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Katrin Staffler: Wir müssen in der Gegenwart zusammenhalten und solidarisch bleiben

Redebeitrag zum EU-Haushalt 2021-2027

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Europa ist es wert“: Europa ist es wert, dass wir in dieser schwierigen Situation einander Halt geben, dass wir einander unterstützen und gemeinsam in die Zukunft schauen. Europa ist es wert, dafür zu kämpfen. – Möglicherweise ist Ihnen das bekannt vorgekommen. Das steht nämlich in Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dem kann ich auch vollumfänglich zustimmen. Was allerdings den Rest Ihres Antrags anbelangt, habe ich, ehrlich gesagt, so meine Bedenken.

Natürlich müssen wir gerade jetzt in der aktuellen Krise nach vorne schauen. Und ja, natürlich müssen wir auch die Chancen, die sich aus der Krise ergeben, erkennen und ergreifen. Allerdings scheinen die Grünen die Chancen insbesondere darin zu sehen, dass wir den mehrjährigen Finanzrahmen mit grün gefärbter Ideologie überfrachten. Und bevor Sie sich jetzt aufregen

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen wir doch gar nicht! – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– sind alle schon eingeschlafen? –:

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Selbstverständlich ist der Klimawandel eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, und es ist nur richtig und auch wichtig, dass wir für diese Herausforderung gemeinsam nach Lösungen suchen. Aber das müssen wir auch in anderen Bereichen tun und in anderen Bereichen die Basis für eine gute Zukunft legen.

Die Grünen fordern in ihrem Antrag, dass wir alle Bereiche des EU-Haushaltes auf den Klimaschutz ausrichten, und genau da liegt das Problem; denn wenn wir alle Bereiche auf eine Herausforderung ausrichten, dann ignorieren wir alle anderen Herausforderungen.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

Damit sorgen wir ganz sicher nicht für eine stabile Zukunft, ganz im Gegenteil. Was wir nämlich stattdessen brauchen, sind höhere Investitionen in Sicherheit, in Infrastruktur, in Digitalisierung, in künstliche Intelligenz, in Forschung und in Entwicklung. Damit schaffen wir den Schritt in eine gute Zukunft.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Was wir ganz bestimmt nicht brauchen, ist die muntere Forderung nach verschiedensten zusätzlichen Steuern aus dem Antrag der Grünen, damit man die gigantischen Forderungen, die Sie aufstellen, auch finanzieren kann. Die EU ist kein Staat, und deswegen soll sie sich auch nicht verhalten wie ein Staat. Sie möchten – zu Recht – Populismus bekämpfen. Aber das Gegenteil werden wir erreichen, wenn wir willkürlich am Bürger vorbei immer höhere Steuern erheben.

Wo wir gerade beim Thema Krisenbewältigung waren: Es wird auch nicht ausreichen, dass wir nur auf die aktuelle Krise reagieren. Wir müssen die Gefahr von kommenden Krisen erkennen, und wir müssen uns darauf vorbereiten. Wir müssen dafür sorgen, dass wir auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben, und dafür brauchen wir Innovationen, die, nebenbei gesagt, übrigens auch einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten können.

Eines ist mir besonders wichtig: Es muss uns gelingen, dass wir erstklassige Forschung noch besser in die Praxis bringen. Wir haben fantastische Forschung innerhalb der Europäischen Union. Dennoch gelingt es uns nicht, dass wir diese Forschung noch besser in wirtschaftliche Innovation transformieren. Das ist, als würde man nobelpreiswürdige Entdeckungen machen und hinterher vergessen, dass man sie veröffentlicht. Innovation ist der Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit der Zukunft. Deswegen brauchen wir natürlich viel Geld für Forschung und Entwicklung. Wir müssen aber auch den nächsten Schritt Richtung Anwendung machen.

Ein weiteres Thema, das mich umtreibt, ist, dass wir innerhalb der EU darauf achten müssen, Rechtsstaatlichkeit zu erhalten. Um es an dieser Stelle ganz klar zu sagen: Für mich ist die europäische Idee eine Idee von Toleranz, eine Idee von Frieden und von Gemeinschaft. Genau für diese Werte müssen wir innerhalb der Europäischen Union einstehen, und zwar nicht nur nach außen und bei den anderen gucken, sondern auch nach innen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Deswegen begrüßen wir es als Unionsfraktion, dass sich die Kommission in ihrem jährlichen Bericht über die Rechtsstaatlichkeit mit den Situationen in den jeweiligen Mitgliedstaaten befassen wird; denn Rechtsstaatlichkeit muss für uns die Grundvoraussetzung für den Erhalt von Mitteln aus dem mehrjährigen Finanzrahmen sein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es ist relativ wenig überraschend, dass die AfD damit nicht einverstanden ist. Ein Mitgliedstaat mit einer „souveränen politischen Ausrichtung“ müsse Vorhaben der EU-Kommission verwerfen dürfen. Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, nach der Logik dürfte die AfD auch aufgrund ihrer souveränen politischen Ausrichtung ohne Fahrkarte in der Bahn fahren, und hinterher dürften wir das dann selbstverständlich weder kontrollieren noch sanktionieren.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Das ist Blödsinn! Aber die EU hat einem souveränen Staat keine Vorschriften zu machen!)

Das ist spannend, Herr Kleinwächter; denn solche Ideen findet man normalerweise eher bei den Kollegen von der anderen Seite des Hauses. Wir jedenfalls lehnen so was ab.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zuletzt möchte ich noch über den Zeitplan sprechen. Es gibt den Vorwurf im Antrag der Grünen, die Bundesregierung habe Zeit und Vertrauen in der EU verspielt. Dem möchte ich an dieser Stelle ganz entschieden widersprechen. Vertrauen gewinnt man doch nicht dadurch, dass man vorschnell irgendwelche Gelder der Bürger ausgibt, sondern dadurch, dass man gewissenhafte Entscheidungen trifft und sorgfältig abwägt. Und ja, natürlich müssen wir in dieser Krisensituation schnell handeln, und viele Mittel werden natürlich wegen der anhaltenden Krise auch sofort gebraucht; aber die Lösungen dürfen eben nicht nur schnell, sondern sie müssen auch gut durchdacht sein. Deswegen müssen wir sicherstellen, dass die Haushaltsmittel effektiv, zukunftsorientiert und vor allem nach ganz klaren Kriterien und Bedingungen verwendet werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich habe es eingangs gesagt: Europa war es wert, Europa ist es wert, und Europa bleibt es auch wert. Und in diesem Sinne müssen wir die Vergangenheit gemeinsam überwinden. Wir müssen in der Gegenwart zusammenhalten und solidarisch bleiben, dann können wir gemeinsam mutig in die Zukunft gehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)