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Michael Frieser: Am Ende des Tages existiert der Prozess der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit dieses Anleiheprogramms

Redebeitrag zum Urteil zum Anleihekaufprogramm PSPP

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin jetzt ein bisschen verwirrt. Also, wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass man keine Ahnung vom Zusammenspiel von EZB und Bundesbank und davon hat, wie diese Institutionen miteinander umgehen, dann haben wir das gerade gehört. Da brauchen wir sicherlich keine Lehrstunde.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])

Ich bin dem Kollegen Jung aber sehr, sehr dankbar, dass er für das Bundesverfassungsgericht einmal erklärt hat, worum es heute geht. Es geht nicht um den Streit und um die Frage von Mechanismen zur Kontrolle des Inhaltes von Politik. Das Bundesverfassungsgericht – welches Gericht denn sonst, wenn nicht dieses Gericht? – hat zum Ultra-vires-Schwert gegriffen, aber es hat natürlich nicht damit zugeschlagen. Deshalb war, ehrlich gesagt, diese reflexartige Form des Widerstandes – da ging es bis zum Vertragsverletzungsverfahren – aus meiner Sicht nicht unbedingt notwendig.

Es geht darum: Europa ist kein Bundesstaat. Deshalb sind Bundestag und Bundesregierung natürlich aufgerufen, die Überschreitung von Grenzen, aber auch andere Auslegungen und eine Neuschaffung von Kompetenzen zu kontrollieren.

(Peter Boehringer [AfD]: Das müssen Sie Ihrem Koalitionspartner noch mal erklären!)

Warum? Weil wir für ein Europa werben. Wir werben auch für Vertrauen in die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Aber das können wir nur tun, wenn wir den Prozess dieser Geldmarktpolitik auch mitbeurteilen können und in gewisser Weise auch einen Einblick haben. Das nennt man „Integrationsverantwortung“. Dieser werden wir gerecht, nicht nur mit dieser Debatte heute, sondern auch mit der Zurkenntnisnahme der Unterlagen.

Worum geht es aber gerade nicht? Es geht nicht darum, Vorgaben für Geldpolitik zu machen; es geht nicht darum, sich ersatzweise in die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank einzumischen, die der Unabhängigkeit der Bundesbank nachgebildet ist, sondern es geht darum, dass wir den Menschen deutlich machen: Sicherlich, es gibt einen Prozess der Verhältnismäßigkeit, den man ständig, auch in der Zukunft, im Blick hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das kann man von uns verlangen. Das ist unser Ansatzpunkt. Das ist das, was das Bundesverfassungsgericht von uns verlangt.

Deshalb, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen: Es geht schon darum, dass man jeden Eindruck vermeidet, dass man es auf jeden Fall besser weiß. Geldmarktpolitik geht immer dann in die Irre, wenn sie der bloßen politischen Auseinandersetzung geopfert wird. Das ist genau die Lehre, die wir aus der jahrzehntelangen fehlerhaften Geldpolitik gezogen haben. Deshalb kommt es immer darauf an, dass wir diese Vorgaben als Prozess begleiten. Dafür gibt es mehrere Ansätze, über die wir selbstverständlich gerne miteinander reden. Der Monetäre Dialog, das, was die Kollegen im Europäischen Parlament tun, das, was uns an Unterlagen zur Kenntnis gelangt, aufgrund dessen wir es dann beurteilen können: Am Ende des Tages existiert er, der Prozess der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit dieses Anleiheprogramms.

Wir haben es unseren Bürgern verbindlich versprochen, dass wir über die Einhaltung dieser Grenzen wachen können – ohne uns in eine Geldmarktpolitik einzumischen, die an dieser Stelle gerade nicht unsere Angelegenheit ist. Das ist unsere Integrationsverantwortung; das ist das, wofür wir auch bei den Bürgern in diesem Land, in Europa und in Deutschland, werben müssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)