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Matthias Hauer: Diese schwere Krise hat uns vor allem gelehrt, das Verhältnis von Staat und Markt im Finanzsektor neu zu definieren

Rede zu "Zehn Jahre nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers"

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesem Monat jährt sich die Insolvenz der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers zum zehnten Mal. Das war gleichzeitig der Höhepunkt der Finanzkrise von 2007/2008; dazu haben wir gerade schon viel gehört. Ich will das alles natürlich nicht wiederholen. Nur so viel: Weltweit wurden Menschen um Ersparnisse gebracht. Es mussten Staaten enorme Summen aufbringen, um weitere Banken vor dem Zusammenbruch zu retten. Die Weltwirtschaft stand vor dem Abgrund.

Diese schwere Krise und ihre Folgen haben uns vor allem gelehrt, das Verhältnis von Staat und Markt im Finanzsektor neu zu definieren, mit dem Ziel, den Finanzmärkten einen robusten Ordnungsrahmen und effiziente Strukturen zu geben. Auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene haben wir seitdem eine Vielzahl von Maßnahmen umgesetzt. Deutschland ist auf diesem Weg vorangegangen, um die Anfälligkeit für neue Finanzkrisen zu reduzieren. Gerade unserem langjährigen Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble gilt dafür unser Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Aufsicht über den Finanzmarkt hat sich seit der Finanzkrise tiefgreifend verändert. Eine schwache Aufsicht hat die damalige Krise erst ermöglicht, und gerade die grenzüberschreitende Kooperation war während der Finanzkrise völlig unzureichend. Es wurde deutlich, dass in einer immer komplexer werdenden und vernetzten Welt rein nationale Maßnahmen und Regulierungen nicht mehr ausreichen. Deshalb wurde länderübergreifend gehandelt. Der Finanzstabilitätsrat, FSB, wurde durch die G-20-Länder eingerichtet, um Schwachstellen des internationalen Finanzsystems zu identifizieren und die Regulierungspolitik auf internationaler Ebene zu koordinieren. Das Europäische Finanzaufsichtssystem, ESFS, hat 2011 seine Arbeit aufgenommen und sorgt für eine einheitliche Finanzaufsicht in der EU. Die einheitliche europäische Bankenaufsicht, SSM, agiert grenzüberschreitend und präventiv unter dem Dach der EZB als zentrale Bankenaufsichtsbehörde im Euro-Raum.

Aber nicht nur die Aufsicht war zu schwach. Die damalige Krise hat auch gezeigt, dass viele Finanzinstitute nicht ausreichend in der Lage waren, Verluste zu verkraften. Es war daher wichtig, die Finanzinstitute widerstandsfähiger zu machen. Dazu haben meine Kollegin Antje Tillmann und Kollege Alexander Radwan in ihren Reden bereits viele wichtige Punkte angesprochen. Diesen Weg werden wir gemeinsam in der Koalition auch mit dem neuen Finanzminister Olaf Scholz konsequent weitergehen.

Finanzkrisen verhindern – das ist unser gemeinsames Ziel. Leider tragen die beiden Anträge von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke dazu inhaltlich sehr wenig bei. Auch viel Neues findet sich darin nicht. Gerade der Antrag der Linken liest sich eher wie ein allgemeines Sammelsurium aus ihrem Wahlprogramm. An vielen Stellen fällt es schwer, einen Zusammenhang zum Thema zu erkennen. Sie von den Linken wollen neue Steuern einführen, obwohl wir niemals höhere Steuereinnahmen hatten als heute. Sie versprechen jedem einen Betrag von 1 050 Euro netto – ohne irgendeine Aussage, wie das finanziert werden soll.

(Zuruf des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE])

Aber auch bei anderen Themen versprechen Sie das Blaue vom Himmel: Mindestlohn, Rente, Gesundheit, Bildung, Pflege, Wohnungsbau, Verkehr, Energie, Digitales. Was hat das alles gemeinsam? Sie glauben: Das hat viel mit dem Thema Lehman-Pleite zu tun. Das alles, wohlgemerkt, in einem Antrag zu diesem Thema! Das spricht schon für sich.

(Frank Schäffler [FDP]: Das ist schwach!)

Sie sprechen zwar wichtige Themen an, aber Sie haben leider die falschen Lösungsansätze.

(Beifall bei der CDU/CSU – Frank Schäffler [FDP]: Das stimmt!)

Mit Ihren Vorschlägen würde es den Menschen am Ende schlechter gehen. Eine Finanzkrise würde durch Ihre Vorschläge eher wahrscheinlicher als verhindert. Die Staatsverschuldung würde durch die Decke gehen, wenn man Ihrem Forderungsbündel tatsächlich zustimmen würde. Wir als Union werden weiter dafür kämpfen, dass Sie von der Linken niemals Gelegenheit haben werden, diese Forderungen durchzusetzen

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Das entscheiden die Wählerinnen und Wähler, nicht Sie! Wo sind wir denn?)

und unser Land runterzuwirtschaften.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wollen, dass unser Land leistungsfähig bleibt und dass es den Menschen besser geht.

Der Antrag der Grünen befasst sich zumindest mit dem Thema. Damit unterscheidet er sich von Ihrem Antrag, von dem der Linken. Es finden sich da auch durchaus einige gute Forderungen, so die nach der Regulierung von Schattenbanken.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Bananenrepublik!)

Die können Sie im Übrigen im Koalitionsvertrag nachlesen. Wir wollen das im Rahmen einer internationalen und einer europäischen Lösung angehen; denn gleiches Geschäft muss auch gleich reguliert werden.

Der Antrag der Grünen wirkt ein bisschen wie Werbung für den neuen Verein von Herrn Dr. Schick; er hat auch einen gleichnamigen Titel. Frau Kiziltepe hat den Titel auch aufgegriffen. Ich hoffe, das hat nichts Negatives zu sagen. Aber wenn Ihr Verein tatsächlich so unabhängig und überparteilich sein soll, Herr Dr. Schick, ist es vielleicht keine so gute Idee, unter dem Titel einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen in den Bundestag einzubringen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)

Zum Bereich Verbraucher- und Anlegerschutz ist viel gesagt worden. Wir haben in den letzten Jahren da sehr viel getan, zuletzt noch mit der EU-Zahlungsdiensterichtlinie. Davon profitieren Verbraucher beim Bezahlen. Über Risiken von Finanzprodukten wird stärker aufgeklärt, Stichwort „PRIIPs-Verordnung“. Mit MiFID II haben wir den Anlegerschutz verbessert. Es gibt mehr Informationen über die Kosten von Finanzdienstleistungen. Es gibt die Geeignetheitserklärung. Auch die Honoraranlage-Beratung haben wir gestärkt. Sie kämpfen beharrlich gegen die Provisionsberatung. Die Festlegung auf eine Beratungsform führt aber am Ende zu weniger Beratung. Lassen Sie doch den Verbrauchern die Wahl, auf welche Beratungsform sie zurückgreifen wollen!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich komme zum Ende. – Wir brauchen keine Finanzwende oder gar ein völlig neues Finanzsystem, wie es Die Linke möchte. Es gilt vielmehr, den bestehenden Regulierungsrahmen da, wo es nötig ist, fortzuentwickeln und an die neuen Herausforderungen anzupassen. Es ist ein Anliegen der Koalition, insbesondere kleinere Institute zu entlasten, soweit von ihnen geringere Risiken für die Finanzstabilität ausgehen. Es darf keine Regulierung um ihrer selbst willen geben.

Es bleibt festzustellen: Die europäische Harmonisierung hat die Finanzmärkte transparenter und robuster gegen Krisen gemacht. Daran werden wir mit unserem Koalitionspartner weiter arbeiten. Wir werden wachsam bleiben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)