Management von Konzernen – beeinflusst und mitgestaltet. Diese enorme Entwicklung vollzieht sich nicht nur bei uns. Die größten Treiber sind US-amerikanische Großkonzerne und die Volksrepublik China. Gerade bei China beobachten wir, dass massiv investiert wird, dass KI entwickelt und auch angewandt wird, allerdings auf einem ganz anderen Wertefundament, als wir das wollen. Hier spielen Persönlichkeitsrechte, der Schutz von Daten, der Respekt vor der Würde des Einzelnen eine, vorsichtig ausgedrückt, untergeordnete bis, manchmal, gar keine Rolle.

Wir haben also eine Entwicklung, die uns nicht nur vor die Fragen stellt, welche Chancen und Potenziale KI bietet, welche Risiken und Herausforderungen damit verbunden sind, welche Rahmenbedingungen wir setzen wollen und nach welchen Grundsätzen wir KI in Deutschland und in Europa entwickeln und anwenden wollen. Nein, wir müssen unsere Antworten auch in den internationalen Kontext stellen. Unsere Antworten müssen korrespondieren mit anderen Sichtweisen und Vorstellungen von künstlicher Intelligenz, die es in dieser Welt gibt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir als Union – ich denke, das ist auch gesellschaftlicher Konsens in unserem Land, zum Glück – wollen den technologischen Wandel auf der Grundlage unserer gesellschaftlichen und kulturellen Werte gestalten. „Gestalten“ ist das entscheidende Wort; denn wir wollen nicht Objekt sein und nur anwenden, sondern wir wollen Akteur sein. Wir wollen die Potenziale der Technologie nutzen und selbst Lösungen entwickeln und auch den Transfer in die Wirtschaft schaffen. Deshalb ist es richtig, dass das Thema ganz oben auf der politischen Agenda steht – in Deutschland wie in Europa. Genauso wichtig ist, dass es eine gesellschaftliche Debatte über das Thema gibt, und für diese gesellschaftliche Debatte gibt es keinen besseren Ort als diesen hier, den Deutschen Bundestag, das Herz der Demokratie. Deshalb setzen wir heute die Enquete-Kommission ein.

Die Enquete-Kommission, eine ganz besondere Art des Parlamentarismus, ist eine Kommission, in der ebenso viele Abgeordnete aus vielen fachlichen Bereichen wie Experten aus unterschiedlichen Bereichen sind. Wir diskutieren also mit Wissenschaftlern, mit Forschern, mit Theologen, mit Unternehmern, mit Sozialpartnern, mit Gesellschaftswissenschaftlern. Wir wollen eine breite gesellschaftliche Debatte in diesem Raum über künstliche Intelligenz führen, und wir wollen sie auch mit der Bevölkerung führen.

Wir werden definieren müssen, wo wir stehen, gerade im internationalen Kontext.

(Martin Hebner [AfD]: Ganz, ganz hinten im Moment!)

Wir werden diskutieren, welche ethischen Maßstäbe wir anlegen und welche Grundsätze und Prinzipien wir für Forschung und Nutzung von KI aufstellen; denn letztlich muss der Mensch entscheiden, wo und wieweit er KI einsetzen will. Der Mensch ist auch verantwortlich für die Daten, die in intelligente Systeme eingespeist werden. Wir werden in der Enquete-Kommission herausarbeiten müssen, inwieweit KI unsere Arbeitswelt verändert.

(Martin Hebner [AfD]: Tut sie doch schon längst!)

– „Tut sie doch schon längst!“, das war eine sehr intelligente Zwischenbemerkung. Natürlich tut sie das längst,

(Martin Hebner [AfD]: Ja, und was wollen Sie jetzt noch definieren?)

aber genau diese Entwicklung muss man doch mitgestalten,

(Martin Hebner [AfD]: Und was wollen Sie noch gestalten?)

und man muss die Konsequenzen und die politischen Schlussfolgerungen daraus ziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Es langt nicht, das Ganze nur von der Zuschauerbank aus zu betrachten. Es ist doch unsere Aufgabe in diesem Hohen Hause, das zu gestalten und diese Entwicklung mit zu beeinflussen.

Wir werden über Forschung reden.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Frau Schön, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der AfD?

Nadine Schön (CDU/CSU):

Ja, gerne.

Martin Hebner (AfD):

Vielen Dank für das Recht, eine Zwischenfrage zu stellen. – Verzeihen Sie, Frau Schön, ich war, bevor ich in den Bundestag gekommen bin, in einem großen Finanzdienstleistungskonzern im Projekt Digitalisierung in der Zusammenarbeit mit einem Konzern – nennen wir ihn „IBM“ – zur Interpretation von Kundenanschreiben mit KI. Was wollen Sie jetzt noch definieren? Vor allem: Die Enquete-Kommission soll bis 2020 etwas vorlegen. Was wollen Sie da noch festlegen? Das läuft. Das passiert.

(Widerspruch bei der SPD)

Haben Sie überhaupt eine Ahnung, was in der Wirtschaft momentan vor sich geht?

Nadine Schön (CDU/CSU):

Politik hat nicht die Aufgabe, einzelnen Unternehmen vorzuschreiben, wie sie ihre Arbeitswelt gestalten. Ich glaube, da verkennen Sie die Aufgabe der Politik. Politik hat die Aufgabe, die politischen Rahmenbedingungen so zu setzen,

(Martin Hebner [AfD]: Ja, das läuft doch schon!)

dass wir technologische Chancen nutzen, Risiken bekämpfen

(Zuruf von der AfD: Worthülsen dreschen! – Gegenruf von der CDU/CSU: Das können Sie am besten!)

und zusammen mit der Forschung und den Anwendern in der Wirtschaft dieses Umfeld gestalten.

(Martin Hebner [AfD]: Das läuft doch schon! Sie sind doch viel zu spät dran! – Gegenruf des Abg. René Röspel [SPD]: Haben Sie ihrem Vorredner nicht zugehört?)

– Genau. Das ist genau das, was mein Vorredner in einer durchaus guten Rede gefordert hat: dass wir genau das in diesem Hohen Haus tun.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Insofern empfehle ich Ihnen: Setzen Sie sich vielleicht in Ihrer eigenen Fraktion einmal mit den Experten auseinander, und bestimmen Sie dann für sich, wie Sie mit diesem wirklich wichtigen Thema, das die Menschen vor Ort auch umtreibt, umgehen wollen. Ich glaube, es gibt noch Diskussionsbedarf innerhalb der AfD. Ich sehe nämlich Kopfschütteln innerhalb der AfD. Also haben Sie hier in den nächsten Wochen eine interessante Aufgabe vor sich.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Sie müssen zum Schluss kommen, Frau Schön.

Nadine Schön (CDU/CSU):

Gesellschaftliche Verantwortung, wirtschaftliche, soziale und ökologische Potenziale – das sind die Themen, über die wir gemeinsam diskutieren wollen. Dazu werden wir Handlungsempfehlungen erstellen – eine spannende Aufgabe für die nächsten zwei Jahre. Ich freue mich auf die gemeinsame Arbeit mit Ihnen und mit den Experten. Das wird ein guter und wichtiger Prozess für unser Land werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)